Sieg verschenkt! Doch Bayer bleibt an der Spitze

Von Stefan Moser / Andre Mader
Leverkusens Stürmer Stefan Kießling feiert das 2:0 gegen Schalke 04

Bayer Leverkusen bleibt Tabellenführer der Bundesliga. Das Team von Trainer Jupp Heynckes kam im Topspiel des 11. Spieltags am Samstag bei Schalke 04 zu einem 2:2 (0:2).

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Vor 61.600 Zuschauern in der Arena auf Schalke brachten zunächst Toni Kroos (29.) und Stefan Kießling (43.) mit seinem siebten Saisontreffer Leverkusen mit 2:0 in Führung.

Auch in der zweiten Hälfte dominierte zunächst Bayer die Partie. Erst in der Schlussphase kam Schalke zu echten Chancen. Kevin Kuranyi erzielte in der 82. Minute den Anschlusstreffer. Sechs Minuten später traf Vincente Sanchez zum eher schmeichelhaften Punkt für die Gastgeber.

Leverkusen (23 Punkte) bleibt damit weiter ungeschlagen und führt nach wie vor die Tabelle an. Schalke bleibt mit 21 Punkten auf Platz vier.

Magath: "Bayer ist die beste Mannschaft"

"Leverkusen ist die bisher beste Mannschaft, gegen die wir gespielt haben", sagte Schalke-Trainer Felix Magath. Vor allem gegen Ende der ersten Hälfte spielte Bayer die Hausherren fast an die Wand.

Umso erstaunlicher, dass die Heynckes-Elf das Spiel kurz vor Schluss noch aus der Hand gab. "Spielerisch waren wir nicht ebenbürtig und ich hatte wenig Hoffnung, dass uns noch einmal so ein Kraftakt gelingt wie letzte Woche gegen Hamburg räumte auch Magath ein.

Doch seine Mannschaft nutzte zunächst die Leverkusener Sorglosigkeit zum Anschlusstreffer - und kam dann mit dem Stadion im Rücken, mit guter Fitness und einer Portion Glück noch zum Ausgleich. Magath: "Das hat die Mannschaft fantastisch gemacht, sie hat mit hoher Moral gefightet."

Leverkusen fehlt die "Coolheit"

Ganz anders natürlich die Stimmungslage beim Gegner aus Leverkusen: "Bei allem Respekt für die Kampfkraft und die Leidenschaft, die Felix Magath den Schalkern eingeimpft hat: Wir hätten das Spiel gewinnen müssen. Das ist eine gefühlte Niederlage. Wer so überlegen war wie wir in der ersten Halbzeit, der ärgert sich, das ist ganz klar", sagte Rudi Völler.

Auch der Bayern-Sportchef  sah den Grund für den verschenkten Sieg im Leistungsabfall seiner Mannschaft gegen Ende der Partie: "Die Coolheit, die wir in der ersten Halbzeit hatten, uns aus schwierigen Situationen fußballerisch zu befreien, haben wir danach nicht mehr gehabt. Wir haben die Bälle nur noch nach vorne gebolzt. Da hätten wir mehr Konzetration gebraucht. So haben wir 2:2 verloren."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: Schalke muss auf Mineiro verzichten, für ihn rückt Moritz auf die Sechs. Rafinha beginnt rechts in der Raute, dahinter spielt Höwedes außen in der Viererkette.

Leverkusen fehlt erneut Renato Augusto, wie gewohnt beginnt Kroos für den Brasilianer. Auch Rolfes ist noch nicht fit, er wird diesmal von Reinartz ersetzt.

20.: Friedrich geht ins Solo gegen Kuranyi und verliert den Ball. Farfan schnappt sich die Murmel und zieht von links in den Strafraum. Beim Abschluss aus sieben Metern in halb-linker Position wird er noch entscheidend von Schwaab gestört und setzt den Ball zwei Meter übers Tor.

22.: Fast die Führung für Bayer. Nach Ecke von Barnetta von links kommt Derdiyok mit Anlauf am Fünfer frei zum Kopfball. Knapp übers Gestänge.

29., 0:1, Kroos: Ecke für Bayer. Höwedes klärt den Ball, allerdings nicht weit genug. Am Sechzehner steht Kroos, nimmt die Kugel volley und setzt sie für Neuer unhaltbar in die rechte Ecke. Traumtor!

41.: Langer hoher Ball auf Kießling, der die Kugel mit der Brust stoppt und zu Derdiyok in den Sechzehner durchsteckt. Der Schweizer kommt am rechten Fünfer an den Ball, doch seine Direktabnahme geht nur an den Außenpfosten. Neuer wäre chancenlos gewesen.

43., 0:2, Kießling: Barnetta bringt einen Freistoß aus 32 Metern von der rechten Seite an den Elfer-Punkt. Kießling kommt mit Anlauf und wuchtet die Kugel in die linke Ecke. Unhaltbar!

Halbzeit-Fazit: Eine knappe halbe Stunde hielt Schalke mit viel Leidenschaft dagegen. Nach der Führung aber spielte sich Leverkusen fast in einen Rausch und führt hochverdient mit 2:0.

60.: Hyypiä spielt schlampig auf Adler zurück und Farfan geht hinterher. Adler und Farfan setzen zur Grätsche an, aber Farfan bekommt den Ball und schiebt ihn vom linken Fünfer-Eck ein, doch Schiedsrichter Weiner hatte zuvor auf gefährliches Spiel von Farfan entschieden. Das Tor zählt nicht.

76.: Übersteiger von Kroos am Sechzehner und dann der trockene Abschluss mit einem Flachschuss in die rechte Ecke. Ganz knapp am rechten Pfosten vorbei. Gute Aktion!

82., 1:2, Kuranyi: Freistoß von links durch Rakitic scharf auf den Fünfer. Dort entwickelt sich ein Rugby-Pulk, unter dem irgendwo der Ball versteckt ist. Weiß Gott wie, kommt Kuranyi an den Ball und drückt ihn aus einem Meter über die Linie. Adler ohne Chance.

88., 2:2, Sanchez: Langer Ball von der Mittelinie an das linke Sechzehner-Eck. Kuranyi köpft den Ball in die Mitte. Sanchez sprintet in den Ball und köpft ihn am heraus springenden Adler vorbei ins Tor. Da hat die komplette Bayer-Abwehr gepennt!

Fazit: Unglaublich! Nach einer bärenstarken ersten Hälfte verschenkt Leverkusen noch den Sieg. Schalke dreht zum zweiten Mal in Folge gegen ein Spitzenteam einen Rückstand und erkämpft sich mit viel Leidenschaft und etwas Glück einen Punkt.

Der Star des Spiels: Stefan Kießling. Vor den Augen von Jogi Löw zeigte der 25-Jährige, warum er einer der derzeit besten Stürmer der Bundesliga ist. Kießling arbeitet extrem viel, geht enorme Wege, gewinnt - mittlerweile auch in der Luft - viele Zweikämpfe. Und nebenbei: Machte Kießling gegen Schalke auch noch seinen siebten Saisontreffer und führt damit die Torjägerliste an.

Die Gurke des Spiels: Heiko Westermann. Dass die Schalker Angriffe fast nur über die rechte Seite liefen, ist freilich nur zum Teil die Schuld des Außenverteidigers. Dass Westermann aber auch in der Defensive viele leichte Bälle verstolperte und sich vor allem in der Anfangsphase meistens nur durch Fouls zu helfen wusste, zeigt: Der 26-Jährige hat gegen Leverkusen einen ungewöhnlich schwachen Tag erwischt. War auch beim zweiten Gegentor zu unentschlossen im Zweikampf.

Die Pfeife des Spiels: Versuchte durch frühe Gelbe Karten die Linie vorzugeben, setzte sich damit aber selbst etwas unter Zugzwang. War gerade in der Schlussphase nicht immer souverän, hatte die Partie aber unterm Strich doch im Griff.

Die Lehren des Spiels: Die Tabelle sagte: Erster gegen Vierter - und trotzdem wehrten sich beide Mannschaften vor der Partie gegen das Label "Spitzenspiel", denn keiner wollte eine "Spitzenmannschaft" sein. Nach der Partie bleibt die Erkenntnis: Beide hatten irgendwie Recht.

Schalke kann es nicht sein - zumindest noch nicht. Mit Christoph Moritz und Lewis Holtby sollten zwei 19-Jährige die Fäden im zentralen Mittelfeld ziehen, der Alterschnitt der Raute betrug ohne den verletzten Mineiro genau 20,5 Jahre. Ein halbe Stunde lang wehrten sich die Grünschnäbel mit sehr viel Leidenschaft, Disziplin und Laufbereitschaft. Im Spiel nach vorne aber fehlte doch die ordnende Hand, die Offensivaktionen wirkten entsprechend eher unkoordiniert und zufällig.

So setzte sich zunächst die wesentlich reifere Spielanlage der Leverkusener durch: Mit viel Ruhe und Beharrlichkeit erarbeitete sich die Heynckes-Elf Minute für Minute immer mehr Spielkontrolle gegen die giftigen Schalker. Neben der individuellen Qualität in der Abwehr waren die Hauptgründe für die spielerische Dominanz: Taktische Disziplin, eine sehr gute Ordnung im Mittelfeld und durch die Bank technisch hervorragend ausgebildete Einzelspieler, die auch auf engstem Raum den Ball unheimlich sicher laufen lassen.

Rechnet man die gefährlichen Standards dazu (gegen Schalke fielen die Tore zehn und elf nach ruhenden Bällen) bliebe als Fazit: Leverkusen ist in der derzeitigen Form durchaus eine Spitzenmannschaft. Allerdings dürfte so ein Spiel dann nie und nimmer 2:2 ausgehen.

Doch Leverkusen verbaselte nach der 2:0-Führung lustlos seine Konterchancen und begann nach der Verletzung von Sami Hyypiä hinten kräftig zu wackeln. Und so durfte sich Schalke, trotz deutlicher spielerischer Unterlegenheit, mit viel Hingabe - und einer Portion Glück - wie schon gegen Hamburg nach einem Rückstand einen Punkt erkämpfen.

Schalke - Leverkusen: Daten zum Spiel