Standardsituationen in der Bundesliga: Im ruhenden Ball liegt die Kraft

Robert Lewandowski (l.) schießt einen direkten Freistoß gegen den VfL Wolfsburg
© getty
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Ob es sich bei den Standards in dieser Saison um einen einmaligen Ausreißer nach oben handelt, oder ob sich der Trend bestätigt, gerade nach Ecken verstärkt zuzuschlagen, wird man erst in den nächsten Jahren einwandfrei sagen können.

Die zweite Frage ist: Welche Vereine profitieren ganz besonders vom Fokus auf die Standards? Und welche Klubs leiden in der Verteidigung am bittersten?

Standardtore - Bundesliga 2017/18
RangVereinToreTore nach Standardsin %Anteil Zuspiele**
1SC Freiburg20126043%
2Hertha BSC27155644%
3Hamburger SV1585347%
4Hannover 9628145047%
51. FC Köln1475044%
6Schalke 0430144749%
7Werder Bremen1674445%
8VfB Stuttgart1674450%
9Mainz 0524104245%
10Bor. Mönchengladbach30124050%
11RB Leipzig31113557%
12Eintracht Frankfurt2483345%
13FC Augsburg2893245%
14VfL Wolfsburg2273250%
15Bayern München44133066%
16Borussia Dortmund40123064%
171899 Hoffenheim2982853%
18Bayer Leverkusen3992353%

**Prozentualer Anteil der Pässe des Teams in einer Partie. In etwa vergleichbar mit Ballbesitz.

Wie man vielleicht vermuten könnte, sind es im Schnitt eher die spielschwachen Vereine, die gerade über die Standards zum Erfolg kommen. Niemand überlässt das Spielgerät so oft dem Gegner wie Freiburg, Berlin und Köln - und alle drei Klubs befinden sich unter den Top 5, was ihre Erfolge nach Standards angeht. Die Breisgauer markierten bis zum 19. Spieltag unglaubliche 60 Prozent ihrer Tore nach ruhendem Ball.

Umgekehrt treffen die spielbestimmenden Teams wie Bayern oder Dortmund prozentual sehr viel seltener durch Standards, auch Leipzig, Hoffenheim oder Leverkusen sind in dieser Hinsicht in der "unteren Tabellenhälfte" zu finden.

Obwohl die Bayern mit James mittlerweile einen waschechten Standard-Spezialisten in ihren Reihen haben und sich unter Jupp Heynckes ("Bei Standardsituationen sind wir in dieser Saison sehr gefährlich.") noch einmal gesteigert haben - gerade mal elf Standardtore unter Carlo Ancelotti in der vergangenen Saison -, treffen drei Teams nach Standards häufiger.

Ein weiterer interessanter Aspekt: In dieser Saison treffen Abwehrspieler vergleichsweise extrem häufig. 12,42 Prozent aller Tore wurden durch Verteidiger erzielt, nur dreimal waren es seit Beginn der Datenerfassung mehr. Schicken die Teams also einfach ihre baumlangen Innenverteidiger nach vorn? Erklärt das die vielen Tore nach Ecken? "Aus dem Spiel heraus lassen wir nicht viel zu, aber bei Standards versuchen die Gegner immer alles", lamentierte Hasenhüttl zuletzt.

Andererseits sind die Teams mit den treffsichersten Hintermannschaften (Gladbach und Mainz erzielen über ein Viertel aller Tore durch Abwehrspieler) in der obigen Tabelle genau in der Mitte zu finden.

Wie sieht es bei den Gegentoren aus?

Gegentore nach Standards - Bundesliga 2017/18
RangVereinGegentoreGegentore nach Standardsin %
1Bayer Leverkusen271452
21. FC Köln331648
3Mainz 05331648
4RB Leipzig281346
5Eintracht Frankfurt20945
6Hertha BSC271244
7Bayern München14643
8VfB Stuttgart241042
9FC Augsburg251040
10Hannover 96291138
111899 Hoffenheim27933
12Schalke 0425832
13Hamburger SV28932
14Werder Bremen25832
15Bor. Mönchengladbach30930
16VfL Wolfsburg24729
17Borussia Dortmund25728
18SC Freiburg33927

Erste Erkenntnis: Der hadernde Ralph Hasenhüttl hat nicht ganz Unrecht. Die Bullen sind bei den Gegentoren nach Standards weit vorn. Was aber soll Bayer Leverkusen sagen? Die Werkself trifft nicht nur so selten wie sonst kein Team durch Ecken, Freistöße und Co., sondern kassiert gleichzeitig auch als einziges Team über die Hälfte aller Gegentreffer, wenn sich der Gegner den Ball vorher hübsch zurechtgelegt hat. Es stimmt, über ein Drittel dieser Gegentreffer fielen allein in den zwei Spielen gegen die Bayern, dennoch ist die Statistik für Trainer Heiko Herrlich auf der Jagd nach dem Champions-League-Platz besorgniserregend.

Zweite Erkenntnis: Eine Tendenz bei spielstarken und -schwachen Teams lässt sich hier schwerer feststellen. Leverkusen und Leipzig lassen sich vergleichsweise leicht bezwingen, Gladbach und Dortmund stehen bei Standards aber sehr sicher. Die Kölner treffen bei eigenen Standards, kassieren andererseits aber eben auch häufig.

Dritte Erkenntnis: Lars Voßler ist immer noch ein Genie.

Freiburgs Co-Trainer Voßler ist ein Standard-Experte

Voßler ist seit vielen Jahren Co-Trainer von Christian Streich und im Breisgau für das Einstudieren von Standardstituationen zuständig. Das machte er schon vor der WM 2014 so gut, dass Hansi Flick in der Vorbereitung auf das Turnier in Brasilien Rat bei ihm suchte, nachdem die DFB-Elf vermehrt den ruhenden Ball trainieren wollte.

Voßler präsentierte ihm seine Ideen, Flick wiederum gab sie an Löw weiter. Das Ergebnis ist bekannt: Deutschland traf in Brasilien so oft wie kein anderes Team nach Standards - und wurde am Ende Weltmeister. "Sehr dankbar" sei man Streich und dem SC für deren Offenheit, erklärte Flick später in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Voßler und die Wichtigkeit von Standards in engen Spielen ist also längst kein Geheimnis mehr. Scheinbar kann ihm die Konkurrenz aber immer noch nicht das Wasser reichen: Keine Mannschaft trifft nach Standards prozentual so häufig wie der SC Freiburg - und niemand verteidigt diese Situationen so geschickt.

Mittlerweile werden sogar schon Talentscouts für viel Geld abgeworben. Da würde sich, gerade im Zuge der zunehmenden Spezialisierung im Training, vielleicht auch ein gewisser Co-Trainer anbieten.

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