"Afrika würde vielen Leuten guttun"

Yussuf Poulsen wird mit RB Leipzig künftig in der Champions League spielen
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SPOX: Sie sollen Rangnick bei Ihrer ersten Begegnung gleich wie im Dänischen üblich geduzt haben.

Poulsen: Wir Dänen sind halt entspannter. Nur die Königin duzt man nicht, aber mit der hatte ich auch noch nicht so viel zu tun. (lacht) Es macht mir bis heute Schwierigkeiten, in Deutschland die Menschen zu siezen. Ich war es so gewohnt und das hat mir nie Probleme bereitet. Ralf Rangnick hat das damals auch nicht großartig gestört, denn er konnte sich wohl denken, dass das in Dänemark nicht verbreitet ist.

SPOX: Als der Transfer zu Leipzig publik wurde, gab es bei Emil Forsberg in seiner schwedischen Heimat kritische Stimmen, weil er in die zweite deutsche Liga wechselte, wie er im SPOX-Interview verriet. Wie war das bei Ihnen?

Poulsen: Genauso. Ich war damals der einzige Zweitligaspieler in der U21-Nationalelf und alle sagten, ich werde in ein paar Jahren in der A-Nationalmannschaft spielen. Daher hieß es: Wieso wechselt er dann in die deutsche 3. Liga? Für mich war das aber natürlich kein Rückschritt, auch wenn das die Medien so verkauft haben. Die Mentalitäten in Schweden und Dänemark ähneln sich ein bisschen: Da glauben viele, sie seien die Weltbesten. Man muss auch realistisch bleiben - für die Bundesliga war ich einfach noch zu schlecht. Und in Deutschlands 3. Liga gibt es genug Vereine, die in der 1. Liga in Dänemark mithalten könnten. Nach 15 Monaten in Leipzig habe ich dann mein Debüt in der A-Nationalelf gegeben. Von daher war der Wechsel offensichtlich nicht so verkehrt.

SPOX: In Leipzig haben Sie mit Joshua Kimmich eine Wohngemeinschaft gegründet. Das war Rangnicks Idee, oder?

Poulsen: Ja. Das war im Nachhinein gesehen eine der besten Entscheidungen in dieser Anfangszeit, denn das hat mir sehr geholfen. Ich war zum ersten Mal weg von zu Hause und Jo hatte in Stuttgart ausschließlich in der Akademie gewohnt. Ich war 19, er 18, da hat das schon Sinn ergeben. Wir hatten auch schon zwischenzeitlich Zimmer an Zimmer im Hotel gewohnt. Wir verstanden uns einfach auf Anhieb und dazu sprach er gut Englisch.

SPOX: Nach ein paar Monaten in Leipzig haben Sie vor einem Spiel in Chemnitz das Abschlusstraining um 14 Uhr verschlafen und wurden daher aus dem Kader gestrichen. Wie haben Sie das denn eigentlich hingekriegt?

Poulsen: Ich bin an diesem Tag ganz normal aufgestanden und habe zusammen mit Jo gefrühstückt. Danach bin ich zurück in mein Zimmer und habe mich nochmal ins Bett gelegt. Ich schlafe einfach sehr gerne. (lacht) Erst habe ich eine Serie geschaut und nebenher meinen Handy-Wecker gestellt. Irgendwann bin ich eingeschlafen. Das Problem war, dass mein Handy dann ein automatisches Software-Update gestartet und sich dadurch ausgeschalten hat.

SPOX: Und die Wecker-Funktion war dahin.

Poulsen: Genau, das Ding hat einfach nicht mehr geklingelt.

SPOX: Wieso hat Kimmich Sie nicht geweckt?

Poulsen: Er war zu dieser Zeit verletzt und musste früher als ich am Trainingsgelände sein. Ich bin erst aufgewacht, als unser Teammanager plötzlich in meinem Zimmer stand. Er hatte sich den Schlüssel von Jo besorgt.

SPOX: Diese Episode ist bald vier Jahre her. In dieser Zeit sind Sie eines der Gesichter bei RBL geworden und genießen ein riesiges Standing. Sie sind mit dem Klub zwei Mal aufgestiegen, Vizemeister geworden und spielen künftig in der Champions League. Reizt es Sie, langfristig zu bleiben und damit sozusagen zur ersten Leipziger Vereinslegende der Neuzeit zu werden?

Poulsen: Im Fußball ist nichts vorgegeben. Es kann sein, dass ich in dieser Saison das Tor nicht mehr treffe oder auf einmal 30 Buden mache. Ich habe keine Ahnung, daher sind Prognosen immer schwierig. Wenn sich der Verein und ich gleichermaßen und kontinuierlich entwickeln, ohne dass ein größerer Qualitätsunterschied besteht, ist das eine Möglichkeit. Ausschließen möchte ich das auf jeden Fall nicht.

SPOX: Auch Timo Werner wird in Leipzig gefeiert, seit seiner Schwalbe gegen Schalke hat sein Ruf in Deutschland allerdings schwer gelitten. In vielen Stadion ist er persönlich angefeindet worden. Wie blicken Sie auf solche Entwicklungen?

Poulsen: Solche schon fast absurden Entwicklungen sind ja leider in der gesamten Gesellschaft zu beobachten. Sehr vieles wird unglaublich dramatisiert, bekommt eine entsprechende Dynamik und Hysterie, jeder hat zu Dutzenden Themen eine Meinung. Das Ganze ist durch die globale Digitalisierung und die dazugehörige Anonymität natürlich noch weiter verschärft worden.

SPOX: Was sagt das für Sie aus?

Poulsen: Für mich war der Umgang mit Timo vollkommen unverständlich. Selbstverständlich ist der Fußball emotional, das wird er hoffentlich auch bleiben. Timo hat einen Fehler gemacht, den hat er eingesehen und sich dafür entschuldigt. Natürlich muss man als Mensch in der Öffentlichkeit damit klarkommen, aber immer gleich den Holzhammer auszupacken und draufzuhauen, kann doch auch nicht die Lösung sein. Man wird doch mit 20 Jahren auch einmal einen Fehler machen dürfen, schließlich ist kein einziger Mensch auf der Welt fehlerfrei. Was mich beeindruckt hat, ist wie Timo direkt danach gezeigt hat, wie man sich aus einer solchen Phase befreien kann - mit Toren und starken Leistungen.

SPOX: Seine Tore wird RBL auch in der kommenden Saison benötigen. Durch die erstmalige Teilnahme am internationalen Wettbewerb wird vor allem das Thema Doppelbelastung ein großes sein. Was wird sich verändern, um diese Herausforderung zu meistern?

Poulsen: Es steht fest, dass wir deutlich mehr rotieren werden als im Vorjahr. Anders geht es bei dieser Belastung auch fast gar nicht. Damit müssen wir im ersten Schritt erst einmal klarkommen. Es wird auch Ansätze in unserer Spielweise geben, um sie ökonomischer zu gestalten. Wir werden anders als in der letzten Saison auch mal gleich von Beginn an deutlich mehr Ballbesitz haben. Den müssen wir so gestalten, dass er effizient ist, aber wir auch Spielphasen haben, in denen wir uns erholen können, ohne den Ball zu verlieren. Genau diesen Entwicklungsschritt müssen wir machen. In der letzten Rückrunde ist uns das schon gut gelungen, jetzt gilt es, weiter daran zu arbeiten und es auszubauen.

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