Tradition verpflichtet

Von Stefan Rommel
Der König und sein Kronprinz: Ruud van Nistelrooy (r.) und sein Vorlagengeber Robert Tesche
© Getty

Ruud van Nistelrooy setzt eine in Hamburg lieb gewonnene Tradition fort und ist auf dem besten Weg zum neuen Publikumsliebling. Den VfB Stuttgart besiegte der Holländer fast im Alleingang. Dabei hätte dem VfB ein Spieler wie er sehr gut zu Gesicht gestanden.

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Große Spieler entscheiden große Spiele, sagt der Volksmund. Oder Marcel Reif. Die Begegnung zwischen dem VfB Stuttgart und dem Hamburger SV war ein sehr ordentliches Exemplar eines Fußballspiels, aber kein großes Spiel.

Entschieden - und da waren sich nach 90 packenden Minuten ausnahmsweise alle einig - wurde es aber durch einen wahrlich großen Spieler. Im totalitären System des Fußballs mit seinen unumstößlichen Regeln gilt Ruud van Nistelrooy als einer der besten Strafraumstürmer des letzten Jahrzehnts.

Vier Ballkontakte, zwei Tore

Für den VfB Stuttgart reichten vier Ballberührungen zu zwei Toren. Es waren die Treffer zum Sieg bringenden 3:1 für einen HSV, der als Mannschaft seinem Gegenüber phasenweise deutlich unterlegen war.

"Bei Ruud van Nistelrooy sieht man einfach, dass er ein Weltklasse-Stürmer ist. Er hat nur zwei Ballkontakte benötigt, um zwei Tore zu machen", hauchte selbst Stefano Celozzi, van Nistelrooys Gegner im VfB-Dress.

Da es der Fußball in seiner Schönheit und Grausamkeit aber auch einem einzelnen Spieler gestattet, die Entscheidung zu besorgen, gingen am Ende doch die Hamburger als Sieger vom Platz und nicht der VfB.

Nach zuletzt dürren Wochen setzte der HSV mal wieder ein dickes Ausrufezeichen im Kampf um Europa League, Champions League.

Es war ein Sechs-Punkte-Spiel angesetzt in der Mercedes-Benz Arena, bei einer Niederlage wäre der einst noch abstiegsbedrohte VfB den Hamburgern bis auf fünf Punkte auf den Pelz gerückt. So sind es dank van Nistelrooy doch wieder deren elf und der HSV hat sich eines Konkurrenten schon relativ früh in der Saison entledigt.

281 Tore im Verein

Eine fulminante Verletzungsmisere ließ in der Winterpause in Hamburg den Plan reifen, sich nach einem weiteren Stürmer umzuschauen. Seit Beginn der Saison ist der HSV streng genommen ohne sportliche Leitung, ohne einen Hamburger Klaus Allofs oder Felix Magath.

Und trotzdem - oder gerade deswegen? - schafften die Hanseaten das Kunststück, den Verantwortlichen für 232 Liga- und 49 Champions-League-Tore an die Elbe zu locken. In Holland, England, Spanien schockte Van the Man in 15 Jahren als Profi gegnerische Abwehrreihen. In der Bundesliga genügten ihm etwas weniger als 90 Sekunden.

"Ich möchte zur WM"

Es gehört zur guten Hamburger Tradition, sich an Importen aus dem Fußball-Schlaraffenland Niederlande zu erfreuen, wo auf Grund der schlichtweg fehlenden Masse an Spielern mit immer neuen Methoden immer neue Stars geboren werden.

Der ehemalige Hamburger Rafael van der Vaart, in seiner Zeit im Volkspark ein Held, hatte seine Finger und vor allem seine Zunge beim Transfer mit im Spiel. Van der Vaart überzeugte den bei Real Madrid auf der Ersatzbank darbenden Landsmann recht schnell von den Vorzügen von Stadt und Verein.

Dazu kam die Gewissheit, nur über Einsatzzeiten im Verein auch wieder in den Fokus von Bondscoach Bert van Maarwijk zu gelangen.

"Ich möchte in den kommenden vier Monaten um eine Chance in der Nationalmannschaft kämpfen. Ich möchte mit der Elftal zur WM in Südafrika, das war einer der ausschlaggebenden Gründe für den Wechsel", sagte van Nistelrooy bei seiner Verabschiedung in Madrid gegenüber SPOX. Einen ersten kleinen Schritt in die richtige Richtung hat er bereits jetzt getan.

Tesche der heimliche Held

Freundlich unterstützt oder besser: zu seinem Glück gezwungen, wurde er dabei von Trainer Bruno Labbadia. Der war ja einst selbst einer jener Strafraum-Wühler und wusste um die Ungeduld, die sein Star in sich aufbaute.

"Beim Warmlaufen habe ich schon auf die Uhr geguckt und gedacht, dass es Zeit ist, dass ich reinkomme. Ich war sehr motiviert und habe dem Trainer gesagt, dass ich bereit bin, mehr Minuten zu bekommen", schilderte van Nistelrooy die Momente vor seiner Einwechslung.

Ganz freiwillig ließ ihn Labbadia aber schon nach 65 Minuten nicht aufs Feld. Mladen Petric war angeschlagen und musste runter. Labbadia wechselte praktischerweise auch gleich noch van Nistelrooys zuverlässigen Zulieferer Robert Tesche mit ein, der nachher den ersten Treffer vorbereitete und den zweiten entschlossen einleitete.

Zudem stabilisierte Tesche die davor sehr löchrige rechte Hamburger Seite nachhaltig.

Er macht den Unterschied

Der Hamburger SV hat sich da mit van Nistelrooy einen Spieler geleistet, der eine schwächere Partie oder ein paar Verletzte durch zwei, drei Szenen in einem Spiel aufwiegen kann. Der HSV ist durchaus auch ein hohes Risiko eingegangen mit van Nistelrooys Verpflichtung.

In den letzten beiden Jahren spielte er nach seinem zweiten Kreuzbandriss kaum, zuletzt setzte ihn eine Wadenverletzung außer Gefecht. Die ersten Ansätze plus zwei oder sogar drei Punkte mehr auf dem Konto sollten den Verantwortlichen aber vorerst Recht geben in ihrer Entscheidung.

Stuttgart ohne Alternativen

Beim VfB Stuttgart war man zu so einem hohen Risiko nicht bereit. Dabei hätte die Vorrunde in der Entscheidungsfindung durchaus Beweis genug sein können. Reihenweise ließ der VfB damals Punkte liegen, weil seine Stürmer einfach nicht ins gegnerische Tor treffen wollten.

Sportvorstand Horst Heldt wollte sich wie schon in der Sommerpause nicht am Gefeilsche auf dem überhitzten Markt beteiligen und übersah dabei einen Spieler wie van Nistelrooy. Oder er wollte ihn übersehen.

Gegen den HSV war Stuttgart auch deshalb in der misslichen Lage, nur zwei Angreifer im Kader zu haben. Cacau und der junge Julian Schieber mussten verletzt passen. So konnte Trainer Christian Gross nur regulierend einwirken, indem er Mittelfeldspieler ins Rennen warf. Mehr nicht.

Besonders dieses eine Mal aber hätte ein frischer Stürmer für einen der beiden Glücklosen da vorne drin schon sehr gut getan.

Nächste Woche wird der VfB mit etwas Pech sogar nur mit einem Stürmer in Köln antreten müssen. Ciprian Marica handelte sich gegen den HSV seine fünfte Gelbe Karte ein.

Stuttgart - Hamburg: Daten zum Spiel