Van Gaals Devise: Der Lange macht das schon!

Von Für SPOX in der Allianz Arena: Florian Bogner
Sechs Pflichtspieltore: Daniel van Buyten ist zusammen mit Müller und Gomez Bayerns bester Schütze
© Imago

Als beim FC Bayern gar nichts mehr ging, griff Louis van Gaal zum Äußersten - und triumphierte auf ganzer Linie. Der Manager verteilte anschließend Streicheleinheiten. Sorgenkinder gibt es dennoch zuhauf.

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So außer sich hatte man Louis van Gaal als Bayern-Trainer noch nicht erlebt. Daniel van Buytens spätes Siegtor gegen Eintracht Frankfurt hatte den Coach aus seinem Trainerstuhl katapultiert und auf den Platz geschossen, wo van Gaal erst ein paar Jubelschreie abließ, um sich dann triumphierend der Tribüne - und damit der Presse - zuzuwenden.

Sich an die Stirn tippend schaute er die Haupttribüne empor, nickte dabei immer wieder mit dem Kopf und schickte ein paar warme Worte hinauf. Als Christian Nerlinger ihm dann in all dem Getöse auf die Schulter klopfte, hob van Gaal den Finger und zeigte auf sich selbst, als ob er sagen wollte: Wer hat den Kerl da vor geschickt? Wer? Ich!

Zwei Minuten zuvor war die Arena noch in Schockstarre verfallen. "6 für 9" hatte die kleine Tafel des vierten Assistenten angezeigt, van Gaal hatte Abwehrspieler Martin Demichelis für Stürmer Luca Toni ins Spiel gebracht. Beim Stand von 1:1. Gegen Frankfurt. In einem Heimspiel.

Kreuzigung? Van Gaal ist's schnuppe

Erst als sich van Buyten aufmachte, Tonis Platz im Sturmzentrum einzunehmen, legte sich die Verblüffung im Rund und ging in ein Raunen rüber. Van Gaal, der Taktiker, der Fußball-Fachmann, der Prozess-Trainer, hatte zum letzten Mittel gegriffen.

Auch Ottmar Hitzfeld und Jürgen Klinsmann hatten das vor ihm schon exerziert. Schick' den Langen nach vorne und warte ab, was passiert. Doch anders als bei Hitzfeld und Klinsmann passierte diesmal auch wirklich was - die Hail-Mary-Aktion mit van Buyten hatte erstmals siegbringende Wirkung.

"Wir haben das schon mal besprochen, dass ich die letzten Minuten nach vorne gehen könnte", sagte van Buyten hinterher gegenüber SPOX. Beim 0:0 gegen Köln habe er van Gaal schon angeboten, nach vorne zu gehen, wenn gar nichts mehr geht.

Diesmal nahm der Trainer an - wohl wissend, dass er vom Boulevard wohl gekreuzigt worden wäre, hätte sich dieser Schachzug nicht ausgezahlt. "Wenn wir das Spiel nicht umgedreht hätten, wäre richtig was los gewesen", vermutete van Buyten hinterher. Doch wahrscheinlich war van Gaal das egal. Was die Medien schreiben, interessiere ihn nicht, sagte der Trainer später. "Mir sind nur meine Spieler wichtig."

Van Bommels Antrag an van Gaal

Die stärkten ihm nach dem Spiel den Rücken. Trainerdiskussion? Die gebe es intern überhaupt nicht, meinte Mark van Bommel: "Wir sind alle überzeugt von ihm." Zur Verdeutlichung fügte er hinzu: "Wir sind nicht verheiratet, aber fast."

Parallelen zum Vorjahr wies der Kapitän ab. Klar stehe man in der Tabelle nicht da, wo man stehen wolle. "Aber ich habe ein viel besseres Gefühl als letztes Jahr", sagte van Bommel. "Ich bin noch mehr davon überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind." Böse Zungen mögen das als Seitenhieb auf Jürgen Klinsmann werten.

Auch Hoeneß' Aussage konnte man so interpretieren. "Wir haben es mit van Gaal nicht mit einem Novizen zu tun, der nicht weiß, was er tut", sagte der Manager, um mehr Gelassenheit bittend. Von Vorstandsseite aus gebe es sowieso keinen Zweifel an van Gaal. Man sei vielmehr gut beraten, die Strategie der ruhigen Hand fortzusetzen. "Mit der sind wir bis jetzt ganz gut gefahren", so Hoeneß.

Schweinsteiger: "Es ist wie ein Fluch"

Trotz aller Erleichterung: Auch Hoeneß war nicht entgangen, dass Frankfurt den FC Bayern mit einfachen Mitteln an den Rand einer Niederlage gebracht hatte. Bauchschmerzen habe er nach dem 0:1 gehabt, gab der Manager zu. Und Bastian Schweinsteiger sprach von einem echten Fluch: "Wir machen so viel fürs Spiel, aber der Gegner macht mit einer Chance das Tor."

Er selbst hatte einen eher unglücklichen Tag erwischt, was auch ein bisschen an van Gaal lag. Der hatte sein Mittelfeld mal wieder durcheinander gewirbelt und im Vergleich zum Spiel in Bordeaux Thomas Müller und Schweinsteiger, sowie van Bommel und Anatolij Tymoschtschuk die Positionen tauschen lassen - zum Nachteil der jeweils zweitgenannten.

Schweinsteiger verdiente sich hinter den Spitzen allenfalls das Prädikat "bemüht", Tymoschtschuk stand im rechten Mittelfeld total neben sich. Kreativ und schnell wurde das Spiel der Bayern erst, als Arjen Robben für Tymoschtschuk ins Spiel kam. Plötzlich hatten die Bayern eine Anspielstation, riberyesk nahm Robben das Heft in die Hand und war dann auch Schütze des Ausgleichstores.

Für Hoeneß eine logische Konsequenz. "Wenn solche Spieler nicht den Unterschied machen würden, dann bräuchten wir sie nicht so teuer kaufen", sagte der Manager, bevor er sich auf den Heimweg machte.

Sechs Wochen ohne Stürmertor

Zu diesem Zeitpunkt waren Miroslav Klose, Luca Toni und Mario Gomez schon nicht mehr zu sehen. Toni war gar nach seiner Auswechslung als erster aus der Arena gestürmt. Unterm Strich hatte auch gegen Frankfurt wieder kein Bayern-Stürmer getroffen - seit dem 12. September geht das schon so. "Die Laufwege waren da, die Möglichkeiten waren da - es fehlt nur noch an Kleinigkeiten. Die Belohnung wird kommen", sprach Goalgetter van Buyten seinen Kollegen Mut zu.

Hoeneß fühlte sich indes bemüßigt, den Ausgleichstreffer Mario Gomez zuzuschreiben. "Das 1:1 hat der Mario gemacht und nicht der Arjen", sagte der Manager über Gomez, der Robbens Tor überhaupt erst mit seinem resoluten Einsatz gegen Eintracht-Keeper Oka Nikolov möglich gemacht hatte. "Das Tor hätten Sie auch gemacht", sagte er einem Journalisten, "aber den Kopfball davor, den machen Sie nicht."

In den Statistiken wird trotzdem Robben als Torschütze geführt. Und eben van Buyten, der sein Tor schließlich auch noch jemand anderem zuschrieb. Nein, nicht van Gaal, auch wenn der sich schon so genannt haben soll. Van Buyten: "Gott war mit uns und hat für uns das Tor gemacht." Mal sehen, wie oft der Bärtige in nächster Zeit bei Bayern noch in die Bresche springt.

Bayern - Frankfurt: Daten zum Spiel