Eröffnung des FC Bayern Campus: Hier bastelt der Tiger

Das Areal des neuen FC Bayern Campus ist vier Mal so groß wie das an der Säbener Straße
© getty

Der FC Bayern hat im Norden Münchens sein neues Nachwuchsleistungszentrum eröffnet. Präsident Uli Hoeneß will den Campus als Antwort auf den Transferwahnsinn des internationalen Fußballs verstanden wissen. SPOX nahm an einem Rundgang mit dem sportlichen Leiter Hermann Gerland teil.

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Irgendwann, als die Seeteufelfilets mit Aioli-Dip, die Mini-Schnitzel mit Meerrettich-Ketchup und auch all die anderen vorbereiteten Häppchen von den geladenen Ehrengästen verspeist worden waren und die Blasmusik-Kapelle "Heufelder", die extra aus Markt Bruckmühl (Kreis Rosenheim) angereist war, verstummte, betrat Uli Hoeneß die Bühne.

"Jetzt sind wir soweit", sagte er und all die Ehrengäste im provisorisch errichteten Zelt applaudierten stürmisch.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter applaudierten, genau wie Starkoch Alfons Schuhbeck und die übrige Münchner Prominenz. Sie alle waren gekommen, um der Eröffnung des neuen FC Bayern Campus beizuwohnen. Dem Gelände, auf dem künftig die Nachwuchs- und Frauenabteilung des FC Bayern trainieren und spielen wird. Gekommen waren darüber hinaus natürlich auch Sportdirektor Hasan Salihamidzic und Trainer Carlo Ancelotti. "Für sie basteln wir ja die guten, jungen Spieler", erklärte Hoeneß.

Genau das ist nämlich die Idee hinter diesem Campus: Der FC Bayern will seine künftigen Spieler lieber basteln als kaufen. "Womöglich ist das hier die Antwort des FC Bayern auf den Transferwahnsinn und die Gehaltsexplosionen da draußen", sagte Hoeneß. Da draußen wechselte nämlich neulich ein Brasilianer für 222 Millionen Euro vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain. "Und das hier", folgerte Oberbürgermeister Reiter und schaute sich begeistert um, "ist nicht einmal ein halber Neymar".

Rund 70 Millionen Euro hat der FC Bayern für seinen Campus ausgegeben. "Vielleicht gelingt es uns damit, den Vorsprung, den andere Klubs durch Geld aus dem Nahen Osten oder Russland haben, auszugleichen", sagte Hoeneß. Der Campus sei laut dem Präsidenten "die richtige Antwort auf die Entwicklungen im internationalen Fußball".

Alles nach Plan - außer die Nachwuchsarbeit

Diese Antwort jedenfalls liegt an der Ingolstädter Straße im Norden von München, nahe der Allianz Arena. Sie umfasst 30 Hektar und ist somit knapp viermal so groß wie das Gelände an der Säbener Straße. Weil dort in den vergangenen Jahren etwas zu viel gedrängelt wurde, hat sich der Klub dazu entschlossen, die Nachwuchs- und Frauenabteilung örtlich auszugliedern. Bereits 2006 hat der FC Bayern das Areal gekauft, 2015 begann der Bau und nun ist alles fertig. "Ohne Zuschüsse", wie Oberbürgermeister Reiter freudig anmerkte, "und wie nicht anders zu erwarten auch im Zeitplan."

"Wie nicht anders zu erwarten", weil beim FC Bayern ja prinzipiell fast alles planmäßig läuft, er gewinnt etwa jedes Jahr aufs Neue planmäßig den Meistertitel. Was während all der planmäßigen Meistertiteln dagegen nicht nach Plan lief, war die Nachwuchsarbeit.

Am besten lässt sich das am Alter von David Alaba ablesen: 25 Jahre. Alaba ist ein Mittzwanziger, ein Spieler im besten Fußballeralter, wie es gerne heißt - und der letzte selbst ausgebildete Spieler, der sich nachhaltig in der Profi-Mannschaft durchgesetzt hat. 2010 hat Alaba debütiert, vor sieben Jahren. Viel zu lange ist das dem Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge her. Er wünscht sich künftig "jedes Jahr einen Spieler für die Profiabteilung".

Die Voraussetzung, um sich diesem Ziel anzunähern, schuf der Klub mit der Errichtung des Campus. "Wir haben Steine gebaut", sagte Hoeneß, "und jetzt liegt es daran, die Beine besser zu machen." Verantwortlich dafür sind Campus-Leiter Jochen Sauer, der zuletzt für RB Salzburg gearbeitet hatte, und der sportliche Leiter Hermann Gerland, der zuletzt als alles Mögliche gearbeitet hatte und den furchteinflössenden Spitznamen "Tiger" trägt.

Mini-Stadion auf dem FC Bayern Campus

Gerland ist unter den 75 Angestellten, die auf dem Campus arbeiten, gewissermaßen der Übervater für all die Spieler der 14 Mannschaften, die dort trainieren. "Ich kenne alle Jungs", sagt Gerland zu Beginn des Rundgangs über das Gelände. Gewissermaßen: über sein Gelände. Entspannt lässt er sich im ersten Stock des Hauptgebäudes in einen gepolsterten Sessel fallen. Vor ihm eine glänzend polierte Glaswand und hinter dieser das neue Mini-Stadion des Campus.

2.500 Zuschauer fasst es, die Heimspiele der Nachwuchsmannschaften werden fortan dort ausgetragen. Nur Kleinigkeiten hat Gerland zu kritisieren. Neben den Seitenauslinien des Platzes ist aktuell etwa noch Kunstrasen, das will er ändern lassen. Warum? Damit sich die Spieler auf dem gleichen Untergrund warm machen können, auf dem sie dann auch spielen. Thema war der Rasen bereits zuvor im Zelt, als Kabarettist Bruno Jonas bei seiner Festrede vor sich hin scherzte: "Der Rasen ist essbar und wird von Herrn Schuhbeck persönlich zubereitet." Das Zelt lachte herzhaft, aber Bruno Jonas wollte damit nur sagen: Hier ist alles vom Feinsten.

So etwa auch der Fitnessraum, der sich direkt neben dem Kabinentrakt des Mini-Stadions befindet. "Da drüben ist noch ein Schwimmbad", schnauft der 63-jährige Gerland, nachdem er an einem der zahlreichen Geräte für alle möglichen Muskelgruppen seine Fitness unter Beweis gestellt hatte. Nichts bleibt unerwähnt, Gerland ist stolz auf die Fülle der Räumlichkeiten.

Ein Stockwerk höher ist die sogenannte "Players Lounge", der Gemeinschaftsraum. An der Wand hängt dort eine Liste, auf der sich Spieler für eine Stadtrundfahrt durch München eintragen können. Einen Billard-Tisch gibt es, genau wie einen Kicker und einen überdimensionierten Fernseher. "Hier können sich die Jungs ausruhen, Fußball gucken und spielen", sagt Gerland, "Vier Gewinnt oder Monopoly zum Beispiel." Regeln gibt es aber nicht nur bei den Brettspielen, sondern auch bei der Zimmer-Nutzung: "Mädels dürfen die Jungs hier nicht mitbringen."

Leben und lernen

Auf dem Weg zur Mensa begrüßt Gerland einige Jugendspieler per Handschlag. Im Idealfall schaffen sie es irgendwann zu den Profis. Falls nicht, haben sie einen anderen Auftrag. "Alle Absolventen sollen unser 'Mia san mia' in die weite Welt hinaustragen", sagt Hoeneß. "Es soll ein Markenzeichen sein, an diesem Campus ausgebildet worden zu sein."

Manche werden dort nicht nur ausgebildet, sondern leben auch da. In den Campus ist ein Internat mit 35 Appartements integriert. Aktuell wohnen dort 26 Jugendspieler, die nicht aus dem Großraum München stammen und zwischen 14 und 18 Jahre alt sind. Ausschließlich deutschsprachige, laut Sauer bald aber womöglich auch fremdsprachige von weit her. Notfalls sollen sie gegen Ablösesummen nach München geholt werden. Hauptsache hochtalentiert. "Ab dem Alter von 16 oder 17 Jahren muss man Geld in die Hand nehmen, wenn man die Guten will", erklärt Hoeneß.

Der Klub kümmert sich auch um die schulische Ausbildung der Internats-Bewohner, mit bis zu fünf Bildungseinrichtungen sind Kooperationen geplant. "Es gibt einen Shuttle-Service vom Campus zu den Schulen", erklärt Sauer am Ausgang des Hauptgebäudes.

Umgeben wird es vom Mini-Stadion, sieben weiteren Fußballplätzen und einer Sporthalle, in der nun die Handball- und Basketballabteilungen des Klubs eine Heimat haben. Bei Verletzungen steht eine eigene Arztpraxis bereit. Außerdem gibt es eine Kletterwand, einen Kunstrasenplatz mit Seitenbanden, sowie Plätze für Beachvolleyball und -soccer. "Das hier ist ein Traum für jeden jungen Menschen", sagt Gerland, "und deshalb gibt es keine Ausreden mehr."

Flexibel formiert und flexibel geschunden

Keine Ausreden mehr. Das Ziel des FC Bayern ist es, alsbald mit der zweiten Mannschaft in die 3. Liga aufzusteigen, um den Absolventen des Campus ideale Entwicklungsmöglichkeiten im niederen Profi-Bereich bieten zu können. Im Nachwuchsbereich gibt es dagegen keine konkreten Zielvorgaben. "Ich werde mit der A-Jugend lieber jedes Jahr Dritter und bringe einen Spieler von der Ingolstädter an die Säbener Straße, als dass ich jedes Jahr Meister werde und keiner den Sprung schafft", sagt Gerland.

Die individuelle Förderung der einzelnen Spieler sei in diesen Altersgruppen wichtiger als der mannschaftliche Erfolg. Es gäbe im Gegensatz zu anderen Vereinen im Jugendbereich des FC Bayern auch keine einheitliche und vorgeschriebene taktische Formation für alle Mannschaften, erklärt Torwart-Koordinator Tom Starke: "Da sind wir flexibel." Der Spieler steht im Vordergrund.

Flexibel wird aber nicht nur formiert, flexibel wird ganz nebenbei auch geschunden. Der Fitness-Hügel zwischen all den perfekt getrimmten Plätzen hat jedenfalls zwei verschiedene Stufen-Höhen. Noch bevor aber dieser Hügel und auch alles andere auf dem FC Bayern Campus errichtet wurde - so will es zumindest die Legende - hat Gerland ein Kopfballpendel installieren lassen.

Und nun steht er also zum Ende seines Rundgangs zufrieden unter dem baumelnden Pendel-Ball und sagt: "Die Bedingungen sind erstklassig. Jetzt müssen wir nur noch erstklassige Spieler ausbilden."

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