Bielefeld zerfleischt sich selbst

SID
Bielfelds Vlad Munteanu (l.) und Artur Wichniarek sind nach dem Abstieg am Boden zerstört
© Getty

Der geballte Volkszorn auf die Rekordabsteiger entlud sich erst eine halbe Stunde nach dem Abpfiff. Die am Boden zerstörten Spieler von Arminia Bielefeld rangen noch unter Tränen nach Worten, als 500 Randalierer ihrem Frust freien Lauf ließen und nach dem 2:2 (1:0) gegen Hannover 96 die Gegentribüne stürmten. Das Ziel: Der Eingang zum VIP-Raum, wo die Vereinsführung unter Ordnerschutz Zuflucht suchte.

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"Vorstand raus", "Wir haben die Schnauze voll" und "Nie mehr erste Liga" schallte es minutenlang durch die Arena. Die wie Hohn wirkenden Durchhalteparolen aus den blechernen Lautsprechern waren längst verklungen, 90-Minuten-Trainer Jörg Berger hatte sich schon freundlich aus Bielefeld verabschiedet, als Präsident Hans-Hermann Schwick schließlich gnadenlos mit dem Sport-Geschäftsführer Detlev Dammeier abrechnete.

"Es ist unglaublich bitter. Ich habe ja immer gewarnt, dass die Mannschaft falsch zusammengesetzt ist. Noch im Winter habe ich zwei Offensivspieler gefordert. Da hätte unsere sportliche Leitung reagieren müssen", sagte Schwick.

"Über Konsequenzen sprechen"

Die Amtszeit von Dammeier auf der Alm dürfte bald beendet sein. "Ich hätte früher schon auf den Tisch hauen müssen", erklärte Schwick: "Wir müssen uns zusammensetzen und über Konsequenzen sprechen."

Auch Finanz-Geschäftsführer Roland Kentsch bekam sein Fett weg, als sich Schwick in Rage redete: "Wir hatten Spielräume. Der Etat-Rahmen wurde vor der Saison nicht ausgeschöpft."

Wer hat schuld?

Kentsch gab den Schwarzen Peter an Dammeier weiter. "Unsere sportliche Leitung war überzeugt, dass die Qualität der Mannschaft ausreicht."

Der siebte Abstieg aus der Bundesliga, laut Schwick der "bitterste bisher", stellt die Arminia vor eine Zerreißprobe. Die Führung ist zerstritten, die Fans gehen auf die Barrikaden, einige Leistungsträger wie Dennis Eilhoff und Artur Wichniarek stehen vor dem Absprung.

Keine Zukunft für Berger

"Das ist der schlimmste Tag meiner Karriere", sagte Kapitän Rüdiger Kauf. Nach ihrem insgesamt siebten Absturz aus dem Oberhaus liegt die Arminia in der unrühmlichen "Rekordliste" jetzt gleichauf mit dem 1. FC Nürnberg.

Der letzte Strohhalm, das Experiment Berger, war ein Flop - der "Feuerwehrmann der Nation" hat auf der Alm keine Zukunft.

"Man kann ja darüber reden, ob es ein Fehler war. Doch wenn man aus der Kirche kommt, ist man immer klüger", sagte Kentsch: "Ich bin nicht der Buhmann."

Fans gehen auf die Barrikaden

Das sahen die Anhänger anders. Die Endergebnisse der Konkurrenten wurden spöttisch gefeiert, selbst die Tabelle, die die Arminia als Letzten ausweist, erntete höhnischen Beifall.

"Wir sind Arminen und ihr nicht!", hieß es immer wieder. Dabei schien Arminia Bielefeld zur Halbzeit nach einem Eigentor Mario Eggimanns (2.) auf Kurs Rettung. Doch Jiri Stajner (57.) und Sergio Pinto (84.) besiegelten den Abstieg, der Ausgleich von Wichniarek (90.) kam zu spät.

Um 17.21 Uhr wurde die Alm endgültig zum Jammertal, für trotzige Reden vom Wiederaufstieg fehlte einfach die Kraft. "Kentsch und Schwick brechen uns das Genick", stand auf einem Transparent.

Hannover: Affront gegen Hecking

Auch beim Gegner aus Hannover hängt der Haussegen schief. "Hecking raus" und "Fußball statt Hecking" sangen die mitgereisten Fans. Die Spieler leisteten sich einen Affront, indem sie nach den Toren das Trikot von Michael Tarnat hochhielten.

Der Routinier, der nach 363 Bundesliga-Spielen seine Karriere beendet, hatte zuvor das Verhalten Heckings in einem Gespräch über die Zukunft Tarnats als "respektlos" bezeichnet.

Hannovers Nationaltorhüter Robert Enke musste mit einer 15 Zentimeter langen Platzwunde am Kopf ausgewechselt werden, nachdem Eggimann ihn getroffen hatte.

Enke wurde mit 15 Stichen genäht, gab sich jedoch optimistisch: "Ich denke nicht, dass dies die Reise mit der Nationalelf nach Asien verhindert."

Bielefeld - Hannover: Daten & Fakten