Kein Sieger im Schlüsselspiel

Von Stefan Moser / Benjamin Sehring
Mit dieser Parade kurz vor Schluss hielt Jaroslav Drobny der Hertha einen Punkt fest
© Getty

Im Spitzenspiel des 30. Spieltags haben sich der Hamburger SV und Hertha BSC Berlin am Sonntag leistungsgerecht mit 1:1 (1:0) getrennt und damit den Anschluss zur Tabellenspitze der Bundesliga fürs Erste verloren.

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Vor 57.000 Zuschauern in der ausverkauften HSH Nordbank Arena in Hamburg brachte Marcell Jansen die Gastgeber in der 9. Minute in Führung. Den Ausgleich für Berlin erziele Gojka Kacar (66.) mit einem sehenswerten Schuss aus 23 Metern.

Mit 56 Punkten bleibt Berlin damit auf dem dritten Tabellenplatz, der Hamburger SV steht mit 55 Punkten weiter auf Rang fünf. Um den Druck auf Tabellenführer Wolfsburg (60 Punkte) zu erhöhen, war das Unentschieden letztlich für beide zu wenig.

"Meisterschaft wird schwierig"

Entsprechend äußerten sich auch die Beteiligten nach dem Spiel: "Ich bin ehrlich gesagt nicht zufrieden. Wir wollten oben dran bleiben, aber dafür hätten wir gewinnen müssen", sagte HSV-Coach Martin Jol.

Abwehrspieler Guy Demel ergänzte: "Mit der Meisterschaft wird es jetzt sehr schwierig. Noch ist nichts entschieden, aber wir müssen jetzt erstmal an die Champions-League-Plätze denken."

Auch Berlin Manager Dieter Hoeneß sah das Ergebnis mit gemischten Gefühlen: "Unter dem Strich können wir mit einem Punkt leben: Es ist nach wie vor alles möglich. Aber mit einem Sieg wäre die Ausgangsposition eine Bessere. Mit zwei Punkten mehr wären wir Zweiter und hätten unmittelbar Tuchfühlung zum ersten Platz."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: Der HSV muss auf den verletzten Alex Silva verzichten, Pitroipa sitzt nur auf der Bank. Ins Team rücken dafür Tavares und Jansen, der seine Rippenprellung auskuriert hat. Bei der Hertha rückt Dardai für Cufre in die Startelf.

3.: Erste Chance für Berlin. Am rechten Strafraumeck kommt Ebert aus 14 Metern zum Schuss. Mathijsen steht im Weg und köpft den Ball ins Toraus.

9., 1:0, Jansen: Olic setzt sich am linken Flügel stark gegen von Bergen durch und schlägt den Ball in den Strafraum. Dort setzt sich Jansen gegen Simunic durch und spitzelt das Leder aus sechs Metern flach rechts unten ins Eck.

19.: Latte! Trochowski legt sich den Ball am linken Flügel auf rechts und schnibbelt das Ding aus spitzem Winkel aufs Tor. Drobny streckt sich vergeblich, aber die Latte rettet für den Hertha-Schlussmann.

32.: Jetzt wieder Berlin! Raffael kommt am linken Fünfer-Eck frei zum Kopfball, Rost ist aber zur Stelle und kratzt die Kugel gerade noch aus dem rechten Eck.

38.: Riesenchance für Berlin! Graavgard vertändelt den Ball an der Mittellinie gegen Raffael. Der läuft auf das HSV-Tor zu und könnte nach rechts auf den freistehenden Pantelic spielen. Stattdessen macht er es alleine. Sein Schuss aus 17 Metern in halblinker Position geht aber rechts am Tor vorbei.

66., 1:1, Kacar: Einen langen Ball von Drobny legt Pantelic am Sechzehner schön auf Kacar ab. Der zieht aus 23 Metern ab und trifft links oben in den Winkel. Klasse Tor des Serben!

75.: Die Möglichkeit für den HSV. Olic haut nach Pass von Streit vom rechten Strafraumeck aufs Tor. Die Kugel wird noch leicht abgefälscht, aber Dobny wehrt den Schuss ab.

87.: Nochmal die Möglichkeit für den HSV! Nach einem Freistoß von Trochowski kommt Aogo am Fünfer frei zum Schuss. Im letzten Moment wirft sich Dardai dazwischen und klärt den Ball.

90.: Was für eine Parade! Ecke Trochowski und Mathijsen köpft aus fünf Metern auf das Tor. Aber Drobny kriegt mit einer klasse Reaktion noch die Hand dran und lenkt das Leder über das Tor.

So lief das Spiel: Recht chaotische Anfangsphase: überragende Stimmung auf den Rängen, viel Tempo, aber wenig Struktur. Die Hertha verteidigte sehr hoch, erkämpfte sich leichte Feldvorteile und hatte auch die erste Torchance. Der erste echte Torschuss aber gehörte dem HSV: 1:0 durch Jansen. Berlin versuchte sofort, engagiert zu reagieren, Hamburg aber gewann immer mehr an Selbstvertrauen, hatte die klareren Aktionen und verdiente sich die Führung bis zur Pause - trotz der ordentlichen Schlussoffensive der Hertha.

Die Hertha kam mit viel Feuer aus der Kabine, erspielte sich aber kaum klare Gelegenheiten. Gerade als der HSV auch das Mittelfeld langsam wieder in den Griff bekam, fiel der Ausgleich durch Kacars überragenden Distanzschuss. Im Anschluss entwickelte sich ein offenes Spiel, wobei Hamburg deutlicher auf die erneute Führung drängte. Am Ende aber ein gerechtes Remis.

Der Star des Spiels: Marcell Jansen. Kam nach seiner Rippenprellung zurück ins Team - und erzielte prompt die Führung für Hamburg. Jansen wirkt manchmal etwas unorthodox, macht mit seiner Dynamik aber jede Menge Druck. Ergänzt sich zudem sehr gut mit Dennis Aogo - der die spielerische Komponente in das dynamische Duo mit einbringt.

Die Gurke des Spiels: Steve von Bergen. Der Ersatzmann für Arne Friedrich war der Schwachpunkt in der ansonsten so kompakten Berliner Defensive. Wirkte unsicher, fahrig, unkonzentriert. Sein läppisches Zweikampfverhalten gegen Olic führte auch zum Gegentor.

Die Lehren des Spiels:

Die Partie wurde im Vorfeld als Schlüsselspiel im Titelrennen stilisiert. Und beide Mannschaften zeigten in einer intensiven Partie, warum sie zu Recht oben in der Tabellestehen - aber auch, warum sie (noch) nicht zu den Topfavoriten auf eine deutsche Meisterschaft zählen. In der Rückwärtsbewegung agierten beide gewohnt diszipliniert. Im Spiel nach vorne aber wirkte der HSV griffiger und strukturierter.

Vor allem das Duo Aogo / Jansen machte mächtig Dampf und erzeugte zusammen mit Olic, immer wieder Überzahl - und damit jede Menge Druck. Über die starke linke Seite fiel auch das 1:0. Die Kehrseite die Medaille. Trochowski kommt auf der rechten Seite weniger zur Geltung. Die linke defensive Seite der Hamburger litt zudem häufiger unter dem Vorwärtsdrang des dynamischen Duos. Berlins Ebert hatte so immer Platz.

Insgesamt bewies der HSV erneut, dass er auch in der Schlussphase der kräftezehrenden Saison physisch auf der Höhe ist und hohes Tempo gehen kann. Immer noch aber wirkt die junge Mannschaft bisweilen etwas naiv: Nach eigenen Eckbällen ging einige Male gefährlich die Ordnung verloren und Berlin kam zu leichten Kontergelegenheiten. Auch beim Gegentor stand das defensive Mittelfeld bei einem langen Abschlag des gegnerischen Torhüters zu hoch. So hatte der aufgerückte Kacar ausreichend Platz, um die Ablage von Pantelic zu verarbeiten.

Die Hertha dagegen zeigte auch am Samstag ihre taktischen Qualitäten in der Raumaufteilung. In der Arbeit gegen den Ball ist Berlin weiterhin mustergültig, das Gegentor fiel durch zwei individuelle Fehler. Mit dem Ball aber, auch das ist nicht neu, ist die Hertha in der Vorwärtsbewegung spielerisch noch limitiert.

Insgesamt bietet Berlin sehr viel Hausmannskost. Der Lichtblick im Mittelfeld war Kacar - nicht nur wegen seines Traumtores. Der Serbe machte das Spiel aus der Tiefe mit klugen und präzisen Zuspielen in die Spitze immer wieder schnell und sorgte damit für das Überraschungsmoment.

Hamburg - Hertha: Daten & Fakten