BVB-Boss Watzke im Interview: "Wir werden mit den Bayern auch mal wieder richtig zusammenrasseln"

Von Mario Kottkamp, Martin Volkmar
Watzke und Mats Hummels nach dem Champions-League-Finale 2013.
© getty

Vor dem Spitzenspiel gegen den FC Bayern München (Sa., 18.30 Uhr im LIVETICKER) spricht BVB-Boss Hans-Joachim Watzke im Interview mit SPOX und DAZN über sein Saisonzeugnis, den vermeintlichen Dusel der Borussia und einen möglichen 80-Millionen-Transfer.

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Pünktlich und gut gelaunt erscheint Hans-Joachim Watzke zum Gespräch im Konferenzraum "Borsigplatz" auf der Geschäftsstelle von Borussia Dortnund. Doch bis es losgehen kann, dauert es noch ein wenig. Denn Watzkes Stuhl lässt sich nicht einstellen, erst der Mediendirektor löst das Problem.

Als Wink mit dem Zaunpfahl, nach 14 Jahren als BVB-Geschäftsführer seinen Platz zu räumen, will Watzke das aber nicht verstehen. Im Gegenteil: Im Interview gibt der 59-Jährige klar zu erkennen, dass er noch lange nicht ans Aufhören denkt.

Außerdem äußert er sich zu den Chancen einer Rückkehr von Mats Hummels, den Transferspekulationen um Shootingstar Jadon Sancho, der legendäre Pressekonferenz des FC Bayern, seinem Verhältnis zu den Münchner Bossen und den Plänen zur Einführung einer europäischen Superliga.

Herr Watzke, haben Sie sich die Bundesliga-Tabelle am Sonntag mit ins Bett genommen?

Hans-Joachim Watzke: Das nicht, aber sie ist schon schön. So richtig hatte kaum jemand auf dem Regieplan, dass wir als Tabellenführer in den deutschen Klassiker gehen würden. Die Bayern haben ja stets betont, wie wichtig ihnen Platz eins ist. Von daher ist das jetzt schon ein kleiner Vorteil für uns. Aber es sind noch sieben Spiele...

Wenn Sie die Saison bis jetzt Revue passieren lassen, wie fällt Ihre Bewertung aus?

Watzke: Mit Ausnahme des Ausscheidens im Pokal gegen Werder Bremen ist das eine glatte Eins. Gegen Tottenham kann man verlieren, wir waren auch nicht die deutlich schlechtere Mannschaft, hatten in London während der ersten Hälfte und zu Hause ohnehin gute Chancen. In der Bundesliga läuft es überragend, wir haben 63 Punkte, sechs mehr als in der letzten Saison nach 34 Spielen. Das ist top und es bleibt auch top, egal was noch passiert.

Martin Volkmar (l.) und Mario Kottkamp (r.) trafen Hans-Joachim Watzke zum Interview.
Martin Volkmar (l.) und Mario Kottkamp (r.) trafen Hans-Joachim Watzke zum Interview.

Wie lautet denn Ihr Wunschergebnis für Samstag?

Watzke: (Lacht) Alles, was mit einem Sieg enden würde, wäre mein Wunschergebnis. Aber selbst in einem solche Falle wäre nichts erreicht.

Aber den Titel hätten Sie schon gerne?

Watzke: Wenn es geht, natürlich. Wir haben aber einen starken Gegner, das ist wie bei Liverpool und Manchester City in England. Wenn wir Samstag gewinnen, würde es natürlich gut aussehen. Aber erst die nächsten, vermeintlich leichten Spiele werden den Ausschlag geben. Für die Außendarstellung des deutschen Fußballs ist es in jedem Fall großartig, dass es am 28. Spieltag so eine fesselnde Konstellation gibt.

Wie wichtig ist das für das Image der Bundesliga, nach fast sieben Jahren endlich wieder einen spannenden Titelkampf zu haben?

Watzke: Wir waren auch 2015/16 schon mal wieder nah dran, da hatten wir im April ein Spiel gegen Bayern und hätten den Rückstand mit einem Sieg auf zwei Punkte verkürzen können. Wir haben nur 0:0 gespielt und es nicht geschafft, aber Bayern hatte auch keine 20 Punkte Vorsprung. In den vergangenen beiden Jahren war die Dominanz allerdings schon erdrückend, und das ist mittlerweile leider die Tendenz im europäischen Fußball. In Frankreich braucht man die Saison fast gar nicht mehr zu spielen, das macht angesichts des Vorsprungs von PSG ja keinen Spaß mehr für den französischen Fußball-Fan. Bei Juventus Turin ist es in Italien ähnlich. Einen richtigen Kampf um die Meisterschaft haben wir in England. Und gerade in Deutschland.

Woran liegt das?

Watzke: Dadurch, dass mittlerweile ganze Staaten Klubs besitzen, wird die Tendenz größer, dass sich einige deutlich entfernen. Insofern ist es umso schöner, dass wir diesen wirtschaftlichen Unterschied zwischen Bayern München und uns dieses Jahr ein Stück weit außer Kraft setzen konnten. Das wird uns nicht immer gelingen. Ich habe aber schon den Eindruck, dass wir eine Mannschaft haben, die für die nächsten Jahren relativ viel verspricht. Vor allen Dingen, weil sie nicht im Ansatz ihr Limit erreicht hat.

War der BVB denn diese Saison so stark oder die Bayern so schwach?

Watzke: Die Bayern sind nicht schwach. Das ist ja das Problem. Wenn die Bayern schwächeln würden, wären wir weiter vorne. Ich kann mich noch an 2011 erinnern, da sind wir mit 74 Punkten Meister geworden und die Bayern hatten am Ende 65. Das war eine Schwächephase. Wenn das jetzt auch so wäre, würde ich vielleicht schon über eine Reservierung auf dem Borsigplatz nachdenken. Aber die Bayern haben gerade eine überragende Serie und von den letzten 15 Bundesligaspielen 13 gewonnen. Wo ist das schwach?

Die BVB-Saison war in der Hinrunde noch etwas besser als in der Rückrunde, als zum Start eine kleine Delle zu erkennen war. Würden Sie das auch so sehen?

Watzke: Wir haben auch in der Rückrunde über zwei Punkte im Schnitt geholt, machen also die meisten Dinge richtig. Und wir haben erst zwei Spiele in der Saison verloren. Der Punktevorsprung ist deshalb geschmolzen, weil Bayern fast alles gewonnen hat.

Ist denn der Bayern-Dusel nach Dortmund gewandert?

Watzke: Ich habe mich schon immer dagegen gewehrt, dass das Dusel ist. Die Überzeugung und der Wille, Spiele spät noch zu gewinnen, war etwas, was die Bayern immer ausgezeichnet hat. Das ist der Glaube daran, kein Dusel. Das zeichnet große Vereine wie Barcelona und Liverpool aus. Und wir haben das gerade auch. Das hat etwas mit innerer Überzeugung und Mentalität zu tun. Wenn das so häufig wie bei uns aktuell passiert, ist das kein Zufall mehr.

Was passiert denn, wenn Dortmund Meister wird?

Watzke: Wir werden nicht jedes Jahr Meister, die ganze Stadt würde komplett durchdrehen, das wäre wie eine Explosion. Aber das ist alles Konjunktiv. Wir haben noch sieben Spiele, das Rennen ist völlig offen, unser Gegner ist extrem stark. Träumen hilft hier nicht weiter. Selbst am Samstag wird keine Vorentscheidung fallen.

International ist der deutsche Fußball in dieser Saison eher schwach unterwegs. Hat die Bundesliga den Anschluss ein bisschen verloren?

Watzke: Das ist eine reine Momentaufnahme, die wir nicht so dramatisch sehen. In Deutschland ist immer alles schneeweiß oder tiefschwarz. 2013 haben nach dem deutschen Champions-League-Finale viele Experten getönt, dass wir die Besten der Welt sind. Das waren wir nie. Diesmal hatten wir auch Lospech, es gab deutlich günstigere Aufgaben als Liverpool für die Bayern und Tottenham für uns. Aber ich prophezeie, dass auch wieder deutsche Vereine im Viertel- oder Halbfinale stehen werden. Die Spanier, die jahrelang Abonnement-Sieger waren, haben ja auch nur noch einen Verein im Wettbewerb. Dort habe ich noch keinen sagen gehört, dass der spanische Fußball am Ende sei.

Ist diese Mecker-Mentalität typisch deutsch?

Watzke: Das haben wir schon sehr intensiv in uns. Wenn wir verlieren, habe ich auch Dinge im Kopf, die sich bei genauerer Analyse als falsch erweisen. Wir müssen akzeptieren, dass die Engländer durch das unfassbare Fernsehgeld eine Benchmark sind. Die Frankfurter vertreten uns in der Europa League super, der Wettbewerb war ja in den letzten Jahren unser Problem. Aber natürlich bin ich weit davon entfernt zu sagen, dass der deutsche Fußball Europa dominiert.

Braucht man für die Rückkehr in die europäische Spitze 80-Millionen-Transfers, wie es gerade die Münchner gemacht haben?

Watzke: Das weiß ich nicht. Tottenham hat zum Beispiel im Sommer gar niemanden geholt und sie sind auch in der Liga gut unterwegs und stehen im Champions-League-Viertelfinale. Aber Geld hilft natürlich. Paris hat sich vor dem Einstieg Katars nicht gerade durch große Erfolge ausgezeichnet. Ab einer gewissen Summe kannst du Erfolg nicht mehr verhindern.

Wann kommt denn der erste 80-Millionen-Mann zum BVB?

Watzke: Dann, wenn wir ihn haben und es Sinn macht. Momentan brauchen wir uns darüber keine Gedanken zu machen, denn selbst wenn wir jemanden für 80 Millionen verkaufen, müssen wir ja auch noch ein paar Steuern zahlen. Ich würde es nicht komplett ausschließen, aber in nächster Zeit wird das nicht passieren.

Macht das bei den Bayern Sinn?

Watzke: Das kann ich nicht beurteilen. Ich gehe davon aus, dass sie es sich leisten können und dass Hernandez ein außergewöhnlicher Spieler ist, ist auch klar. Ob man jetzt so einen Transfer in der Defensive oder Offensive tätigt, müssen die Bayern beurteilen. Aber das machen sie gut, sonst hätten sie ja nicht so viel Erfolg.

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