FC Bayern München: Schiedsrichter-Betreuer Adi Weber im Interview über 51 Jahre beim FCB

Adi Weber arbeitet seit 51 Jahren als Schiedsrichterbetreuer beim FC Bayern.
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SPOX: Sprich auch die Lokale und Restaurants, in die Sie mit den Schiedsrichtern gehen, haben sich im Laufe der Jahre verändert?

Weber: Klar. Früher sind wir fast nur bayrisch essen gegangen: eine Schweinshaxe, Knödel dazu, ein schönes Bier, noch ein Bier und dann braucht man noch ein paar Kurze für die Verdauung. So lief das damals ab. Als die Mauer fiel und Schiedsrichter aus der ehemaligen DDR nach München kamen, gab es auch welche, die mittags vor dem Spiel noch einen Schweinsbraten gegessen und ein Bier dazu getrunken haben. Heute sind das richtig austrainierte Sportler, die viel Wert auf die Ernährung legen. Kein Vergleich mehr zu früher.

SPOX: Wann erfahren Sie denn, mit wem Sie es beim nächsten Spiel zu tun haben?

Weber: Die offizielle Mitteilung über die Ansetzungen wird donnerstags um 17 Uhr veröffentlicht. Ich weiß es meist etwas früher. Es gibt auch Schiedsrichter, die mich am Wochenanfang schon anrufen und sagen, ich solle schon mal einen Tisch reservieren. Markus Merk ist beispielsweise immer gerne bayrisch Essen gegangen und hat das Franziskaner geliebt. Er sagte dann immer: 'Adi, wir brauchen gar nicht zu diskutieren, wir gehen ins Franziskaner.' Die meisten kommen spätestens am Freitag gegen 19 Uhr an, damit es sich noch lohnt, gemeinsam etwas essen zu gehen. Ich hole sie dann vom Hauptbahnhof oder Flughafen ab, wir fahren zum Hotel und checken ein. Danach geht's zum Essen.

SPOX: Und wann enden die Abende in der Regel?

Weber: Meist zwischen 22 und 23 Uhr. Dann bringe ich die Schiedsrichter zurück ins Hotel und hole sie am nächsten Tag um 13 Uhr wieder ab. Zwei Stunden vor dem Spiel müssen sie im Stadion sein. Sobald wir angekommen sind, kümmere ich mich in der Kabine um alles, was für die Schiedsrichter dazugehört: von der Auswechseltafel über Handtücher bis zu Getränken, Obst und kleinen Brötchen. Die schmiert allerdings der Caterer. Sollte es dann noch offene Fragen gebe, stehe ich natürlich jederzeit zur Verfügung.

SPOX: Müssen Sie vor dem Spiel die Kabine zu einem bestimmten Zeitpunkt verlassen haben?

Weber: Ich bin anfangs noch dabei und stehe zur Verfügung. Wenn die Schiedsrichter auf den Platz gehen und sich warmlaufen, warte ich in der Kabine und schaue im TV meist noch die 2. Liga an. Erst in der unmittelbaren Phase vor dem Spiel, wenn sie sich voll konzentrieren müssen, lasse ich die Schiedsrichter alleine. Es gibt Schiedsrichter, die sind da im Tunnel und überhaupt nicht mehr ansprechbar. Es gibt aber auch welche, die sehr ruhig sind und in sich gehen, andere sind locker und machen Witze. Da kommt es auf die Persönlichkeit und Erfahrung an.

SPOX: Inwiefern leiden Sie denn auch mit, wenn es zu klaren Fehlentscheidungen kam?

Weber: Ich schmiere das den Schiedsrichtern nicht aufs Brot. Es gab schon immer Fehlentscheidungen und es wird sie auch immer geben, Videobeweis hin oder her. Wenn mich ein Schiedsrichter nach meiner Meinung fragt, sage ich ihm, wie ich es gesehen habe. Meine Sicht ist aber auch viel schlechter. Ich sitze auf Höhe der Mittellinie neben Stadionsprecher Stephan Lehmann und das ist mit der Übersicht der Schiedsrichter nicht zu vergleichen. Ich gebe aber zu, dass ich tendenziell eher auf der Seite der Schiedsrichter bin und sie verteidige.

SPOX: Gab es auch Fälle, in denen sich Schiedsrichter und Beobachter nach dem Spiel in die Haare bekommen haben?

Weber: Natürlich, viele sogar. Da sagt der Beobachter, dass ein Mist gepfiffen wurde und der Schiedsrichter antwortet, er würde jederzeit wieder so pfeifen. Da entstanden teilweise schon auch unerfreuliche Diskussionen. Einmal hat ein Schiedsrichter sogar den Präsidenten des Gastvereins aus der Kabine geschmissen. Und er hatte im Grunde Recht, denn wenn ein Verantwortlicher eines Gastvereins ohne anzuklopfen einfach in die Kabine platzt, dann ist es das gute Recht des Schiedsrichters, ihm die Türe zu zeigen. So etwas kommt heute aber längst nicht mehr vor.

FC Bayern München: Abgänge im Sommer 2018

SpielerWechsel zuAblöse in Euro
Douglas CostaJuventus Turin40 Millionen
Arturo VidalFC Barcelona18 Millionen
Niklas DorschFC Heidenheimablösefrei
Felix GötzeFC Augsburgablösefrei
Fabian BenkoLASK Linzablösefrei
Tom Starke-Karriereende

SPOX: Gibt es nach Spielen auch Situationen, an denen ein geplantes Samstagabendprogramm wegen einer schwachen Leistung abgesagt wird?

Weber: Das passiert gerade in den Zeiten, in denen wir jetzt leben, leider häufiger. Früher waren die Schiedsrichter deutlich unbekannter als heute. Wenn es Differenzen gab oder die Leistung schlecht war, wollen sie manchmal schon lieber im Hotel bleiben.

SPOX: Gab es auch Schiedsrichter, mit denen Sie nicht wirklich konnten?

Weber: Eigentlich nie, auch wenn es spezielle Fälle gab. Walter Eschweiler war zum Beispiel eine besondere Marke. Ich brauchte zweimal Polizei für die Abreise nach dem Spiel, als er gepfiffen hatte. Da standen dann 300, 400 Fans vor dem Stadion und haben auf ihn gewartet. Die Situation war nicht mehr sicher, so dass ich die Polizei rufen musste und wir aus dem Stadion geleitet wurden. Mit 1860 kam es im Grünwalder Stadion aber einmal zu einer noch schlimmeren Situation: Es gab große Probleme mit dem Schiedsrichter und dann haben sie uns einfach das Licht ausgemacht. Wir saßen dann im Dunkeln in der Kabine.

SPOX: Und dann?

Weber: Ich sprach den Platzwart an, doch der meinte nur, dass es jetzt eben kein Licht mehr geben würde. Anschließend kam heraus, dass das vom Verein gesteuert worden war. Da hieß es, der Schiedsrichter habe so einen Mist gepfiffen, dann braucht er jetzt auch kein Licht mehr. Letztlich mussten wir gemeinsam über den stockdunklen Platz marschieren.

SPOX: Welche Erfahrungen haben Sie denn mit dem legendären Wolf-Dieter Ahlenfelder gemacht, der 1975 im angetrunkenen Zustand beim Spiel zwischen Bremen und Hannover bereits nach 32 Minuten zur Halbzeit pfiff?

Weber: Er war ein schwieriger Typ, der einen fantastischen Assistenten hatte. Der musste ihn immer ein bisschen zügeln. Wolf-Dieter hatte ein kleines Bäuchlein - aber nicht nur vom Essen. Wir waren einmal vor einem Spiel gemeinsam frühstücken. Da sagte er: 'Adi, hör mir auf mit dem Essen. Ich brauche kein Frühstück, bring mir ein Weißbier.' Wir saßen also am Vormittag bei fast 30 Grad da, er hat nichts gegessen und danach noch ein zweites Weißbier getrunken. Er ist dann natürlich etwas angeschlagen ins Stadion gegangen. Trotz dieser Anekdoten war er damals ein sehr guter Schiedsrichter.

SPOX: Herr Weber, wenn Sie auf Ihre 51 Jahre lange Tätigkeit beim FC Bayern zurückblicken, welches war die schlimmste Niederlage, die Sie erlebt haben?

Weber: Das verlorene Champions-League-Finale 1999 in Barcelona gegen Manchester United. Wir waren schon am Aufstehen und plötzlich fallen diese beiden Tore. Das werde ich leider nie vergessen.

SPOX: Wie fällt grundsätzlich Ihr Fazit zur Leidenschaft Schiedsrichter-Betreuer aus?

Weber: Ich bin bald 60 Jahre verheiratet und vor allem sehr dankbar, dass ich eine Frau habe, die all dies mitgemacht hat. Es gab nie Diskussionen darüber, dass ich aufhören solle. Meine zwei Söhne und meine Frau wussten immer, dass ich das einfach zu gerne mache.

SPOX: Sie werden nun kürzertreten, zumindest in der Bundesliga. Wieso gab es vergangene Saison am letzten Spieltag gegen den VfB Stuttgart keine offizielle Verabschiedung von Ihnen?

Weber: Weil ich ja eben noch nicht ganz weg bin, sondern weiterhin die Champions-League-Spiele betreue. Ich habe mit Karl-Heinz Rummenigge abgesprochen, dass ich auch in der Bundesliga immer gerne zur Verfügung stehe, wenn mein Nachfolger einmal krank sein oder aus anderen Gründen ausfallen sollte.

SPOX: Sie würden sich doch aber nicht gegen eine Verabschiedung wehren?

Weber: Nein, das nicht, aber was soll das auch? Dann bekomme ich halt einen Blumenstrauß, Stadionsprecher Stephan Lehmann sagt fünf Sätze und das war's. (lacht)

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