Die "geile Brust" macht den Unterschied

Von Stefan Moser
Hertha-Stürmer Andrej Woronin erzielte acht Treffer in den letzten sechs Spielen
© Getty

Spieltäglich grüßt das Murmeltier. Mit dem verdienten 1:0-Sieg gegen Bayer Leverkusen setzte Hertha BSC Berlin einen weiteren Big Point im Titelkampf und führt die Tabelle nach wie vor mit vier Punkten Vorsprung an. Und die Konkurrenz fragt sich weiter hinter vorgehaltener Hand: Warum eigentlich?

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Lange Zeit galt ein ominöser "Berliner Dusel" als pauschale Kernthese zur Erklärung des unerwarteten Erfolgs der Hertha. Doch weil die vermeintliche Glücksträhne nicht abreißen will, werden die Argumente mittlerweile immer differenzierter.

Statt "Dusel" heißt es heute "Effizienz": Hertha hat die meisten Siege aller Bundesligisten auf dem Konto, das 1:0 gegen Leverkusen war Nummer 15 - und der elfte mit nur einem Tor Unterschied. Zur SPOX-Analyse

Außerdem braucht Berlin die wenigsten Chancen: Jede dritte führt zu einem Treffer. Auch gegen Bayer war es der dritte Torschuss der Partie, den Andrej Woronin (50.) gegen seinen Ex-Klub zur Führung versenkte.

Favre als X-Faktor

Dazu kommt eine gut organisierte und zweikampfstarke Defensive, die auch gegen die sonst so spielstarken Leverkusener nach der Führung keine einzige echte Torchance mehr zuließ.

Doch als eigentlicher X-Faktor gilt in der Hauptstadt Lucien Favre. Weil die Spieler selbst nur wenig Glamour auf den Rasen bringen, konzentrieren sich die Medien auf den Trainer als Hauptdarsteller im Berliner Fußball-Märchen.

Demnach ist Favre der geniale Stratege, der Tag und Nacht am Reißbrett an taktischen Formationen tüftelt - er ist der Architekt und das Superhirn hinter den jüngsten Erfolgen. Auch am Samstag traf er wieder viele richtige Entscheidungen.

Vor allem die Rolle von Raffael sollte ein Schlüssel zum Sieg werden. Denn der Brasilianer - nominell eigentlich zweite Spitze - war de facto erster Verteidiger. Er spielte phasenweise fast eine Art Sonderbewacher für Simon Rolfes, setzte ihn schon weit in dessen Hälfte unter Druck und nahm Bayer damit die erste Anspielstation für sein gefürchtetes Kombinationsspiel.

Woronins geile Brust

Ein klares Konzept, viel Disziplin und eine strikte Ordnung sind schon seit Wochen die Eckpfeiler der Berliner Effizienz. Gegen Leverkusen kam ein weiterer dazu: eine ausgeprägte Winner-Mentalität und ein unerschütterlicher Glaube an die eigene Stärke. Irgendwann wird das Tor schon fallen.

"Gut, dass ich durchtrainiert bin. Dünnere Spieler hätten den Treffer nicht gemacht - ich habe ihn mit meiner geilen Brust erzielt", sagte Woronin nach seinem achten Treffer in den letzten sechs Spielen. Und die breite Brust des Ukrainers darf durchaus auch sprichwörtlich gelten.

Denn wie die gesamte Mannschaft hat der Torjäger einfach einen Lauf: Eigentlich hatte er die Chance schon vergeben, als Bayer-Keeper Rene Adler seinen Schuss aus acht Metern mit einem starken Reflex parierte. Doch von Adlers Fuß sprang der Ball glücklich an Woronins Brust - und von dort aus ins Tor. Die Entscheidung.

"So kann man Meister werden"

Beeindruckend war allerdings, wie abgeklärt und souverän die Hertha dann den Sieg nach Hause spielte, was selbst dem Gegner Respekt abnötigte: "Mit soviel Ruhe kann man deutscher Meister werden", staunte Bayer-Coach Bruno Labbadia.

Daran glauben mittlerweile auch die Berliner selbst: "Der Traum geht weiter. Ich würde lügen, wenn ich nicht sagen würde, dass wir deutscher Meister werden können. Noch nie war es so einfach", sagte etwa Kapitän Arne Friedrich, der zusammen mit Josip Simunic erneut eine starke Partie in der Innenverteidigung ablieferte.

Nur der Trainer stapelt weiter tief: "Unser Ziel bleibt gleich: Um einen UEFA-Cup-Platz zu kämpfen. Die Liga ist so eng, dass ich keinen Grund sehe, das zu ändern", sagte Favre.

Dabei hat sein Team mittlerweile stolze zehn Punkte Vorsprung auf Platz sechs.

Bayer verliert gefährlich an Boden

Ganz anders die Situation in Leverkusen. Nach nur einem Sieg aus den letzten acht Spielen wurde die Bayer-Elf von Platz drei auf Rang sieben durchgereicht, der Rückstand auf die UEFA-Cup-Plätze beträgt mittlerweile fünf Punkte.

"Wir wollten hier nicht ins offene Messer laufen", sagte Labbadia nach der bereits vierten Niederlage in der Rückrunde. Entsprechend begann seine Mannschaft auch vorsichtiger als gewohnt, stand deutlich tiefer und verzichtete weitestgehend auf ihr berüchtigtes Pressing.

Elfmeter für Bayer?

Dadurch entwickelte sich ein eher langweiliges Spiel ohne echte Höhepunkte. "Ich habe keine richtige Erklärung für die Niederlage. Wir waren nicht schlechter als Berlin - und trotzdem hat viel zum Sieg gefehlt", lautete das etwas ratlose Fazit von Patrick Helmes.

Tatsächlich war sein Team über weite Strecken ebenbürtig. In den ersten 20 Minuten erspielte sich Bayer sogar leichte Feldvorteile und hatte Pech, als Schiedsrichter Babak Rafati ein Handspiel des Berliners Rodnei im Strafraum übersah.

Doch am Ende gewann eben die Mannschaft, die mehr an die eigene Stärke glaubte. Die Mannschaft mit der geileren Brust.

Hertha BSC Berlin - Bayer Leverkusen: Daten & Fakten