Meister? Wir doch nicht…

Von Florian Bogner
Die Hertha-Spieler feierten den neunten Heimsieg in Folge einträchtig mit den Fans
© Imago

Berlin siegt gegen Gladbach etwas glücklich und sonnt sich weiter in Understatement. Vorher ließ Simunic' heißblütiger Flirt mit den Hertha-Fans allerdings bereits vermuten, dass nach dem neunten Heimsieg in Folge hinter den Kulissen sehr wohl die Meisterschaft ins Auge genommen wird. Es spricht nur keiner drüber.

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Joe Simunic, eigentlich ein Mann leiser Töne, war mächtig euphorisch. Nach dem 2:1 über Borussia Mönchengladbach, ein hartes Stück Maloche aus der Kategorie "Arbeitssieg", stellte er sich vor die Berliner Fankurve und gab per Stadionmikrofon seine Ansichten gegenüber den Anhängern kund.

"Ich habe den Fans gesagt, wir werden versuchen, von den nächsten zwölf Spielen mindestens acht zu gewinnen", sagte der Hertha-Abwehrspieler später. Das war aber nur die halbe Wahrheit.

In Simunic' Einheizer-Rede vor den Fans fiel auch das Wort "Rathausplatz". Der Ort, an dem man bekanntlich Meisterschaften feiert. Das Wort "Meisterschaft" ist in Berlin allerdings immer noch tabu. Auf seine Worte angesprochen, meinte Simunic deswegen ausweichend und leicht unbeholfen: "Wenn wir das mit den acht Siegen schaffen, dann sind wir dabei, vor dem Rathaus."

Trainer und Kapitän auf der Hoeneß-Schiene

Wie dem auch sei - Manager Dieter Hoeneß dürfte das alles in allem nicht so gerne gehört haben. Die sportliche Verantwortung vermied es nämlich auch nach dem neunten Heimsieg in Folge peinlichst genau, das Saisonziel UEFA-Cup-Platz nach oben zu korrigieren.

"Wir verlieren uns nicht in Träumen", sagte Hoeneß: "Wir wollen in den Europapokal, von mehr reden wir nicht." Auch Trainer Lucien Favre und Kapitän Arne Friedrich fuhren gegenüber der Presse die Hoeneß-Schiene.

UEFA-Cup, ganz klar; so wie man es auf der Mitgliederversammlung erzählt hätte, sagte Favre. Dazu sein vieldeutiger Zusatz: "Die Nuance ist wichtig." Nach dem Motto: Es darf etwas mehr sein, aber thematisiert wird das nicht.

Friedrich verwies hingegen auf die Konkurrenz und meinte: "Jeder kann seine Ziele definieren, wie er will. Wenn Hamburg sagt, sie wollen Meister werden, ist das ihre Sache. Wir bleiben bei unseren Zielen." Und doch hatte Simunic zuvor schon klar gemacht, wo die Reise der Hertha eigentlich hingehen soll.

Voronin wird zum Leisetreter

Zwar war der Auftritt gegen Gladbach wahrlich kein begeisterndes Meisterstück; vielmehr waren es erneut die kühle Effizienz und bayern-mäßige Abgebrühtheit, mit der die Hertha regelmäßig Spiele mit 2:1 gewinnt, die den Anhang weiter vorsichtig von der Meisterschaft träumen lassen.

Und allen voran natürlich Andrej Woronin, der mit seinem vierten Tor in den letzten vier Spielen einmal mehr gehörigen Anteil an den drei Hertha-Punkten hatte. Seine Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor sucht derzeit Seinesgleichen und macht in Berlin sogar Marko Pantelic vergessen.

Woronin war früher selbst der Gegenentwurf zu Simunic. Im Volksmund gerne Lautsprecher genannt. Dass Lautsprecher auch leise können, verdeutlichte der Ukrainer nach der Partie. "Dass wir zumindest bis morgen Tabellenführer sind, hat für mich keine Bedeutung", sagte Woronin.

Wasser auf Hoeneß'sche Mühlen

"Wir haben in der zweiten Halbzeit schlecht gespielt. Wir haben gedacht, da machen wir noch zwei, drei Tore und hauen die Gladbacher weg", so seine Kritik. Nach einer ernüchternden zweiten Halbzeit mit Gladbacher Sturmläufen war der 29-Jährige bei Schlusspfiff "froh, dass dieses Spiel endlich vorbei ist".

Dass die Hertha im zweiten Durchgang gegen den Tabellenletzten trotz einer 2:0-Führung noch mal ins Schwimmen geriet, bestätigte auch Hoeneß in seinem Understatement. "Das zeigt, warum wir so zurückhaltend sind, was die Meisterschaft betrifft", so der Manager. "Wir haben noch nicht die Klasse, so ein Spiel 3:0 oder 4:0 zu gewinnen. Da fehlt ein Schuss Abgeklärtheit und Qualität."

Zum 16. Mal in Führung

Allerdings darf man sich auch nicht beschweren, wenn man die Spiele dennoch gewinnt. Vor allem zuhause. Was der Hertha besonders in die Karten spielt, ist der Umstand, dass man nahezu immer mit 1:0 in Führung geht - gegen Gladbach bereits zum 16. Mal im 22. Saisonspiel.

Das macht das Spiel für die auf Kompaktheit und Konter ausgelegte Hertha-Elf um ein Vielfaches leichter. Als nächstes sollen das in Berlin Leverkusen, Dortmund und Bremen erfahren; allesamt Teams, die im Mittelfeld gerne ein Übergewicht entwickeln, hinten aber auch konteranfällig sind.

Den Kopf in der Lausitz kühlen

Zuvor geht es allerdings zu Energie Cottbus, so was wie dem Angstgegner der Berliner und ähnlich zu spielen wie Gladbach. Zu dem aufopferungsvoll kämpfenden Tabellenletzten sagte Favre nach der Partie: "Ich hätte vor dem Spiel ein 1:0 sofort unterschrieben." Das wird dem Schweizer in Cottbus wohl auch so gehen.

Es klingt banal, aber in der Lausitz wird ein kühler Kopf gebraucht, den die Hertha-Spieler im Kampf um die internationalen Plätze lange auf ihren Schultern tragen sollen. Hoeneß, hoffnungsvoll: "Wir wissen, was wir können und lassen uns nicht durch Medienspekulationen ablenken."

Ewig wird man in Berlin mit Meisterschaftsambitionen allerdings nicht hinterm Berg halten können. Das weiß auch der Manager. Der sagte ganz zum Schluss: "Wenn wir drei Spieltage vor Schluss da oben stehen, können wir über mehr reden. Aber so weit sind wir noch nicht."

Hertha - Gladbach: Die SPOX-Analyse