Die Suche nach Qualität

Von Für SPOX in Bremen: Stefan Rommel
Ratlosigkeit in Rot: Der Hamburger SV bangt um sein Saisonziel
© Getty

Die dritte bittere Niederlage gegen Werder Bremen stürzt den Hamburger SV nach dem Aus im DFB-Pokal und im UEFA-Cup nicht nur auf Platz sechs und damit raus aus den Plätzen im internationalen Geschäft. Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer stehen überdies ereignisreiche Wochen ins Haus - mit kniffligen Personalentscheidungen. Denn dem HSV fehlt es in den entscheidenden Spielen offenbar an Qualität im Kader.

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"Man muss jetzt gar nicht lange drumherum reden. Wir haben richtig auf die Mütze gekriegt. Das tut sehr weh."

David Jarolim stand mit leerem Blick vor den Journalisten in der Mixed Zone des Bremer Weserstadions und suchte nach Erklärungen.

Das internationel Geschäft steht auf der Kippe

Nur knapp eine halbe Stunde zuvor hatte Werder Bremen seinen Hamburger SV aus dem Titelrennen in der Bundesliga verabschiedet - so wie sie die Hamburger schon aus dem DFB-Pokal und aus dem UEFA-Cup verabschiedet hatten.

Die Festwochen im Norden sind vorbei. Wobei es nur aus Bremer Sicht wirklich etwas zu feiern gab in diesen vier Spielen innerhalb von 19 Tagen. "Jeder von uns hat sich die Bremer Tage anders vorgestellt", stammelte Jarolim dann gegen Ende seines kurzen Vortrags und entschwand in den Mannschaftsbus.

Es sind schlimme Momente für den Hamburger SV in der Endphase einer lange Zeit sehr, sehr guten Saison. "Wir haben uns zehn, elf Monate hervorragend verkauft, hatten 1,4 Millionen Zuschauer bisher bei den Heimspielen, sind Dritter der Europa-Rangliste und hatten bis vor Kurzem noch die Chance auf drei Titel", sagte Dietmar Beiersdorfer. "Aber im Moment sind wir dabei, unsere Chancen auf das internationale Geschäft zu riskieren."

Hohe Fluktuation

Der Sportdirektor war anders als sein kickendes Personal nach außen abgeklärt und analytisch, in manchen Momenten huschte ihm sogar noch ein ehrliches Lächeln übers Gesicht. Aber tief in Beiersdorfer drin sieht es momentan sicherlich ganz anders aus.

Das Saisonziel, lange Zeit mit der Option versehen, nach oben korrigiert zu werden, ist plötzlich in akuter Gefahr. Ein Platz im internationalen Wettbewerb sollte es sein. Dafür bauten die Hamburger den Kader um, vor und während der Spielzeit. Kaum ein anderer Bundesligist hatte so eine hohe Fluktuation im Kader und kaum ein anderer so hohe Transfereinnahmen wie der HSV.

Alleine die Transfers von Vincent Kompany im Sommer und Nigel de Jong in der Winterpause zum neureichen Manchester City und Raphael van der Vaart zu Real Madrid brachten 45 Millionen Euro ein. Alle Ausgaben für neue Spieler betrugen etwa 20 Millionen Euro.

Kader fehlt Qualität und Substanz

Es wurde aber zumeist in junge Talente (Aogo, Pitroipa) investiert oder in Spieler, die sich bestenfalls als Mitläufer entpuppten (Alex Silva, Gravgaard, Tavares, Rincon). Die Ausnahme bilden Mladen Petric und Marcel Jansen, deren Qualität den HSV entscheidend nach vorne bringt.

Bis vor knapp drei Wochen ging das Konzept trotzdem auf. Hamburg hat sein Geld zusammen gehalten und wird auch diese Saison sehr wahrscheinlich mit einem Überschuss bilanzieren. Doch in den letzten Tagen und drei vergebene Titelchancen später muss auch der Gedanke gereift sein, dass dem Kader noch ein ganzes Stück Substanz fehlt.

Zuletzt war viel von der größeren Erfahrung und Kaltschnäuzigkeit der Bremer die Rede, die den Unterschied in den zumeist sehr engen Partien machte. Im Prinzip heißt das aber nur eins: Der Gegner hatte mehr Qualität im Kader.

Verstärkungen in der Spitze

Qualität, die die wichtigen Siege einfährt und letztlich auch die Titel. Neben körperlicher und vor allen Dingen auch mentaler Frische ging dem HSV genau diese Qualität ab. Also wird in der Sommerpause etwas passieren müssen. Also muss der HSV den Rest seiner Kompany- und de-Jong-Millionen opfern und sich auf dem Transfermarkt auch weiter aus dem Fenster lehnen, als es zuletzt der Fall war und in die Spitze investieren, nicht in die Breite.

Das Problem: Niemand weiß, wie der HSV die Saison abschließen wird. Demzufolge sind auch die Einnahmequellen noch nicht gesichert. Für die Planungssicherheit eines Sportdirektors ein sehr unbefriedigender Zustand.

"Man kann jetzt nicht erwarten, dass wir sagen: 'Jetzt können wir drei Stürmer weniger holen oder zwei Abwehrspieler oder wir machen das Stadion zu'", sagt Beiersdorfer und erklärt: "Der Unterschied zwischen nicht-international und UEFA-Cup ist nicht so groß. Die Lücke klafft zwischen der Champions League und dem UEFA-Cup."

Für Schwarzmalerei hat Beiersdorfer aber keine Muße. "Man sollte jetzt auch nicht alles schlecht sehen, aber wir werden unsere Rückschlüsse ziehen. Wir müssen uns quantitativ, aber auch qualitativ wieder auf ein gutes Niveau bringen. Wir müssen uns ergänzen und schauen, was aus unseren vielen Leihspielern wird. Die eine oder andere Entscheidung ist schon getroffen."

Bremen - HSV: Daten & Fakten