Frank Wormuth im Interview zur Bundesliga: "Die Spieler haben kaum noch Ruhe am Ball"

Zweikämpfe gehören zu den wichtigsten Faktoren in Bundesligaspielen
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SPOX: Die Niveauarmut war nicht nur in der Liga zu erkennen, gerade international erlebt die Bundesliga ein schlechtes Jahr. Allein an den finanziellen Mitteln kann es vor allem bei den Europa-League-Teams nicht gelegen haben. Auffällig war schon eher, dass Teams wie Freiburg, Hoffenheim, Hertha und Köln mit der Rolle des Favoriten nicht umgehen konnten und zu wenige spielerische Lösungen hatten. Woran machen Sie das schwache Abschneiden der Bundesligisten im Europapokal fest?

Wormuth: Den Favoritendruck sehe ich nicht unbedingt als Ursache. Aber der Ansicht, dass unsere Vertreter im internationalen Fußball wenige spielerische Lösungen hatten, kann ich schon eher folgen. Aber woher sollten Sie diese auch haben, wenn in der Bundesliga zurzeit meist wie oben beschrieben gespielt wird? Vielleicht ist aber auch der Bundesliga-Alltag wichtiger gewesen als das internationale Geschäft. Freiburg und Köln spielen zum Beispiel um den Klassenerhalt.

SPOX: Das schwache Abschneiden in Europa hat viele Kritiker auf den Plan gerufen. Mehmet Scholl hat auf sehr polemische Art eine Diskussion über die Ausbildung im Nachwuchsbereich angestoßen und auch die Trainerausbildung kritisiert. Steckt nicht zumindest in der Nachwuchsthematik ein wahrer Kern? Hat der DFB in den letzten Jahren zu viele gleichförmige Spieler ausgebildet?

Wormuth: Erstens: Wir, und damit meine ich den DFB und seine Ausbilder samt U-Trainer, reden seit Jahren davon, dass wir Trainer wieder mehr auf das Eins-gegen-eins unserer Spieler in allen Ligen achten sollten - sowohl in der Offensive als auch in der Defensive. Dies haben wir schon mehrmals auf dem internationalen Trainerkongress des BDFL nach Welt- und Europameisterschaften in der Analyse mitgeteilt. Das formuliert der BDFL auch ständig in seinen Fortbildungen. Sie können dies sogar im Internet nachlesen. Zweitens: Der DFB kann keine Spieler gleichförmig ausbilden. Wie soll das gehen? Wir haben die Spieler doch nicht täglich in unseren Händen. Ein Stützpunkttraining findet nur montags statt und das auch nicht im ganzen Jahr. Zudem sind die NLZ-Spieler nicht in den Stützpunkten dabei. Und in den Nationalmannschaften hat man kaum Zeit zum Trainieren.

SPOX: Der DFB bildet nicht selbst aus, nimmt aber durch die Ausbildung der Trainer auch Einfluss auf die Arbeit in den Nachwuchsleistungszentren. Warum tut sich der deutsche Fußball so schwer, die Spieler im Eins-gegen-eins besser auszubilden?

Wormuth: Mehmet hat bezüglich der Dribbling-Verhinderung recht. Aber er weiß selbst, in welchem Dilemma die NLZ-Trainer stecken. Sie wollen Ausbildung mit Erfolg verbinden, weil es am Ende auch um die Trainer selbst geht. Hier haben wir ein Problem im System, dass wir aber nicht durch verbale Äußerungen verändern können, sondern nur strukturell von oben nach unten. Aber das ist ein sportpolitisches Thema und hier bin ich raus.

SPOX: Und die Kritik an der Trainerausbildung?

Wormuth: Dass Mehmet von "Gehirnwäsche" spricht, ist für mich komplett unverständlich, weil er dabei war und weiß, dass wir den Trainer in den Mittelpunkt der Ausbildung stellen. Das heißt, dass wir vom Wissen der Trainer leben und nur die Lücken gemeinsam füllen. Wir geben nichts vor, geschweige denn, dass wir die Trainer inhaltlich manipulieren.

SPOX: Sie haben schon erwähnt, dass die Trainer bei Misserfolgen schnell auf die Abschussliste kommen. Die Fluktuation auf dem Trainermarkt ist enorm hoch, 2017 wurden allein in der Bundesliga 17 Trainer entlassen. Sind die Klubs zu nervös und haben zu wenig Vertrauen in einen langfristigen Aufbau oder fehlt es an manchen Stellen an Kompetenz in der Führung, wie Matthias Sammer meint?

Wormuth: In Ihrer Frage steckt ja schon die Antwort. Ich widerspreche ungern einem Matthias Sammer, weil er einer der Experten in unserem Land ist, der Ahnung von der Materie hat.

SPOX: Mittlerweile werden auch (Co-)Trainer während der Saison abgeworben, wie beispielsweise Peter Hermann vom FC Bayern. Sollte es eine Wechselfrist analog zu den Spielern geben?

Wormuth: Das würde ja dazu führen, dass es keine Trainer-Beurlaubungen während der Wettkampfphasen mehr geben würde. Das wäre mal ein interessanter Test.

SPOX: Auch Ablösesummen sind für Trainer keine Seltenheit mehr. Bei einem möglichen Abschied von Julian Nagelsmann im Sommer steht eine Rekordablöse im Raum. Denken Sie, dass es gerechtfertigt ist und bald normal sein könnte, für Trainer auch zehn Millionen Euro zu zahlen?

Wormuth: Ich bin in einem freien Land mit Marktgesetzen aufgewachsen. Von daher sehe ich nichts Verwerfliches in Ablösesummen für Trainer, auch in der genannten Höhe nicht. Das ist alles eine Frage zwischen Käufer und Verkäufer. Und wenn die hohen Kosten sich auf die Ticketpreise niederschlagen würden, dann geht man eben nicht ins Stadion. Was glauben Sie, wie schnell ein Verein reagieren würde, wenn die Zuschauer fehlen, Sponsoren ob der leeren Stadien abspringen und die Einnahmen sich dadurch reduzieren? Alles eine Frage von Angebot und Nachfrage.

SPOX: Auch die Öffnungszeiten des Transferfensters für Spieler werden diskutiert. Fänden Sie es gut, wenn der Kader zum Start der Vorbereitung steht und man als Trainer weiß, mit welchen Spielern man wie arbeiten kann?

Wormuth: Da habe ich seit Jahren eine ganz klare Meinung: Sobald die Saison beginnt, muss die Wechselmöglichkeit beendet sein. Über arbeitslose Spieler würde ich mit mir diskutieren lassen.

SPOX: Mit dem FC Bayern und dem BVB suchen die zwei größten deutschen Klubs zur neuen Saison Trainer. Warum tun sie sich so schwer geeignetes deutsches Personal zu finden?

Wormuth: Wer sagt denn, dass sie suchen? Vielleicht haben sie schon gefunden? Wir haben genügend Trainer auf Weltklasse-Niveau. Diese haben nur nicht die entsprechenden Mannschaften.

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