Hoffenheim verbreitet Angst

Von Stefan Rommel
Sieben Heimspiele, sechs Siege: Hoffenheim hatte auch gegen Wolfsburg Grund zum Jubeln
© Getty

Auch im siebten Heimspiel bleibt Hoffenheims Weste weiß. Gegen den VfL Wolfsburg siegte der Aufsteiger 3:2, ist damit im heimischen Stadion weiter unbesiegt und bleibt Tabellenführer Leverkusen dicht auf den Fersen.

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Von 1899 Hoffenheim ist man mittlerweile ja schon allerhand gewohnt. Vom besten Pressing der Liga ist da die Rede, von der besten Offensivreihe mit Obasi, Ba, Ibisevic, vom Team mit der größten Wertsteigerungsrate.

"Auf Sieg spielen und gewinnen"

Der Aufsteiger jagt in seiner ersten Saison in Deutschlands höchster Spielklasse weiter nach den Highlights und fast im Wochenrhythmus kommen neue Superlative hinzu.

Das war auch gegen den VfL Wolfsburg so, nur dass die neue Erkenntnis beinahe untergegangen wäre in einem packenden Spiel, das am Ende 3:2 (2:2) für Hoffenheim endete.

Vor der Partie war Wolfsburgs Trainer Felix Magath gefragt worden, was er denn beim frechen Aufsteiger zu tun gedenke und Magath antwortete: "Auf Sieg spielen und gewinnen."

Magath lieber defensiv

Man durfte Magaths frommen Wunsch durchaus ernst nehmen, schließlich hatte sein VfL mit 26 Treffern und Spielern wie Zvjezdan Misimovic, Edin Dzeko oder Grafite eine der besten Offensivabteilungen der Liga.

Es hätte also eines jener infernalen Spiele werden können, wie es sich Werder Bremen und Hoffenheim vor zwei Monaten geliefert hatten (5:4) - irgendetwas muss den schlauen Magath aber unter der Woche doch noch dazu bewogen haben, es nicht mit der Hauruck-Methode, sondern einer sehr zurückhaltenden Taktik zu versuchen.

Magath wollte zunächst nämlich keineswegs auf Sieg spielen, sondern erstmal die Null halten. Anstelle der erwarteten Ashkan Dejagah und Christian Gentner auf den Außenpositionen im Vierermittelfeld brachte Magath mit Makoto Hasebe und Ricardo Costa zwei defensiv starke Spieler.

Hinten dicht machen!

Letzterer wurde sogar bei Ballbesitz der Hoffenheimer nicht selten dazu benutzt, um aus dem schönen Papier-4-4-2 ein Real-5-3-2 zu zaubern, was nichts anderes heißen sollte als: Hinten dicht machen!

Man muss Magath natürlich auch zugute halten, dass seine Mannschaft bis dato aus sechs Auswärtsspielen null Siege und nur drei Punkte holen konnte und in Hoffenheim trotzdem bei Bedarf sehr ordentlich nach vorne kombinierte. Magath wollte natürlich nicht ins offene (Konter-)Messer laufen.

Und dennoch bleibt unterm Strich: Der ebenso etablierte wie ambitionierte Bundesligist, der in den letzten beiden Spielzeiten insgesamt rund 50 Millionen Euro für Zukäufe ausgegeben hat und als letztjähriger Fünfter diese Saison den Angriff auf die Champions-League-Plätze wagen will, fährt mit fünf Verteidigern zu einem Aufsteiger.

Großer Respekt - oder Angst

Magaths Idee war beileibe nicht die schlechteste und in sich durchaus schlüssig, schließlich ist Hoffenheim so etwas wie eine Heimmacht.

Nur der VfB Stuttgart ermauerte sich mit einem nahezu futuristisch anmutenden 3-6-1-System, in dem allerdings von den sechs Mittelfeldspielern fünf defensiv orientiert waren, ein 0:0. Der Rest sind Zahlen: 1:0, 4:1, 2:1, 3:0, 4:1 und jetzt ein 3:2.

Sie sagen aber auch etwas darüber aus, was sich die Hoffenheimer in nur einem Dutzend Erstligaspielen schon für einen Ruf erarbeitet haben - und dass der Aufsteiger womöglich schon so etwas wie Angst, zumindest aber sehr großen Respekt verbreitet bei den Gegnern.

"Wir haben heute ein wenig zu ängstlich agiert", musste Misimovic gestehen. Es war nicht als Kritik an des Trainers Marschroute gemeint, sondern war vielmehr ein verstecktes Kompliment für den Gegner.

Nächste Qualitätsstufe erklommen

Fast beiläufig hat Hoffenheim eine neue Qualitätsstufe erklommen. Selbst zwei schnelle Rückschläge in Form von Gegentoren warfen die Mannschaft nicht aus der Bahn. Sicher, ruhig und abgeklärt spielte Ralf Rangnicks Mannschaft ihr Spiel weiter, ohne dabei ihre Variabilität und Flexibilität zu verlieren.

Hoffenheim hat erneut bewiesen, dass es mehr kann als "nur" atemberaubend, aber naiv, nach vorne zu spielen und gewinnt seine Spiele so facettenreich wie ein alteingesessener Bundesligist.

Selbst Wolfsburg, das keinesfalls enttäuschte, hatte Rangnicks Pressing fest im Griff, phasenweise konnte sich der VfL nur mit Befreiungsschlägen helfen.

Schäfer als Paradebeispiel

"Wir wollten in der Defensive gut stehen, weil wir wussten, dass die Hoffenheimer schnelle Spieler haben. Wir wollten deren Angriffe unterbinden, aber das ist uns nicht gelungen", sagte Marcel Schäfer.

Am kommenden Nationalspieler lässt sich der Hoffenheimer Dauerdruck deutlich darstellen. Der offensiv geprägte Schäfer kam kein einziges Mal zu einer vernünftigen Flanke, hatte keinen Torschuss und spielte keinen gescheiten Pass in die Tiefe - weil er ob seiner zahllosen Defensivaufgaben schlicht gar nicht erst dazu kam.

Ein ratloser Magath

Nach der Niederlage in Berlin war man auf die Reaktion gespannt und die Konkurrenz hoffte wohl insgeheim auf einen Knacks, den die Mannschaft nach den Lobeshymnen der vorangegangenen Wochen erhalten haben könnte.

Aber erneut zeigte sich die TSG nach dem Rückschlag gut erholt und förderte die angemessene Reaktion zutage. Auch das ist ein Qualitätsmerkmal, wie es in der Bundesliga nur wenige Teams besitzen. Nicht umsonst hat der Aufsteiger bisher noch keine zwei Niederlagen am Stück erlebt.

Und so musste auch der VfL Wolfsburg mit Felix Magath kapitulieren. "Wie man Hoffenheim stoppen kann, kann ich nicht beantworten. Mit mir als Verantwortlichem hat es ja leider nicht geklappt." Ein kleiner Trost bleibt Magath immerhin: Er wird damit nicht der Letzte sein.