Bittere Pleite für den Meister

Von Stefan Moser / Anant Agarwala
Wolfsburgs Christian Gentner feiert das zwischenzeitliche 1:1 gegen Köln

Schwere Zeiten für den amtierenden Meister und schwere Zeiten für Trainer Armin Veh. Am 19. Spieltag der Bundesliga unterlag sein VfL Wolfsburg gegen den 1. FC Köln mit 2:3 (1:1).

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Vor 22.000 Zuschauern in der Volkswagen-Arena in Wolfsburg brachte Kevin Pezzoni (7.) die Kölner mit seinem ersten Saisontor früh in Führung. Christian Gentner (22.) besorgte wenig später den Ausgleich für Wolfsburg.

In der 57. Minute erzielte Sebastian Freis die erneute Führung für die Gäste. Aus stark abseitsverdächtiger Position gelang Ricardo Costa zwei Minuten später der neuerliche Ausgleich für den VfL. In der 74. Minute besorgte schließlich Adil Chihi den Siegtreffer für Köln.

Hoeneß: "Wir werden die Situation analysieren"

Damit ist Wolfsburg seit sieben Spielen ohne Sieg und versinkt auf Platz 10 immer mehr in der sportlichen Bedeutungslosigkeit. Schon vor der Partie stand VfL-Coach Armin Veh bei Fans und Medien in der Kritik. Nach dem Spiel wollte Manager Dieter Hoeneß Fragen nach der Zukunft des Trainers auch nur ausweichend beantworten: "Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen, im Moment sind eigentlich alle fassungslos. Wir werden die Situation nun in Ruhe analysieren, aber nach sieben Spielen ohne Sieg muss man natürlich nachdenken." Eine Entscheidung über die Zukunft des Trainers wird frühestens am Montag fallen.

Im "NDR" sagte Hoeneß: "Ich werde keine Bekenntnisse abgeben, die man dann möglicherweise revidieren muss."

Veh selbst klang auf der Pressekonferenz jedenfalls wenig optimistisch: "Ich weiß nicht, wie es weitergeht. Diese Dinge kann ich nicht beeinflussen, aber wir sollten nicht emotional reagieren, sondern sachlich über die Dinge sprechen."

Die Kölner dagegen machen mit dem Sieg einen wichtigen Schritt Richtung Klassenerhalt. Mit 21 Punkten liegt der FC nun bereits vier Punkte vor dem Relegationsplatz auf Rang 13.

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: Köln muss den kompletten ersten Sturm ersetzen. Novakovic (Grippe) und Podolski (Rücken) sind nicht dabei, im Angriff soll Freis den Alleinunterhalter geben. Dafür kehrt Geromel in die Innenverteidigung zurück.

Wolfsburgs Trainer Veh stellt mal wieder seine Abwehr um: Für Madlung beginnt Costa - der in der Winterpause eigentlich schon den Verein verlassen sollte und wollte. Ansonsten keine Änderungen gegenüber der Niederlage in Stuttgart.

7., 0:1, Pezzoni: Freis über links im Laufduell mit Costa, der Portugiese klärt zur Ecke. Die bringt Chihi auf den kurzen Pfosten, Dzeko verweigert den Zweikampf, und so kann Pezzoni unbedrängt köpfen. Der Ball geht ins kurze Eck. Warum Josue nicht vernünftig auf der Linie postiert ist, weiß wohl nur er selbst.

22., 1:1, Gentner: Nach einer Misimovic-Ecke von links gewinnt Barzagli zehn Meter vor dem Tor das Kopfballduell gegen Mohamad und der Ball geht Richtung Tor. Am Fünfer produziert Geromel einen Querschläger. Gentner steht genau richtig und schießt aus sieben Metern direkt ins rechte Eck. Was für ein Gastgeschenk!

33.: Dzeko gegen Geromel: Links im Strafraum tankt sich der Bosnier durch und flankt von der Grundlinie in die Mitte. Mohamad rettet per Kopf knapp vor Grafite.

44.: Riesenchance zur erneuten Führung für Chihi! Der junge Stürmer sieht auf rechts Freis und geht mit Tempo Richtung Tor. Die flache Hereingabe kommt präzise und Chihi drückt vor Costa den Ball auf den Kasten. Lenz regiert glänzend und wehrt den Ball aufs linke Eck ab!

Halbzeit-Fazit: Das alte Lied: Wieder mal durch eine Ecke gerät Wolfsburg in Rückstand. Immerhin aber reagierte die Mannschaft und kam, ebenfalls nach einer Ecke, zum Ausgleich. Gegen Ende der Halbzeit aber erhöhte Köln den Druck.

54.: Misimovic knallt aus 22 Metern halbrechter Position voll drauf. Mondragon fliegt in die rechte Ecke und boxt den Ball weg. Dankbarer Ball für den Kolumbianer.

57., 1:2, Freis: Das gibt es doch nicht! Gerade in die Phase, in der nichts geht, fällt das Tor für Köln. Einen hohen Ball verlängert Yalcin per Kopf in den Lauf von Freis. Der hat 28 Meter vor dem Tor noch Barzagli und Costa gegen sich, aber beide Verteidiger versuchen zu grätschen. Freis wurschtelt sich durch und trifft an Lenz vorbei!

59., 2:2, Costa: Ein verrücktes Spiel! Mondragon verpasst eine Flanke, und Hasebe kommt an der Strafraumgrenze zum Schuss. Der Ball kommt zu Dzeko, der ihn fünf Meter vor dem Tor aber nicht richtig erwischt und Geromel auf der Linie anschießt. Der Brasilianer ist überrascht und blockt den Ball direkt zu Costa, der aus vier Metern trifft. Der Torschütze kam allerdings aus dem passiven Abseits. Umstrittener Treffer.

72., 2:3, Chihi: Yalcin spielt den Ball mit dem Rücken zum Tor einfach hoch in den Strafraum, Freis ist da ziemlich allein und kann den Ball kontrollieren, hochschauen, und Chihi in der Mitte bedienen. Der muss den Ball nur noch einschieben. Saisontor Nummer zwei.

Fazit: Auch wenn Köln unmittelbar nach der Pause unerklärlich passiv agierte und mit etwas Glück erneut in Führung ging, verdiente sich der FC den Sieg mit einer soliden und geschlossenen Mannschaftsleistung. Wolfsburg dagegen enttäuschte erneut vor eigenem Publikum. Für Veh wird es nun immer ungemütlicher.

Der Star des Spiels: Kevin Pezzoni. War vor allem in der ersten Halbzeit die ordnende Hand im Kölner Mittelfeld und setzte aus der defensiven Zentrale immer wieder offensiv Akzente. Krönte sein starkes Spiel mit seinem ersten Saisontor.

Die Gurke des Spiels: Andrea Barzagli. Erneut ein verkrampfter und unkonzentrierter Auftritt des Italieners. Das Zweikampfverhalten vor dem 1:2 gegen Freis hatte schlicht kein Bundesliga-Niveau, vor dem 2:3 schlief Barzagli und hob das Abseits auf.

Die Pfeife des Spiels: Günter Perl. Hatte keine Mühe mit der fairen Partie und hielt sich entsprechend dezent im Hintergund.

Die Lehren des Spiels: Die Ergebnisse fehlen, das Umfeld wird unruhig, der Boulevard macht Druck: Was Veh in dieser Situation dringend brauchte, war ein klarer Beleg dafür, dass er weiß, wie er den VfL aus der sportlichen Krise führen kann.

Gelungen ist die Beweisführung jedoch bestenfalls zur Hälfte. Die Mannschaft wirkte gegen Köln keinesfalls leblos oder vollkommen blockiert. Der VfL trat durchgehend konsequenter und aggressiver auf als zuletzt gegen Stuttgart und brach vor allem nach den Rückständen nicht auseinander, sondern arbeitete sich zweimal zurück in die Partie. Laut Lehrbuch eigentlich ein Statement für den Trainer.

Aber: Manager Dieter Hoeneß forderte vor dem Spiel einen Sieg. Doch zum siebten Mal in Folge konnte Wolfsburg nicht gewinnen, zum siebten Mal in Folge kassierte Wolfsburg mindestens zwei Gegentore. Und alle drei Kölner Treffer fielen erneut aufgrund von Undiszipliniertheiten und schlampigen Aktionen im Abwehrverhalten.

Symbolisch: Das 0:1 war bereits das achte Gegentor der Wölfe nach einem ruhenden Ball - eine alberne Quote für den amtierenden Meister.

Diesmal ließ sich Gentner wie ein Schuljunge blocken, Dzeko verweigerte den Zweikampf, Josue löste sich zu früh vom kurzen Pfosten: Eine Summe von individuellen Fehlern, die sich wie ein roter Faden durch die Saison der Wolfsburger ziehen. Und auch solche Unkonzentriertheiten bleiben in dieser Häufung am Ende am Trainer hängen. Entsprechend kippte gegen Ende der Partie auch die Stimmung im Stadion. Deutlich hörbar forderten die Fans: "Armin raus!"

Nach einer über weite Strecken kompakten und geschlossenen Mannschaftsleistung zeigt die Formkurve der Kölner dagegen deutlich noch oben. Trotz der spielerisch recht limitierten Mittel kam der FC zu etlichen gefährlichen Szenen in der Offensive, vor allem wenn es mit Tempo über die agilen Flügel ging. Auch ohne Podolski und Novakovic (und mit einem ungewohnt schwachen Geromel) gelingt Köln ein wichtiger Schritt im Abstiegskampf.

Wolfsburg - Köln: Daten zum Spiel