Niko Kovac wechselt von Eintracht Frankfurt zum FC Bayern: Der verdammte Zeitpunkt

Niko Kovac verlässt Eintracht Frankfurt zu einem ungünstigen Zeitpunkt.
© getty

Niko Kovac wird Eintracht Frankfurt zum Saisonende verlassen und als Trainer zum FC Bayern München wechseln. Der Schritt ist verständlich, die Eintracht hat dem Kroaten viel zu verdanken. Der Zeitpunkt der Entscheidung ist jedoch aus Sicht der SGE verheerend. Sie sehen die Saisonziele in Gefahr.

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"Stand jetzt" ist eine gefährliche Sprachregelung im heutigen Fußballgeschäft. Und sie lässt meist tief blicken.

Vor zwei Wochen äußerte sich Niko Kovac zu seiner Situation bei Eintracht Frankfurt und den Gerüchten um einen möglichen Wechsel zum FC Bayern. Schließlich könnten die Spekulationen um die Zukunft des Trainers der Mannschaft im Kampf um eine Europapokal-, vielleicht sogar Champions-League-Teilnahme, den Kopf verdrehen. Klarheit musste also her.

Wirkliche Klarheit schaffte Kovac dabei jedoch nicht. "Ich habe in Frankfurt bis 2019 Vertrag. Und wenn nichts dazwischen kommt, werde ich bis 2019 hier arbeiten", sagte er. Und weiter: "Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass ich im nächsten Jahr hier Trainer bin."

Allerdings könne im Fußball auch alles sehr schnell gehen. "Stand jetzt" jedenfalls sei er bis 2019 Trainer der Eintracht. Klartext sieht anders aus.

Niko Kovac wird Trainer des FC Bayern München

Klartext gab es dafür am Freitag. Am Donnerstagabend hatten es Bild, Sport Bild und kicker als fix vermeldet, am Mittwoch bestätigten die Münchner es offiziell: Niko Kovac wird im Sommer als Nachfolger von Jupp Heynckes Trainer des FC Bayern.

Aus dem Vertrag bis Sommer 2019 kommt Kovac ohne Verhandlungen zwischen den Vereinen heraus, da er sich bei seiner Verlängerung Ende 2016 eine Ausstiegsklausel in Höhe von 2,2 Millionen Euro für den FC Bayern und zwei Vereine aus dem Ausland fixieren ließ. Diese Klausel zieht der Rekordmeister nun und stattet den Kroaten mit einem Dreijahresvertrag aus.

Für Eintracht Frankfurt ist der Abgang von Kovac ein herber Verlust

Für die Frankfurter ist der Abgang des Erfolgstrainers ein herber Verlust. Kovac hatte den Klub in einer komplizierten Situation vor zwei Jahren übernommen, erst durch die Relegation gegen den 1. FC Nürnberg vor dem Abstieg gerettet und ihn dann sukzessive nach oben geführt. In der vergangenen Saison brach die Mannschaft noch in der Rückrunde ein, in diesem Jahr kämpft sie um Europa, womöglich sogar um die Champions League.

Dazu sicherte sich Kovac mit seinem Auftreten einen Platz im Herz der Frankfurter. Er passt in diese Stadt und diese Mannschaft. Mit seiner Leidenschaft, seiner Arbeitermentalität, seiner Demut, aber auch mit seinem Selbstbewusstsein.

Im Januar ging Kovac bei der Mitgliederversammlung der Eintracht eine lebenslange Mitgliedschaft ein. Eine Geste mit Symbolcharakter, die ihm viel Applaus und noch mehr Sympathie einbrachte.

Kovac-Entscheidung kommt für Eintracht zur Unzeit

Die Verkündung des Wechsels zu den Bayern stellt diese Sympathie auf eine harte Probe. Nicht zwangsläufig aufgrund der Tatsache an sich: Die Frankfurter sind Kovac dankbar und können den Wechsel verstehen.

Aussagen aus der Vergangenheit holen Kovac nun allerdings wieder ein. So hatte er sich nach dem Wechseltheater um die Dortmunder Ousmane Dembele und Pierre-Emerick Aubameyang mehrfach kritisch über den Werteverfall im modernen Fußball geäußert.

"Zu meiner Zeit gab es solche Sachen nicht. Wo gibt es denn so was, dass einer sagt: Ich komme oder ich komme nicht. Wo ist die Verantwortung geblieben? Wo ist der Vertrag, der zählt? Früher galt das gesprochene Wort. Inzwischen zählt ein Fünfjahresvertrag genauso wenig wie ein Halbjahresvertrag. Das ist sehr bedenklich", sagte er im kicker.

Niko Kovac wird bei der Eintracht nicht vertragsbrüchig

Nun wechselt er selbst vor dem Ende seines Vertrags. Seine Glaubwürdigkeit, betonte er, sei dadurch aber nicht beeinträchtigt: "Ich habe nicht kategorisch Nein gesagt und somit auch niemanden angelogen."

Kovac wird auch nicht vertragsbrüchig. Er hatte sich ja extra die Klausel für den Fall, dass ein solches Angebot käme, in den Kontrakt schreiben lassen. Ob das zum damaligen Zeitpunkt realistisch war oder nicht.

Aus Sicht des Kroaten ist es legitim, diese Chance wahrnehmen zu wollen. Bislang hat er seine Trainer-Karriere Schritt für Schritt aufgebaut, sich von Station zu Station verbessert. Die Bayern sind dabei der Höhepunkt einer Entwicklung.

Die Stationen der Trainer-Karriere von Niko Kovac

AmtsantrittAmtsaustrittVereinFunktion
01.07.201830.06.2021FC Bayern MünchenTrainer
08.03.201630.06.2018Eintracht FrankfurtTrainer
16.10.201309.09.2015KroatienTrainer
21.01.201316.10.2013Kroatien (U21)Trainer
08.04.201124.06.2012RB SalzburgCo-Trainer
17.06.200908.04.2011RB JuniorsTrainer

Und wer weiß, ob sie so schnell wieder kommt? Der Hype ist aufgrund seiner beeindruckenden Saison mit der Eintracht groß. Die Schwierigkeit, diese Leistung im kommenden Jahr mit einer wahrscheinlichen Mehrbelastung durch den Europapokal zu bestätigen, enorm. Zumal die Position bei den Bayern dann womöglich wieder langfristig besetzt sein wird.

Fredi Bobic kritisiert das Vorgehen des FC Bayern München

Das Kernproblem und die Hauptkritik ist jedoch nicht der Wechsel an sich. Sondern der Zeitpunkt der Verkündung. Und diese Kritik ist auch berechtigt, denn der ist für die Eintracht bitter.

Sportvorstand Fredi Bobic fand dazu am Freitagnachmittag klare Worte: "Der Zeitpunkt ist unglücklich. Dass Infos an die Öffentlichkeit gedrungen sind - sicher nicht aus Frankfurt - ist respektlos und gehört sich nicht. Das ist auch eine eindeutige Kritik nach München. Das war unprofessionell."

Der Schuldige ist für ihn klar. "Die Bayern haben an sich gedacht und keine Sekunde an Eintracht Frankfurt. Wir müssen uns auf ein wichtiges Spiel gegen Leverkusen konzentrieren. Die Vorgehensweise hier war extrem bedenklich. Es hat sich ja noch nicht mal jemand bei uns gemeldet. Die wollen ja was von uns", sagte Bobic. "Alles ist direkt in die Öffentlichkeit geraten. Das hat mit einem Miteinander nichts zu tun. Aber wenn man so arbeiten möchte, dann ist das so."

Kritik der Eintracht ist verständlich

Der Unmut der Frankfurter ist verständlich. In den nächsten fünf Wochen geht es um alles, womöglich sogar um den Einzug in die Königsklasse. Und wer weiß, wie die Situation wird, sollten die Frankfurter ins Pokalfinale einziehen und Kovac dann in seinem letzten Spiel für die Hessen auf seinen künftigen Arbeitgeber treffen.

Andererseits waren die Spekulationen ohnehin im Raum, die Unruhe da. Jetzt, da klare Verhältnisse geschaffen sind, können sich Kovac und sein Team voll auf das Wesentliche konzentrieren. Das will der Trainer in seinen letzten Wochen bei der Eintracht auch tun: "Ich habe zur Mannschaft gesagt, dass wir jetzt alles daran setzen unsere Ziele zu erreichen. Da lasse ich keine Ausreden gelten. Ich möchte aus Respekt vor Eintracht Frankfurt jetzt nicht mehr zu dem Thema sagen."

Bobic stimmte seinem Noch-Trainer zu: "Bei aller verständlichen Enttäuschung: Jeder, der Niko kennt, weiß, dass er bis zur letzten Sekunde alles für unseren Klub geben wird. Und das ist wichtig." Es ist der Versuch, die Situation zu retten. Der Versuch zu verhindern, dass die Ereignisse rund um Kovac dem Eintracht-Boliden auf der Zielgerade einen Plattfuß beschert.

Denn sollte die Eintracht die Ziele in der Liga und im Pokal verfehlen, hätte Kovacs Abgang mindestens einen faden Beigeschmack. Mindestens.

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