Die fetten Jahre sind vorbei

Von Stefan Rommel
Auch brasilianische Artistik half Rafinha und Schalke gegen den VfB nichts
© Imago

Auch in Stuttgart konnte der FC Schalke 04 seine Krise nicht bewältigen. Im Gegenteil: Trainer Fred Rutten war richtig bedient, die Luft für ihn und Manager Andreas Müller wird immer dünner.

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Neulich sorgte die Deutsche Eishockey Liga für Aufsehen, genauer gesagt die Füchse Duisburg.

Die Füchse sind ein rühriger Klub, der sich Jahr für Jahr in den Niederungen der Tabelle verdingt und dessen Alleingesellschafter Ralf Pape unter der Woche vollmundig verkündete, nach der Saison bis auf seine beiden Goalies einfach mal den kompletten Kader zu feuern.

"Kollektives Versagen", so das ebenso griffige wie stichhaltige Argument des Speditionsunternehmers. Es darf als sicher gelten, dass dem Duisburger Macher der heimliche Neid fast aller Fußball-Manager, -Präsidenten oder -Fans zufliegt. Einfach mal so die komplette Mannschaft austauschen - ein Traum.

Minimalziel schon futsch?

Nicht wenige Schalker Fans wünschen sich ein ähnliches Vorgehen wohl auch bei ihrem Verein. Als Meisterschaftskandidat ist Schalke in die Saison gestartet, mit neuem Trainer und zwei großen Hoffnungsträgern.

Kurz vor Schluss der Vorrunde sind die großen Ambitionen bereits von der rauen Wirklichkeit aufgefressen, der Klub einmal mehr in einer Krise, der neue Trainer nicht mehr unumstritten und die beiden Hoffnungsträger auf Normalmaß geschrumpft.

Das 0:2 beim ebenfalls gebeutelten VfB Stuttgart war die vierte Schalker Niederlage aus den letzten fünf Pflichtspielen.

Die Meisterschaft bleibt bei elf Punkten Rückstand auf Aufsteiger und Spitzenreiter 1899 Hoffenheim wohl erneut ein Wunschtraum, selbst die Qualifikation für die Champions League - das Minimalziel auf Schalke - ist bei acht Punkten Rückstand auf die Bayern als Tabellenzweiter im Moment kein Thema.

Verkorkste Transferpolitik rächt sich

Nach den fetten Jahren in der Königsklasse rächt sich jetzt im Winter 2008 die verkorkste Transferpolitik der letzten Jahre. Manager Andreas Müller hat diesbezüglich bis auf Heiko Westermann und mit Abstrichen Jermaine Jones wenig Argumente auf seiner Seite.

Den beiden Nationalspielern stehen Fehleinkäufe wie Peter Lövenkrands, Vicente Sanchez, Carlos Großmüller, Ze Roberto II oder Albert Streit gegenüber. Im übertragenen Sinne führt Schalke viel zu viele Karteileichen, die Müller bisher noch nicht anderweitig unterbringen konnte.

Auch deshalb betragen die Unterhaltskosten für den Kader angeblich 55 Millionen Euro, was Schalke zumindest in dieser Kategorie auf Platz zwei hinter den Bayern hievt. Allein die verpatzte Transferpolitik reicht als Ursache für die Krise nicht aus.

Suche nach Sündenböcken

Es ist eine eigenartige Melange unguter Faktoren, die in schöner Regelmäßigkeit auf Schalke grassiert. Die Suche nach Sündenböcken hat sich als beliebtes Spiel bewährt. Lincoln war einer, danach Mirko Slomka. Immer gerne genommen auch Kevin Kuranyi, beim UEFA-Cup-Spiel gegen Manchester City Manager Müller, jetzt gegen Stuttgart Jefferson Farfan.

Bleibt die Frage, wann auch erste Kritik an Trainer Fred Rutten aufkommt. Der Niederländer war als harter Hund angekündigt, greift im Training auch immer wieder ein, verbessert, gibt Ratschläge - und stellt Wochenende für Wochenende fast immer die selben Spieler im immergleichen System auf.

Dabei müsste Rutten mittlerweile aufgefallen sein, dass sein 4-3-3 mit dem vorhandenen Spielermaterial nicht in der Form umzusetzen ist, wie es sich Rutten und die anderen Verantwortlichen wünschen.

Rutten restlos bedient

Nach dem Spiel beim VfB machte der Trainer aus seiner Gefühlslage kein Geheimnis, wohl wissend, dass auch für ihn die letzten Spiele gegen Hertha BSC, Hoffenheim (Bundesliga) und Enschede (UEFA-Cup) bis zur Winterpause von enormer Bedeutung sind.

"Das tut ganz weh, wenn man ein Spiel so wie heute verliert. Die Zeiten auf Schalke sind schon schwer, so wird es noch schwerer. Wir müssen das richtig verarbeiten, aber diese Niederlage trifft uns ganz tief."

Wenigstens stellte sich Rutten den bohrenden Fragen, Manager Müller wollte sich nicht äußern, ebenso wie eine beträchtliche Anzahl der Spieler. Personelle Veränderungen tun Not, in der Winterpause müssen Müllers Griffe sitzen.

Gerüchte um Leistungsträger

Da dürfte es auch nicht eben förderlich sein, dass zwei der wenigen Leistungsträger angeblich von anderen Klubs umworben werden. Wie der "Daily Mirror" berichtete, will ManCity in der Winterpause eine Offerte über rund 18 Millionen Euro für Torhüter Manuel Neuer an Schalke herantragen.

Und laut "Express" sollen die Bayern neben Rafinha nun auch an Heiko Westermann interessiert sein. Über den Wahrheitsgehalt der Gerüchte darf spekuliert werden, für mehr Ruhe im Verein werden sie aber definitiv nicht sorgen.

Schalke wird zum Pulverfass, Premiere-Experte Matthias Sammer wunderte sich ebenfalls, wie es die Königsblauen immer wieder schaffen, sich selbst zu zerfleischen.

Gelungenes Babbel-Debüt

Für den VfB Stuttgart ist die Wende nach dem ersten Sieg nach fünf Spielen ohne Dreier noch nicht erfolgt. Aber immerhin zeigte die Mannschaft quasi als Gegenstück zu ihren unübersehbaren spielerischen Defiziten wieder jenen Biss und Willen, die das Team im Sommer 2007 zum Meistertitel getragen hat.

Teamchef Markus Babbel durfte ein gelungenes Bundesliga-Debüt feiern. Wie lange sein Engagement nun auf dem Wasen dauern wird, ließen er und Sportdirektor Horst Heldt offen. Nur so viel: "Sollte ich auch im Mai 2009 noch hier Trainer sein, wäre es die Bestätigung dafür, dass ich einen guten Job gemacht habe", sagte Babbel.

Dann wird abgerechnet. Auch auf Schalke. Die Vermutung liegt nahe, dass es für die Königsblauen dann wieder nicht für die Champions League reicht. Spätestens dann muss ein großer Schnitt kommen. Dann allerdings mit weniger finanziellen Mitteln als bisher.