FC Bayern: Joshua Kimmichs Kampf mit der Lieblingsposition

Joshua Kimmich erlebte gegen Bayer Leverkusen einen Tag zum Vergessen.
© getty

Bei der Pleite gegen Bayer Leverkusen werden einmal mehr die Probleme des FC Bayern mit Mannschaften deutlich, deren Stärken im Pressing und Umschaltspiel liegen. Ausgerechnet der für gewöhnlich zuverlässige Joshua Kimmich macht im defensiven Mittelfeld einen überforderten Eindruck und wirft die Frage auf: Ist seine Lieblingsposition in Topspielen wirklich die richtige für ihn?

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Joshua Kimmich schlich mit hängendem Kopf aus der BayArena. Die Muße, seine Enttäuschung in Worte zu fassen, hatte er aber noch. "Ich gehe nicht nur wegen der Niederlage, sondern auch wegen meiner Leistung unzufrieden ins Bett", sagte der Nationalspieler nach dem 1:3 am Samstagnachmittag.

Selbstkritik ist eine positive Eigenschaft, die außer Kimmich dieser Tage nur wenige beim Rekordmeister äußern. Auch deshalb ist der 23-Jährige mittlerweile einer der Anführer im Team von Niko Kovac. Statt nach Rückschlägen zu schweigen, legt er den Finger in die Wunde, spricht persönliche wie kollektive Missstände offen und ehrlich an. Fast schon wie ein Kapitän.

Um sich so zu verhalten, müsse man aber auch auf dem Platz regelmäßig "vorangehen", sagte Kimmich in der Hinrunde einmal. Das wollte er in Leverkusen, als Kovac ihn wegen des Ausfalls von Thiago kurzerhand auf seine selbsternannte Lieblingsposition, die Sechs, gestellt hatte, zweifelsohne. Die Umsetzung seines Plans war jedoch mehr als ernüchternd.

Bayern gegen Leverkusen ohne Struktur und Stabilität

Kimmich agierte energisch, aber mit einem Hang zum Übereifer. Statt eines abgeklärten Ballverteilers und Leaders bekamen die Zuschauer eher den Kimmich zu sehen, den sie bereits in der Vorwoche während der ersten Halbzeit des Spiels gegen den VfB Stuttgart auf der rechten Abwehrseite gesehen hatten: einen fahrigen, nicht nah genug am Gegner postierten Kimmich (SPOX-Note: 4).

"Zu Beginn hatte ich gleich zwei, drei Ballverluste in Situationen, in denen man eigentlich keine haben darf", resümierte der Rechtsfuß. Ein Foul an Kai Havertz bescherte ihm zudem nach einer guten halben Stunde die Gelbe Karte, nach mehreren Diskussionen mit Schiedsrichter Tobias Stieler wandelte er zwischenzeitlich sogar am Platzverweis.

Kimmich, so hatte es den Anschein, konzentrierte sich von Minute zu Minute weniger auf seine wesentlichen Aufgaben. An der Seite des etwas offensiveren Leon Goretzka schaffte er es nicht, dem Münchner Spiel Struktur und Stabilität zu verleihen. Anders als noch beispielsweise am Ende der Hinrunde gegen Hannover oder Bremen. Aber Leverkusen ist eben nicht Hannover oder Bremen. "Ich konnte der Mannschaft nicht so viel Dominanz mit dem Ball verleihen", erkannte Kimmich.

Kimmichs Leistungsdaten gegen Leverkusen

KategorieWert
Passquote87,5 %
Zweikampfquote63,6 %
Ballaktionen88
Ballbesitz erlangt7
Ballbesitz verloren14

Kovac sauer: "Wir müssen den Laden dicht machen"

Für die schnellen, aggressiven und konterstarken Mannen von Peter Bosz war es vor allem nach dem Seitenwechsel ein Leichtes, das löchrige Bayern-Zentrum zu passieren. Sowohl der Vorstoß vor dem Freistoß zum Leverkusener 1:1 als auch der Angriff vor der Hereingabe zum 2:1 kam durch die Mitte. Kimmich lief oft hinterher, kam im Spiel ohne Ball selten in Zweikampfsituationen. "Kompaktheit ist das Thema, das ich ansprechen werde", meckerte Kovac, "wir müssen den Laden dicht kriegen, denn Meisterschaften werden hinten entschieden."

Worte, die an den gesamten bayrischen Defensivverbund gerichtet waren, aber auch speziell an Kimmich. Den hatte Kovac im Zuge der Einwechslung von Renato Sanches für Rafinha in der Schlussphase nämlich schon wieder zurück auf die rechte Abwehrseite geschickt. Eine taktische Maßnahme, von der ein restlos zufriedener Trainer niemals Gebrauch machen würde.

Kimmich hegt den Anspruch, sich dauerhaft im defensiven Mittelfeld zu etablieren - gerade vor dem Hintergrund, dass Javi Martinez weder jünger noch schneller wird und mit Benjamin Pavard zur neuen Saison ein Upgrade zu seinem scheidenden Konkurrenten für die rechte Abwehrseite, Rafinha, kommt.

Kimmich kann sich auf seiner Lieblingsposition nicht einspielen

Diesen Anspruch kann Kimmich in Topspielen aber kaum rechtfertigen. Das liegt einerseits an ihm selbst, andererseits aber auch an Kovac, der ihn immer wieder hin und her schiebt.

Seit dem Pokalspiel am 30. Oktober in Rödinghausen (2:1) lief Kimmich acht Mal als Sechser und sieben Mal hinten rechts auf. Ihm machen diese Positionswechsel zwar "Spaß", sagte er unmittelbar vor dem Leverkusen-Spiel in einem Interview mit der vereinseigenen Website, dadurch werde er zu einem "kompletteren Spieler".

Dass es so gleichzeitig schwieriger wird, sich auf einer Position einzuspielen, weiß Kimmich aber auch. "Das sind zwei komplett verschiedene Positionen", sagte er, "man benötigt als Rechtsverteidiger ganz andere Fähigkeiten als auf der Sechs." Das zeigte sich gegen Leverkusen.

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