Oliver Kahn im Interview: "Bin froh, dass ich bald nicht mehr nach Bayern gefragt werde"

Von Jochen Tittmar, Haruka Gruber
Oliver Kahn stand von 1994 bis 2008 im Tor des FC Bayern.
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Dietmar Hopp, Klaus-Michael Kühne, Red Bull - in Deutschland werden Investoren im Fußball immer als anrüchig angesehen, während andere Länder ein entspannteres Verhältnis zu ihnen haben. Ist das ein deutsches Problem?

Kahn: Die 50+1-Regel existiert nur in Deutschland und ist dementsprechend ein deutsches Phänomen. Ich gehe davon aus, dass das Bundeskartellamt die geltende 50+1-Regelung in der aktuellen Form noch dieses Jahr kippen könnte, da sie im Kern gegen europäisches und deutsches Kartellrecht verstößt. Eine Regel, die die Beteiligung von Geldgebern an einem Fußballklub einschränkt und vom DFB und der DFL quasi als Monopol ins Leben gerufen wurde, dürfte in der heutigen Welt wenig Chancen haben zu bestehen. Insofern würde ich hier nicht mehr lange von einem Problem sprechen.

Es scheint ziemlich schwierig, innerhalb der deutschen Profiligen auf einen gemeinsamen Nenner beim Thema 50+1 zu kommen.

Kahn: In Deutschland wird beim Thema 50+1 reflexartig die Mär von den guten Bewahrern und den bösen Gegnern der Regel beschworen. Zwischendrin gibt es fast nichts. Aus meiner Sicht ist es durchaus möglich, starke Tradition mit den Interessen von Geldgebern im Fußball zu verbinden. Vereine wie Manchester United, Chelsea, AS Rom, Manchester City und Paris Saint-Germain haben sich durch ihre Geldgeber zu global agierenden Fußballunternehmen entwickelt, die erstklassig aufgestellt sind. Sie haben zusätzliche Kompetenzen aufgebaut, um Investoren sinnvoll in den Verein zu integrieren. Wenn wir in Deutschland konkurrenzfähig bleiben wollen, kommen wir wohl nicht umhin, uns mit diesen Themen zu beschäftigen, ohne immer sofort die Traditionskeule zu schwingen.

Dass dies jedoch passiert, ist das für Sie dann nachvollziehbar?

Kahn: Absolut. Der Fußball ist eine identifikationsstiftende Bastion unserer Gesellschaft, bei der man sich immer noch darauf verlassen kann, dass um 18 Uhr die Sportschau läuft. In einer sich rasant verändernden Welt wirkt der Fußball wie einer der letzten stabilen Anker. Ich bin großgeworden in diesem Umfeld und kenne und schätze die starke Tradition und Kultur des Fußballs. Trotzdem bin ich Realist. Der Fußball wird sich nicht von den globalen Entwicklungen abkoppeln können. Ansonsten werden wir irgendwann mit den Top-Ligen in Europa nicht mehr konkurrenzfähig sein.

Was also wäre Ihr Vorschlag?

Kahn: Ich bin nicht im Besitz eines Patentrezepts. Aber ich denke, wir sollten gut gewappnet sein für die Zeit nach 50+1. Jeder Verein wird die Freiheit haben, selbst entscheiden zu können, wie er auf diese Herausforderung reagieren will. Rückwärtsgewandtes Denken und ewig festhalten wollen am Status Quo waren noch nie wirklich gute Ratgeber. Während viele Traditionsvereine in der Versenkung verschwunden sind, zeigen Vereine wie Hoffenheim oder Leipzig, wie es auch gehen kann.

2020 will die DFL die Bundesliga-Medienrechte für den nächsten Vierjahreszyklus neu vergeben. Wäre dies, zusammen mit den möglichen Auswirkungen des Brexit, eine Chance für den deutschen Fußball, verlorenen Boden gegenüber England wieder gut zu machen?

Kahn: Die Engländer bereiten sich bereits auf die möglichen negativen Folgen des Brexit vor. In erster Linie geht es dabei um arbeitsrechtliche Fragestellungen. Eine Abschaffung der Arbeitnehmerfreizügigkeit hätte wahrscheinlich gravierende Folgen für die Premier League. Möglich sind auch Währungsverluste beim britischen Pfund. Aber wer will das seriös einschätzen? In jedem Fall aber besteht dort momentan eine Unsicherheit und davon könnte die Bundesliga durchaus profitieren.

Herr Kahn, in so gut wie jedem Ihrer Interviews, das Sie seit Ihrem Karriereende gegeben haben, werden Sie nach einem Wiedereinstieg beim FC Bayern gefragt. Inwiefern sind Sie denn froh, dass Sie das bald hinter sich haben?

Kahn: Das ist die bislang beste Ihrer Fragen. (lacht) Und ich kann sie auch gut beantworten: Ich bin tatsächlich froh, dass ich danach demnächst nicht mehr gefragt werde.

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