"Ich habe jeden Tag durchgeweint"

Von Jochen Rabe
Raffael war erst elf Jahre alt, als er seine Familie verließ und auf eine Fußballschule ging
© getty
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SPOX: Das Zusammenspiel war so erfolgreich, dass Sie direkt wieder in die Bundesliga aufgestiegen sind. Warum haben Sie die Hertha nach dem erneuten Wiederabstieg 2012 dann endgültig verlassen und sind zu Dynamo Kiew gewechselt?

Raffael: Ich wollte nicht noch einmal in der 2. Liga spielen. In dieser Zeit ist Kiew auf mich zugekommen. Der Klub hat mir das Projekt vorgestellt und das klang sehr spannend. Sie wollten viele gute Spieler verpflichten, ich konnte in der Champions League spielen - und das war ein großer Traum für mich.

SPOX: So richtig angekommen sind Sie aber nie. Sie waren nur ein halbes Jahr im Verein ...

Raffael: Fünf Monate sogar nur. Vor Ort sind viele Dinge anders gelaufen, als sie mir versprochen wurden.

SPOX: Und zwar?

Raffael: Ich hatte sehr gute Gespräche mit dem Trainer geführt. Aber nach einem Monat ist er entlassen worden. Und der neue Trainer war komplett anders. Er hatte eine andere Idee und ich war nicht sein Spieler. Dazu war ich in der Anfangszeit verletzt und habe es nie geschafft, mich zu integrieren. Außerdem hat sich meine Familie in Kiew nicht wohl gefühlt. Es hat einfach von Anfang bis Ende nicht gepasst.

SPOX: Also haben Sie das Kapitel nach kürzester Zeit wieder beendet und sind auf Leihbasis zu Schalke gewechselt. Ein halbes Jahr bevor Sie zum dritten Mal dem Ruf von Lucien Favre gefolgt und zu Borussia Mönchengladbach gegangen sind ...

Raffael: Favre hatte auch schon angerufen, als ich noch in Kiew war. Aber Schalke war schneller, hatte bereits konkretere Vorstellungen und ein Angebot abgegeben. Deswegen bin ich dort hingegangen. Schalke war eine Bauchentscheidung.

SPOX: Richtig rund lief es auf Schalke nicht.

Raffael: Am Anfang war es schwierig, weil ich nach meiner Verletzung aus der Zeit in Kiew noch nicht 100 Prozent fit war. Also musste ich mich erst einmal darauf konzentrieren, fit zu werden - und das im Winter, in dem ich mich sowieso nicht am besten fühle. Aber als ich fit war, habe ich gespielt und wir haben unser Ziel erreicht. Ich würde nicht so ein negatives Fazit ziehen. Das halbe Jahr war sicherlich kein Misserfolg für mich.

SPOX: Dennoch sind Sie im Sommer dann dem Ruf von Favre gefolgt und zur Borussia gewechselt, zu einer besonderen Station in Ihrer Karriere ...

Raffael: ... auf jeden Fall die Beste! (lacht)

SPOX: Offenbar, immerhin sind Sie bereits seit viereinhalb Jahren hier. Was war Ihr emotionalster Moment mit der Borussia?

Raffael: Oh, das waren so viele. Ein Spiel, das ich niemals vergessen werde, war unser Sieg im Mai 2015 gegen Werder Bremen, mit dem wir die Champions League erreicht haben. Wir haben 2:0 gewonnen und ich habe beide Tore gemacht. Dieser Moment war fantastisch. Dafür spielst du Fußball. Auch die beiden Siege gegen den FC Bayern im gleichen Jahr waren sehr speziell. Ein Sieg gegen Bayern ist immer ein Feiertag.

SPOX: Wie haben Sie die Zeit erlebt, als Favre im Herbst 2015 überraschend nach fünf Niederlagen zum Auftakt zurückgetreten ist?

Raffael: Die ersten drei, vier Tage danach war ich offen gesagt sehr traurig, weil ich nicht erwartet hätte, dass er zurücktritt. Ich glaube, das hat keiner erwartet. Mit ein bisschen Abstand hatte ich Verständnis für seinen Schritt. Das gehört auch zum Fußball. Wenn es nicht so gut läuft, werden Trainer häufig entlassen, also sollten sie auch die Möglichkeit haben, selbst zurückzutreten, wenn sie es für richtig halten.

SPOX: Haben Sie seitdem mit ihm über seine Entscheidung von damals gesprochen?

Raffael: Wir haben uns etwa ein Jahr danach getroffen. Aber über das Thema haben wir nicht gesprochen. Da ging es eher um die Familie, darum wie es so läuft, um die Zukunft. Wir haben noch regelmäßig Kontakt, aber sein Rücktritt liegt in der Vergangenheit, darüber sprechen wir nicht mehr.