Thomas Müller vom FC Bayern im Interview: "Heynckes' Vorgeschichte war ein Bonus"

Thomas Müller ist begeistert von der Zusammenarbeit mit Jupp Heynckes.
© getty

Thomas Müller ist in Abwesenheit des verletzten Manuel Neuer Kapitän beim FC Bayern München. Im Interview spricht der Gillette Markenbotschafter darüber, wie sich das Amt auf seine Spielweise auswirkt und warum er nicht daran glaubt, dass die Bayern trotz ihres großen Vorsprungs in der Bundesliga die Spannung verlieren werden.

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Darüber hinaus zieht der Weltmeister ein Zwischenfazit für den Videobeweis und erklärt, was das Besondere an der Arbeit von Jupp Heynckes ist und weshalb er sich nicht damit befasst, wer in der nächsten Saison Bayern-Trainer wird.

SPOX: Herr Müller, Sie sind zum dritten Mal das Gesicht der Gillette Uni-Liga. Was macht für Sie den Reiz des Amateursports und insbesondere des Unisports aus?

Thomas Müller: Der Fußball ist ein extremer Spaßfaktor und bringt Leute zusammen. Ich stelle mir das sehr lustig vor. Man sieht sich regelmäßig in der Uni, macht Pläne und pusht sich gegenseitig. Wenn sechs Leute in einer Mannschaft sind, bei denen zwei nicht top in Form sind, stachelt man sich auch mal an. Da heißt es dann: "Komm, macht mal ein bisschen, in zwei Wochen müsst ihr zwei Kilo weniger haben." Das finde ich witzig. Mein Bruder kickt im Amateurfußball. Wenn er nach Weihnachten Gewichtskontrolle hat, gibt es erstmal eine dicke Strafe. (lacht) Ich bin mit dieser Mentalität aufgewachsen, dass Fußball aus Spaß gespielt wird. Man spricht in Deutschland immer über Fußball und wenn man dann in so einem Wettbewerb spielen kann, ist das eine super Sache und die Mädels und Jungs haben auch richtig Spaß.

SPOX: Gibt es Aspekte, bei denen Sie gerne mit den Amateurspielern tauschen würden?

Müller: Natürlich. Der einzige Druck ist der, den man sich selbst macht. Man wird nicht nach jedem Spiel in ein Bewertungssystem einkategorisiert. Und Fußball ist im Leben ein richtiges Highlight. Unter der Woche geht man zur Arbeit, am Sonntag ist Punktspiel und danach sitzt man noch gemütlich zusammen. Diesen Rhythmus finde ich sehr sympathisch.

Thomas Müller über den Videobeweis

SPOX: Sehen Sie durch Entwicklungen wie der Einführung des Videoassistenten eine Gefahr, dass sich der Profi- und der Amateurfußball noch weiter voneinander entfernen könnten?

Müller: Die Unterschiede werden größer, das ist ganz klar. Den Videobeweis gibt es nur in der Bundesliga, in den unteren Ligen ist es einfach nicht möglich. Aber ich sehe das nicht so dramatisch. In dem speziellen Fall geht es einfach darum, Situationen besser bewerten zu können.

SPOX: Wie fällt denn Ihr Zwischenfazit für den Videobeweis aus?

Müller: Ich sehe ihn grundsätzlich positiv. Es werden weiterhin Meinungsverschiedenheiten auftreten und das ist für mich das Entscheidende. Stellen wir uns mal vor, jede Entscheidung wäre unstrittig, über was sollen wir dann schimpfen? Die Debatten sind immer noch vorhanden, davon lebt der Fußball meines Erachtens auch ein bisschen, aber dennoch ist der Videobeweis ein gutes Instrument für die Schiedsrichter. Vor allem in der Frage Abseits oder nicht gab es schon viele sehr gute Entscheidungsänderungen.

SPOX: Kann er auch zum Problem für die Schiedsrichter werden, da die Debatte dadurch noch hitziger geführt wird?

Müller: Das merkt man definitiv. Manche sind einfach pauschal gegen den Videobeweis, weil sie Traditionalisten sind. Es ist immer ein schmaler Grat und der Mensch beschwert sich gerne. Ich bin jedoch auf jeden Fall ein Befürworter.

FC Bayern: Die Hierarchie nach dem Karriereende von Philipp Lahm

SPOX: Vor der aktuellen Saison haben mit Philipp Lahm und Xabi Alonso zwei Spieler ihre Karriere beendet, die für die Hierarchie in der Mannschaft des FC Bayern sehr wichtig waren. Hat sich ihr Fehlen in den ersten Wochen auf die Statik des Teams ausgewirkt?

Müller: Wir hatten auf jeden Fall keinen so guten Saisonstart und auch die ganze Vorbereitung war nicht super. Ob das nun an den beiden Spielern lag, weiß ich nicht. Das geht eigentlich immer ziemlich schnell, dass man aus dem Geschehen raus ist. Wenn jemand zwei, drei Monate verletzt ist, muss auch jemand anderes in die Bresche springen. Normalerweise ist nur derjenige im Fokus, der auf dem Fußballplatz steht und spielt. Im zwischenmenschlichen Bereich hat es sich für mich aber schon bemerkbar gemacht. Philipp war eine Person, mit der ich sehr viel Zeit verbracht habe. Seit Beginn meiner Karriere habe ich mit ihm zusammengespielt und dann war er nicht mehr da. Ich konnte mich monatelang darauf vorbereiten, deswegen war es kein Schockmoment. Aber es war die ersten zwei, drei Trainingseinheiten schon komisch, das kann ich nicht abstreiten.

SPOX: Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach eine klare Hierarchie für eine Mannschaft?

Müller: Jeder Spieler hat eine andere Interpretation einer Führungsrolle, sowohl auf als auch neben dem Platz. Am wichtigsten ist aber, dass der Trainer die Mannschaft führt und eine klare Linie vorgibt. Natürlich braucht jedes Team Spieler auf dem Platz, die diese Linie auch umsetzen. Wir haben sehr viele erfahrene Spieler. Da ist es nicht so entscheidend, wer die Binde trägt. Viele Spieler sind in den wichtigen Fragen involviert und bringen ihre Meinung ein. Das erleichtert es Manu und mir enorm.

SPOX: Weil Manuel Neuer bereits fast die ganze Saison verletzt ausfällt, sind Sie derzeit der erste Kapitän beim FC Bayern. Haben Sie sich durch das Amt verändert?

Müller: Nein, das glaube ich nicht. Es macht eher einen Unterschied, ob du ein junger Spieler bist, der sich nur auf sein Spiel fokussiert, oder ob du auch den Blick für das große Ganze hast. Das hat sich bei mir langfristig dahin entwickelt. In der Ära Lahm-Schweinsteiger bin ich über Jahre hinweg in diese Position hineingewachsen. Es ist auf dem Platz schon etwas anderes, wenn man sich mehr für die ganze Mannschaft verantwortlich fühlt.

SPOX: Wie äußert sich das?

Müller: Man geht speziell als Offensivspieler schneller in den Sicherheitsmodus. Wenn die Mannschaft mit einer 2:1-Führung in der 80. Minute einen Angriff fährt, sichere ich lieber ab, anstatt mit in den Strafraum zu gehen. In dieser Situation wäre ich mit 21 sicher noch in den Sechzehner gezogen und hätte vielleicht ein Tor gemacht. Dadurch komme ich mittlerweile in der Einzelbewertung manchmal nicht so gut weg. Aber es fühlt sich in der Rolle, in der jetzt bin und in der ich mich sehe, besser an. Am wichtigsten ist der Erfolg und dass die Gruppe funktioniert. Dazu will ich meinen Teil beitragen. Das ist jedoch unabhängig von der Binde so.

SPOX: Sie haben zuletzt betont, wie wichtig es für Ihre starke Form ist, dass Sie wieder klarer Stammspieler sind.

Müller: Naja, was heißt klarer Stammspieler? Das ist nicht automatisch der Fall, Stammplatzgarantien gibt es beim FC Bayern nicht. Niemand spielt unabhängig davon, was vorher war. Jeder muss seinen Platz mit Leistung bestätigen. Das gilt für mich wie für jeden anderen auch. Natürlich hat der Trainer mir Vertrauen entgegengebracht, seitdem er wieder da ist. Das tut gut und ich habe das auch ganz gut zurückgezahlt. Aber man ist immer nur so gut wie sein letztes Spiel. Im Fußball geht es sehr schnell. Gerade bei uns ist der Leistungsdruck sehr hoch. Wir haben sehr viele gute Spieler, die alle mit den Hufen scharren. Das macht es dem Trainer einerseits schwer, andererseits erleichtert es ihm auch vieles, weil er immer Qualität auf dem Platz hat.

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