Die Atmosphäre ist vergiftet

Von Stefan Moser / Vincent Alberola
Jermaine Jones brachte Königsblau mit seinem 1. Saisontor in Führung
© Getty

Sieg für Schalke 04, aber kein Befreiungsschlag: Trotz des 1:0-Erfolgs am Freitag gegen Köln wurde die Mannschaft von Trainer Fred Rutten mit Pfiffen von den eigenen Fans in die Kabine verabschiedet. Der Sündebock Nummer eins bleibt weiterhin Manager Andreas Müller.
 

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Die vergiftete Atmosphäre und das zerrütte Verhältnis mit den eigenen Fans beschreiben auch die Aussagen von Matchwinner Jermaine Jones unmittelbar nach der Partie: "Wir führen 1:0 und die Mannschaft wird ausgepfiffen. Das finde ich einfach nicht korrekt. So lange sie das machen, werden sie auch nie zu der Mannschaft den Bezug kriegen", sagte Jones.

Sichtlich angefressen richtet der 27-Jährige schließlich einen Appell an die Fans: "Alle die erzählen, sie haben ein Herz für Schalke, sollten jetzt einen Gang zurück schalten und Manager, Trainer und Mannschaft in Ruhe lassen."

Nach Auswechslung: Pfiffe auch gegen Rutten

In einem äußerst mäßigen Bundesligaspiel erzielte Jermaine Jones (28.) mit seinem ersten Saisontreffer vor 61.673 Zuschauern in der ausverkauften Veltins-Arena das Tor des Tages.

Neben der erneut ideenlosen Schalker Offensive sorgten vor allem Ruttens Auswechslungen für Ärger bei den Fans. Der Niederländer nahm Mitte der zweiten Hälfte mit Vicente Sanchez und Ivan Rakitic die bis dahin spielerisch besten Akteure vom Feld und brachte dafür Marcelo Bordon und Gerald Asamoah.

Die Zuschauer reagierten mit bösen Pfiffen und "Rutten-raus"-Sprechchören. Wenig später richtete sich der Zorn aber einmal mehr gegen den Sündenbock vom Dienst: Manager Andreas Müller. Auch die Mannschaft wurde nach Schlusspfiff - trotz des Sieges - mit einem Pfeifkonzert verabschiedet.

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: Schalke-Coach Rutten verzichtet auf Engelaar und bringt Rakitic von Beginn an. Überraschend sitzt auch Kapitän Bordon nur auf der Bank. Für Köln kehrt Mohamad in die Startformation zurück.

5.: Erste Ecke für Schalke: Rakitic bringt den Ball zur Mitte, aber Mondragon hechtet dazwischen. Nachschuss Farfan von der Strafraumgrenze, aber der Ball landet im Toraus.

11.: Freistoß für Schalke: Farfan schlägt den Ball aus gut 30 Metern von rechts in den Kölner Strafraum. Der Ball landet am langen Pfosten bei Westermann, der zentral auf Rakitic ablegt. Der Kroate nimmt den Ball kurz an und zieht ab. Sein Schuss wird allerdings geblockt.

25.: Riesenchance für Köln: Novakovic mit dem Freistoß aus 25 Metern! Klasse getreten, aber der Ball segelt Zentimeter am linken Pfosten vorbei.

28., 1:0, Jones: Schönes Tor für die Knappen! Sanchez im Strafraum genial mit der Hacke auf Rakitic, der legt am Elfmeterpunkt für Jones ab. Der Nationalspieler zieht aus 16 Metern ab und versenkt den Ball im unteren linken Toreck. Keine Chance für Mondragon!

43.: Ein echter Kuranyi! Leitet selbst den Angriff ein und schiebt den Ball an de Strafraumgrenze in die Schnittstelle. Jones kommt über rechts und pass flach zurück auf Kuranyi. Der schießt Mondragon an, der FC-Keeper klatscht ab und der Ball landet erneut bei Kuranyi, der ihn mit dem Arm über die Linie schubst. Schiri Perl erkennt auf Handspiel.

56.: Petit packt den Hammer aus! Der Ball donnert auf Keeper Neuer zu, der gerade noch die Fäuste hochreißen kann. Aber: Wieder geht von den Kölnern nur Gefahr nach einer Standardsituation aus.

62.: Riesenchance für den FC! Petit bringt den Ball bei einem Freistoß von links nahe der Torauslinie herein. Novakovic steigt zum Kopfball hoch und köpft den Ball auf den langen Pfosten. Dort steht Mohamad, verpasst aber knapp.

74.: Gute Schalker Möglichkeit: Rafinha spielt mit Farfan Doppelpass. Der Peruaner spielt den Ball flach in den Fünfmeterraum. Geromel kann gerade noch klären.

90.: Mann oh Mann! Mohamad hat den Ausgleich auf dem Fuß. Im 16er kommt er an einen verlängerten Ball und schießt aufs Tor. Neuer hält den Sieg fest!

So lief das Spiel: Ein Auftakt in die Partie, wie man ihn erwarten durfte: Schalke dominierte zwar das Mittelfeld, hatte allerdings die gewohnten Probleme im Spiel nach vorne. Zumal Köln tief stand und ausschließlich auf Konter lauerte. Keine Höhepunkte in der Anfangsviertelstunde. Bereits nach gut 20 Minuten reagierten die Schalker Fans auf die Ideenlosigkeit der Mannschaft mit Pfiffen und "Müller-raus!"-Sprechchören - die nach der Führung durch Jones allerdings vorerst wieder verstummten.

Kaum Höhepunkte auch in Hälfte zwei. Köln ohne Esprit und nur gefährlich bei Standards. Schalke verwaltete nur noch das Ergebnis und spielte auch die Konter nicht konsequent zu Ende. Und so wuchs auch der Frust bei den Fans wieder. Trotz der Führung brandeten die "Müller-raus!"-Rufe erneut auf. Eine fast groteske Stimmung derzeit auf Schalke.

Der Star des Spiels: Vicente Sanchez. Mit seinem unorthodoxen Hackentrick sorgte der Uruguayer für die einzige wirklich unerwartete Aktion im Schalker Offensivspiel und bereitete so den Siegtreffer vor. Überhaupt war Sanchez mit seiner quirligen und frechen Art zusammen mit Rakitic ein Lichtblick im ideenlosen Schalker Angriff. Zudem extrem fleißig und einsatzfreudig in der Arbeit nach hinten.

Die Gurke des Spiels: Nemanja Vucicevic. Er sollte eigentlich das Kölner Offensivspiel lenken, erwischte aber einen rabenschwarzen Tag, verlor fast jeden Zweikampf und leistete sich etliche Stockfehler. Seine schwache Form erkannten dann auch die Kollegen, boykottierten fortan das Mittelfeldspiel und schlugen fast ausschließlich hohe und planlose Bälle auf den alleine überforderten Milivoje Novakovic.

Die Lehren des Spiels: Es schien alles wie immer auf Schalke in den letzten Wochen: Die Mannschaft dominiert mit physischer Präsenz und aggressivem Spiel, agiert im Spielaufbau aber erschreckend einfallslos. Dazu war der Mannschaft die enorme Verunsicherung deutlich anzumerken, zumal die Fans in der Veltins-Arena mittlerweile nur noch sehr wenig Geduld mit ins Stadion bringen.

Für Beifall sorgte alleine eine merkwürdige Mischung aus Glück, Zufall, Geistesblitz und Körperbeherrschung: Der Hackentrick, mit dem Sanchez die einzig unerwartete Aktion im Schalker Angriff einleitete und damit den Siegtreffer vorbereitete. Weil aber nicht damit zu rechnen ist, dass dem Uruguayer Ähnliches in absehbarer Zeit noch einmal gelingt, wird selbst dieser Sieg weder Manag Müller noch Rutten wirklich aus der Schusslinie nehmen. Zumal sich der Trainer nach den Auswechslungen von Rakitic und Sanchez auch erneut "Rutten-raus!"-Rufe einhandelte.

Zu statisch und zu harmlos war außerdem das Schalker Offensivspiel. Kein Wunder, wenn der mit Abstand beste Fußballer hinten rechts in der Viererkette spielt. Die Hereinnahme von Rakitic für Engelaar schaffte zwar eine zusätzliche Anspielstation hinter den Spitzen, und der Kroate bereitete auch das Tor schön vor, allzu viele weitere Akzente konnte aber auch er nicht setzen.

Köln dagegen verließ sich zu sehr auf die Verunsicherung des Gegners, brachte nach vorne kaum Konstruktives zu Wege - und stellte sich hinten nicht besonders intelligent an.

Fünf Ecken und vier Freistöße in Strafraumnähe für Schalke schon in den ersten 15 Minuten sprechen nicht für viel Kölner Cleverness in den Zweikämpfen.

Im Vergleich mit den letzten Auswärtsspielen insgesamt eine schwache Partie der Kölner - und eine verdiente Niederlage.

Schalke - Köln: Daten & Fakten