FCK-Idol Miroslav Kadlec im Interview: "Auf dem Betze hatte jeder Angst - auch Bayern"

Miroslav Kadlec (2.v.l.) feierte mit dem 1. FC Kaiserslautern zwei Meisterschaften und einen Pokalsieg.
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Kaiserlautern schlägt FC Bayern 1:0: "Der Sieg hat etwas ausgelöst"

SPOX: Am 1. Spieltag haben Sie beim FC Bayern München durch ein Tor von Michael Schjönberg gewonnen. Was hat dieses Erfolgserlebnis ausgelöst?

Kadlec: Die Auswirkungen des Sieges waren bei uns kein Thema. Natürlich war es ein Auswärtssieg bei den Bayern, aber es gab dafür auch nur drei Punkte. Nach dem Spiel sagte Otto in der Kabine: "Jungs, ihr dürft euch jetzt einen Tag freuen, aber ab übermorgen arbeiten wir konzentriert weiter. Es gibt noch lange keinen Grund abzuheben." Aber natürlich kann man im Nachhinein sagen, dass der Sieg etwas ausgelöst hat.

SPOX: Zum Beispiel einen Traumstart: Von den ersten acht Spielen gewannen Sie sieben und blieben ohne Niederlage. Hat sich eine Eigendynamik entwickelt?

Kadlec: Es ist klar, dass so eine Erfolgsserie etwas verändert. Die eigene Mannschaft entwickelt ein riesiges Selbstvertrauen und man spürt immer mehr, wie die Gegner Angst vor einem haben. Und zwar in jedem Spiel. Auf dem Betze hatte jeder Angst - auch die Bayern. Aber plötzlich zitterten die Knie des Gegners auch, wenn wir auswärts spielten. Und wir hatten auch die Qualität. Wir waren kein klassischer Aufsteiger, sondern eigentlich eine Bundesligamannschaft, deren Abstieg nur ein Betriebsunfall war. Außerdem war der Rhythmus ein Vorteil für uns.

SPOX: Erklären Sie.

Kadlec: Wir hatten immer eine Woche Zeit zur Vorbereitung, weil wir keine internationalen Spiele hatten. Dazu kommt, dass wir sehr häufig freitags spielten. Die Freitagsspiele hatte ich am liebsten.

SPOX: Aus welchem Grund?

Kadlec: Unter Flutlicht bei vollem Stadion herrscht eine besondere Stimmung. Es war ein Anreiz, am Wochenende frei zu haben und auf der Couch zu verfolgen, wie sich die Konkurrenz schlägt. Freitags haben wir meistens gewonnen und die Verfolger damit unter Druck gesetzt. Es ist für die anderen ein Unterschied, ob wir drei Punkte vorne sind oder plötzlich sechs. Das setzt sich in den Köpfen fest. Deswegen waren die vielen Freitagstermine ein großer Trumpf.

Miroslav Kadlec: Hoffenheim- und Leipzig-Spieler "waren zu jung"

SPOX: Seit damals gab es mit Hoffenheim und Leipzig zwei Aufsteiger, die ebenfalls beeindruckend in ihre erste Saison gestartet sind, bei denen es am Ende jedoch nicht zur Meisterschaft reichte. Was hat diesen Teams gefehlt, was Sie damals hatten?

Kadlec: Vor allem die Erfahrung. Beide Mannschaften hatten viele hochtalentierte Spieler, die aber zu jung waren. Bei uns waren Michael Ballack oder Marco Reich auch große Talente, die eine wichtige Rolle spielten. Aber diese Jungs sind nicht das Fundament, auf dem du große Erfolge aufbauen kannst. Die Meisterschaft entscheiden die Routiniers. Vor allem im letzten Drittel der Saison geht es um alles. Otto sagte immer, in diesen Phasen braucht man sensible Antennen. Da kann Erfahrung der entscheidende Faktor sein.

SPOX: Zwischen dem 28. und dem 31. Spieltag gab es in Ihrer Meistersaison tatsächlich einen Durchhänger. Sie gewannen viermal nicht und die Bayern rückten von neun Punkten Abstand auf zwei heran. Hatten Sie die Befürchtung, dass das Team die Nerven verlieren könnte?

Kadlec: Natürlich beschäftigt man sich mit der Tabelle, aber Zweifel hatten wir nie. Wir haben uns immer gesagt, wir müssen konzentriert weiterarbeiten und das jeweils nächste Spiel gewinnen. Wir hatten immer alles in der eigenen Hand.

SPOX: Ab welchem Punkt haben Sie an die Meisterschaft geglaubt?

Kadlec: Wir wussten, dass wir Meister werden können. Es wäre naiv, das zu leugnen, wenn man schon 55, 60 Punkte hat. Aber die letzten Punkte sind immer die schwierigsten. Es war ein Vorteil, dass einige von uns das schon einmal mitgemacht hatten. Es ist wichtig, dass man nicht daran denkt, was in zwei, drei Wochen ist. Es geht immer darum: Wir müssen heute gewinnen, dann bereiten wir uns aufs nächste Spiel vor. Wenn man zu weit nach vorne schaut, geht es meistens schief.

SPOX: Am Ende ging es nicht schief. Der FCK feierte seine vierte Meisterschaft und Sie verließen den Verein als Legende. Hat der Titel Ihren Abschied erschwert oder erleichtert?

Kadlec: Gute Frage, es war tatsächlich ein bisschen von beidem. Auf der einen Seite wusste ich, dass die Mannschaft in der kommenden Saison Champions League spielen würde, was ich reizvoll fand. Außerdem kam nach meinem Abschied richtig viel Geld in den Verein. Die Spieler haben Gehaltserhöhungen bekommen und richtig gut verdient. Ich habe mich im Nachhinein häufig gefragt, ob ich noch ein, zwei Jahre hätte bleiben sollen. Andererseits war der Abschied mit der Meisterschale perfekt. Ich war in acht Jahren zweimal Deutscher Meister und einmal Pokalsieger. Ich weiß nicht, ob das noch einem anderen tschechischen Spieler gelungen ist.

Die Bundesliga-Tabelle der Saison 1997/1998

PlatzMannschaftSpieleSiegeRemisNiederlagenToreDifferenzPunkte
11. FC Kaiserslautern341911463:392468
2Bayern München34199669:373266
3Bayer Leverkusen341413766:392755
4VfB Stuttgart3414101055:49652
5FC Schalke 04341313838:32652
6Hansa Rostock341491154:46851
7Werder Bremen341481243:47-450
8MSV Duisburg3411111243:44-144
9Hamburger SV3411111238:46-844
10Borussia Dortmund3411101357:55243
11Hertha BSC341271541:53-1243
12VfL Bochum341181541:49-841
13TSV 1860 München341181543:54-1141
14VfL Wolfsburg341161738:54-1639
15Bor. Mönchengladbach349111454:59-538
16Karlsruher SC349111448:60-1238
171. FC Köln341061849:64-1536
18Arminia Bielefeld34881843:56-1332

SPOX: Seit 1998 ist der FC Bayern 14-mal Meister geworden, zuletzt sogar sechsmal in Folge. Glauben Sie, dass eine Außenseiter-Meisterschaft überhaupt noch möglich ist?

Kadlec: Möglich schon, aber ich würde die Wahrscheinlichkeit vielleicht auf 0,5 Prozent schätzen. Der Unterschied zwischen den Spitzenmannschaften und dem Rest ist mittlerweile zu groß. Bayern ist weit weg und dann kommen vier, fünf Mannschaften, die noch einmal deutlich über dem Rest stehen. Für einen Aufsteiger wird es künftig beinahe unmöglich sein, Meister zu werden.

Kadlec: Abstieg des FCK "ist Wahnsinn"

SPOX: In den 20 Jahren seit dem Titel ging es mit dem FCK bergab, seit Kurzem steht der erste Abstieg in die Drittklassigkeit fest. Wie sehr fühlen Sie mit Ihrem Ex-Klub?

Kadlec: Es ist klar, dass mich das bewegt. Was mit diesem Traditionsverein passiert, ist sehr bitter. Wenn ich sehe, dass der FCK Letzter in der 2. Liga ist und gerade einmal 26.000 Zuschauer ins Stadion kommen, tut mir das weh. In den letzten Jahren hatte es sich schon angedeutet.

SPOX: Wo sehen Sie die Gründe?

Kadlec: Es sind viele Fehler gemacht worden. Trainerwechsel, schlechte Transfers, Theater im Aufsichtsrat und im Vorstand, es gab einfach keine Kontinuität. Wenn ich sehe, wo der FSV Mainz 05 zu unserer Zeit war - im Gegensatz zum FCK war das ein Karnevalsverein. Und heute steht Mainz so viel besser da. Das liegt nur an der guten Arbeit des Managements. Was Christian Heidel in Mainz bewegt hat, ist aller Ehren wert. Das ist gar kein Vergleich mehr zum FCK. Für mich ist das unverständlich. Einen so großartigen Verein so in Grund und Boden zu führen, ist Wahnsinn.