"Wie an Weihnachten"

Von Stefan Moser / Sebastian Steegmüller
5, vfl wolfsburg, hamburger sv
© Getty

Am 5. Spieltag der Bundesliga musste der Hamburger SV seine erste Saisonniederlage hinnehmen. Im Nordderby beim VfL Wolfsburg unterlag das Team von Martin Jol am Sonntag mit 0:3 (0:3) und rutschte damit in der Tabelle vom ersten auf den vierten Rang ab.

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Vor 30.000 Zuschauern in der ausverkauften Volkswagen-Arena erzielten Ashkan Dejagah (14.), Alexander Madlung (22.) und Grafite (28.) die Tore für Wolfsburg. Aufgrund der extrem konzentrierten und effizienten Leistung ein verdienter Erfolg für die Gastgeber, auch wenn der Sieg am Ende um das eine oder andere Tor zu hoch ausfiel.

"Es ist unglaublich, ich weiß nicht, was mit uns los ist", kommentierte HSV-Verteidiger Joris Mathijsen die Tatsache, dass sein Team nun schon zum vierten Mal in fünf Spielen früh in Rückstand geriet.

Dreimal konnte Hamburg in der laufenden Saison bereits ein 0:2 noch zu mindestens einem Unentschieden drehen. "Doch mit 0:3 ist das Spiel eigentlich gelaufen", so Mathijsen, der sich vor allem über die vielen individuellen Fehler ärgerte: "Wir machen immer wieder die gleichen Fehler - und dann ist praktisch jede Chance für den Gegner auch ein Tor."

Jol braucht Zeit

In die gleiche Kerbe schlug auch sein Trainer Martin Jol: "Wir haben zwar noch nicht Weihnachten, aber haben die Tore heute verschenkt." Das Hauptproblem seiner Mannschaft sei vor allem die noch fehlende Integration der Neuzugänge.

"Wir haben sehr viele gute neue Spieler, aber die müssen wir erst noch integrieren. Erst dann werden wir sehen, wie stark wir wirklich sind", sagte Jol.

Sein gegenüber Felix Magath dagegen freute sich vor allem über die Effektivität seiner Mannschaft: Aus fünf Torschüssen machte Wolfsburg drei Treffer. Der VfL bleibt damit saisonübergreifend seit zehn Spielen ungeschlagen und klettert mit zwei Siegen und drei Unentschieden in der laufenden Spielzeit auf Rang sechs.

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: Alex Silva gibt sein Bundesliga-Debüt in der HSV-Viererkette, für ihn muss Bastian Reinhardt auf die Bank. Im rechten Mittelfeld beginnt Guy Demel, Neuzugang Thiago Neves sitzt zunächst nur draußen. Für Wolfsburg steht Innenverteidiger Alexander Madlung zum ersten Mal in der Startelf.

14., 1:0, Dejagah: Demel pennt nach einem Einwurf und lässt Schäfer zur Grundlinie ziehen. Der mit der scharfen Hereingabe zur Mitte, wo Dejagah aus kurzer Distanz sicher verwandelt.

22., 2:0, Madlung: Nach einem Freistoß kann Hamburg den Ball nicht klären. Riether setzt nach und bedient Madlung, der ohne Mühe zum 2:0 einschiebt.

28., 3:0, Grafite: Nach einem schlampigen Zuspiel von Silva auf De Jong schnappt sich Misimovic den Ball und schickt Grafite in die Gasse. Der Stürmer läuft alleine auf Rost zu und lupft abgezockt über den herausstürmenden Torwart zur 3:0-Führung ein.

29. Wechsel bei Hamburg: Jol reagiert prompt und nimmt den unsicheren Boateng vom Feld. Für ihn kommt der offensivere Pitroipa, Demel rückt in die Viererkette.

61.: Aus dem Nichts kommt Jarolim aus sechs Metern frei zum Schuss, doch Innenverteidiger Barzagli wirft sich vor den Ball und klärt. Na also, der HSV meldet sich vorsichtig zurück!

70.: Die Luft ist raus. Der HSV kommt kaum gefährlich vor das Tor der Hausherren. Die Wölfe sind enorm laufstark und doppeln quasi jeden Spieler. Die 3:0-Führung im Rücken setzt zusätzlich Kräfte frei.

76.: Jetzt aber! Innenverteidiger Barzagli erlaubt sich auch mal einen Fehler - Nutznießer Guerrero legt sich den jedoch Ball zu weit vor, so dass Schlussmann Benaglio mit beherztem Einsatz retten kann.

So lief das Spiel: Sehr disziplinierter Beginn beider Mannschaften. Viel Engagement und Laufbereitschaft, dafür aber wenig Präzision im Aufbau und kaum Zug zum gegnerischen Tor. Den ersten wirklich energischen Angriff des Spiels nutzte gleich Ashkan Dejagah zur Führung für Wolfsburg. Vor allem nach dem 2:0 wurde die Partie intensiver - allerdings auch hektischer und härter. Der HSV mit vielen schlampigen und leichten Ballverlusten, Wolfsburg dagegen mit eiskalten Kontern.

Nach der Pause übernahm Hamburg naturgemäß das Kommando, ohne allerdings bedingungslos anzurennen. Wolfsburg blieb hochkonzentriert und lauerte mit seinen schnellen Spitzen weiter auf Konter. In der Defensive stand der VfL sicher, gewann die entscheidenden Zweikämpfe und hatte so letztlich wenig Mühe, den Sieg gegen die meist umständlichen Angriffsbemühungen der Hamburger nach Hause zu fahren.

Star des Spiels: Alexander Madlung. Der Ex-Herthaner hatte unter Felix Magath eigentlich kaum mehr eine Perspektive. Nach vier Kopfballgegentoren für Wolfsburg in den ersten vier Spielen aber erhielt Madlung seine Chance im Abwehrzentrum - und lieferte eine überzeugende Partie. Räumte hinten sauber ab, gab lautstark die Kommandos und krönte seine Leistung mit dem Tor zum 2:0.

Gurke des Spiels: Guy Demel. Gegen Wolfsburg stand der 27-Jährige symbolisch für die Schwächen der gesamten Hamburger Mannschaft. Vorne oft kopflos, ohne Linie und ohne jede Durchschlagskraft. Hinten immer wieder schlampig und unkonzentriert. Vor dem ersten Gegentor verschlief Demel einen simplen Doppelpass und ließ Schäfer ziehen, der so das 1:0 für Wolfsburg vorbereitete.

Lehren des Spiels: Eigentlich ein merkwürdiges Spiel. Wolfsburg war optisch mitnichten die bessere Mannschaft. Doch die hochkonzentrierte und kompakte Magath-Elf legte mit ihrer pfeilschnellen und geradlinigen Offensive gnadenlos den Finger in die Wunden des HSV und zeigte nur zu deutlich, was den Hamburgern noch zu einer echten Spitzenmannschaft fehlt. Denn wie schon in den ersten Saisonspielen leistete sich das junge Team von Martin Jol zu viele individuelle Fehler vor allem in der Abwehr.

Und der VfL nutze jede Unkonzentriertheit eiskalt aus. Dreimal ging die Hintermannschaft der Hanseaten reichlich unbedarft zu Werke - und dreimal klingelte es prompt.

Und dieses Mal konnte Hamburg den Rückstand nicht mehr drehen. Auf den HSV wartet also noch jede Menge Arbeit, um die nötige Konstanz ins Spiel zu bekommen. Auch die hoffnungsvollen Neuzugänge sind noch nicht integriert. Gegen Wolfsburg stand mit Alex Silva nur ein Neuer in der Startelf - und der hatte durchaus seine Probleme in der Abstimmung mit seinen Nebenleuten. Jonathan Pitroipa (29.), Mladen Petric (65.) und Thiago Neves (81.) kamen erst im Lauf der Partie und konnten kaum Akzente setzen. Marcell Jansen saß 90 Minuten lang auf der Bank.