Tränen und Depression nach Hertha-Abstieg

SID
Herthas Kampf um den Klassenerhalt war ein vergeblicher
© Getty

Arne Friedrich und Co. sackten auf dem Rasen zusammen, Manager Michael Preetz starrte wie paralysiert ins Leere, und im Berliner Fanblock flossen viele, viele Tränen. Als das Kapitel Bundesliga nach 13 Jahren zugeschlagen und die allerletzte Chance auf das "Wunder von Berlin" verspielt war, herrschte im Lager der Hertha Weltuntergangsstimmung.

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"Das ist ein ganz bitterer Augenblick für die Spieler, die Stadt und die Fans. Wir hatten das Szenario seit Wochen vor Augen, nun ist es Gewissheit. Wir sind alle ein wenig zerrissen", sagte ein tieftrauriger Preetz, nachdem das Schicksal der Hertha durch das 1:1 (1:0) bei Bayer Leverkusen am vorletzten Spieltag endgültig besiegelt war.

Zum fünften Mal in der Bundesliga-Geschichte müssen die Berliner den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit antreten. Wie es weitergeht, konnten und wollten die Verantwortlichen noch nicht sagen.

Kein großer Umbruch

"Momentan überwiegt die Depression. Das müssen wir erst einmal zwei, drei Tage sacken lassen", sagte Präsident Werner Gegenbauer und blickte ein Stück weit voraus: "Bei Absteigern gibt es immer einen Umbruch. So groß, wie er in den letzten Tagen vorhergesagt wurde, wird er aber nicht ausfallen."

Viele Personalentscheidungen stehen an, eins ist aber klar: Preetz, der vor Saisonbeginn Manager Dieter Hoeneß beerbte, soll den Neuaufbau vorantreiben.

Die Zukunft von Trainer Friedhelm Funkel, dessen Vertrag nur für die erste Liga galt, ist dagegen völlig offen.

Trainerfrage: Preetz entscheidet

"Wir werden uns am Saisonende zusammensetzen und dann eine Entscheidung treffen", kündigte Preetz an, und Gegenbauer stellte klar: "Die Frage des Trainers obliegt allein Michael Preetz, der dann einen Vorschlag ans Präsidium macht."

Die ungeklärte Trainerfrage ist aber nur eine Baustelle, denn die Mannschaft droht auseinanderzufallen. Zwölf Verträge laufen aus, die Gerüchteküche um die Zukunft der Stars brodelt.

Nationalspieler Friedrich, Gojko Kacar, Cicero, Patrick Ebert, Raffael, Jaroslav Drobny, Adrian Ramos, Steve von Bergen und Lukasz Piszczek stehen vor dem Absprung und auf dem Wunschzettel vieler Bundesligisten.

Friedrich beim HSV im Gespräch

"Über die Zukunft habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Die Konzentration galt dem Abstiegskampf. In nächster Zeit werden sich nun die Spieler mit dem Verein zusammensetzen", sagte Friedrich, der beim Hamburger SV hoch gehandelt wird.

Doch nach acht Jahren Hertha ist dem Kapitän das Schicksal des Klubs nicht gleichgültig: "Berlin als Hauptstadt muss erstklassig sein. Das hat der Verein nicht verdient."

Dabei hatte die Hertha in Leverkusen keineswegs wie ein Absteiger gespielt. Gut sortiert in der Hintermannschaft und im Konterspiel brandgefährlich brachten die Berliner den Champions-League-Anwärter ein ums andere Mal in die Bredouille.

Chancenverwertung katastrophal

Doch wieder einmal war die Chancenverwertung das große Manko. Nach der Führung von Raffael (12.) ließen Theofanis Gekas und Co. mehr als ein halbes Dutzend Großchancen ungenutzt, was sogar TV-Experte Franz Beckenbauer erzürnte: "Das ist fahrlässig. Die musst du ja anzeigen." Was folgte, war der Ausgleichstreffer durch Manuel Friedrich (59.).

So sprach Trainer Funkel zurecht von einem "Spiegelbild der Saison", denn die Abschlussschwäche war in den zurückliegenden zwölf Monaten treuer Begleiter.

Die Abgänge von Marko Pantelic und Andrej Woronin konnten bis zum Schluss nicht kompensiert werden. Doch der Klassenerhalt wurde nicht in Leverkusen oder in den letzten Wochen verspielt.

Der Niedergang war in der schwachen Hinrunde begründet, als zu Weihnachten nur sechs Punkte zu Buche standen. "Die Hypothek war einfach zu groß", sagte Gegenbauer.

Heynckes: "Wir dürfen die Köpfe nicht hängen lassen"

In gewisser Weise war auch für Bayer die Hinrunde eine Hypothek. Der "Fluch der guten Tat" lähmte den Herbstmeister und ließ die Werkself noch auf den vierten Platz abstürzen.

So wirkte die Europa-League-Qualifikation eher als Trostpflaster, was Trainer Jupp Heynckes nicht gelten ließ. "Wir haben mit großen personellen Problemen viel erreicht. Wir dürfen die Köpfe nicht hängen lassen", sagte Ehrenmann Heynckes.

Er ließ es sich nicht nehmen, den Berlinern zu kondolieren: "Ich habe noch nie eine Mannschaft so Fußball spielen sehen, die absteigt. Das ist auch die Handschrift des Trainers."

Leverkusen - Hertha: Daten zum Spiel