"Ich habe nicht so gerne gegen Ribery gespielt"

Juri Judt spielte in seiner aktiven Zeit nicht gerne gegen Franck Ribery
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SPOX: 2011 sind Sie vom Club in die Regionalliga zu RB Leipzig gewechselt. War die rasante Entwicklung damals bereits abzusehen?

Judt: Die Richtung war klar vorgegeben und es war vorhersehbar, dass dort etwas Großes entstehen würde. Aber dass es innerhalb so kurzer Zeit so schnell nach oben geht, konnte man nicht erwarten. Da muss man vor Leuten wie Ralf Rangnick den Hut ziehen. Er hat in diesem Verein an den richtigen Stellschrauben gedreht.

SPOX: Rangnick ist etwa zeitgleich mit Ihnen in den Verein gekommen.

Judt: Genau. Geholt hat mich zwar noch Peter Pacult. Aber ihn habe ich nur etwa eine Woche kennengelernt. Dann hat Herr Rangnick Alexander Zorniger als Trainer geholt und es ging nur noch bergauf.

SPOX: Es hätte auch ganz anders laufen können. Das Relegationsspiel gegen Lotte ist erst in der Verlängerung entschieden worden.

Judt: Allerdings. Das sind Nuancen, die in solchen Spielen über die Zukunft eines Vereins entscheiden. Hätte man in dieser Situation den Aufstieg verpasst, würde RB Leipzig heute möglicherweise noch in der 2. oder sogar 3. Liga spielen. Aber es ist anders gekommen und jetzt spielen sie bald Champions League. So eng ist das manchmal beisammen.

SPOX: Wie schnell hat man neben Personalentscheidungen auch strukturell den Einfluss von Rangnick in Leipzig gespürt?

Judt: Er hat seine Ideen schon sehr schnell eingebracht. Er hat stark auf die Ernährung der Spieler geachtet, die Trainingsbedingungen, Hotels - die ganze Infrastruktur war schon damals zu Regionalligazeiten erstligareif. Aber ich habe nicht erwartet, dass es so schnell nach ganz oben geht.

SPOX: Nach Leipzig hatten Sie ein kurzes, unglückliches Engagement in Saarbrücken, das Sie selbst als Fehler bezeichnet haben, sind dann in Erfurt aber noch einmal aufgeblüht. Dort haben Sie wie in der Jugend im zentralen Mittelfeld gespielt, was Ihnen den Spitznamen "Philipp Lahm Erfurts" eingebracht hat. Eine treffende Beschreibung?

Judt: Das ist ein weit hergeholtes Kompliment. (lacht) Das nimmt man gerne an, aber ich bin ein Typ, der das einordnen kann. Die zwei Jahre in Erfurt waren eine super Zeit. Dort habe ich mich fußballerisch am wohlsten gefühlt.

SPOX: Tatsächlich?

Judt: Ja, es hat riesigen Spaß gemacht. Im Umfeld war zu spüren, dass Erfurt ein Arbeiterverein ist, der sich das Geld mühsam erarbeiten muss. Der Verein muss jedes Jahr um den Klassenverbleib zittern. Das schweißt die Leute zusammen, dort packt jeder mit an. Und auch in der Mannschaft waren alles einwandfreie Charaktere. Da habe ich schon wahnsinnig wohlgefühlt. Aber letztlich habe ich mich dazu entschlossen, den Vertrag in Erfurt nicht zu verlängern und einen komplett anderen Weg einzuschlagen.

SPOX: Der Journalist und Schriftsteller Ronald Reng hat über Sie gesagt, Sie hätten sich während Ihrer Karriere stets mit der Frage gequält, ob Fußballprofi so ein toller Beruf sei. Wie würden Sie diese quälende Frage aus heutiger Sicht beantworten?

Judt: Es ist definitiv ein toller Beruf. Aber es gibt natürlich auch Nachteile. Zum Ende meiner Karriere kam meine Familie dazu, meine Frau und zwei Kinder. Da muss man irgendwann Prioritäten setzen. Entweder Du spielst weiter und dafür kommt die Familie zu kurz oder Du schlägst einen komplett anderen Weg ein und lernst etwas Vernünftiges.

SPOX: Für Letzteres haben Sie sich entschieden und eine Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt begonnen. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Judt: Das war eher zufällig. Ich habe mitbekommen, dass das Landesamt für Statistik seinen Hauptsitz von München nach Fürth verlagert. Dann habe ich mich einfach mal drauflosbeworben. Das hat super funktioniert und so bin ich dort gelandet. Bis jetzt habe ich diesen Schritt nicht bereut.

SPOX: Sie haben zu Beginn der Saison noch für Seligenporten gespielt, haben dann aber Ihre Karriere beendet, weil Sie sich voll auf Ihre Ausbildung konzentrieren wollten.

Judt: Naja, die Karriere habe ich nach dem Engagement in Erfurt beendet. Da habe ich mich entschieden, den Fokus vom Fußball wegzunehmen. Als ich in Seligenporten zugesagt habe, hat der Verein noch in der Bayernliga gespielt. Der Aufwand wäre verhältnismäßig überschaubar gewesen. Aber sie sind aufgestiegen. Das hat die Situation verändert. Ich wollte erst einmal schauen, wie es läuft. Aber ich habe schnell festgestellt, dass mir drei bis vier Mal Training in der Woche plus Spiele einfach zu viel sind. Zumal die Spiele ja nicht immer um die Ecke sind.

SPOX: Also haben Sie sich gesagt, Sie möchten keinen ganzen Wochenendtag opfern, wenn Sie schon die ganze Woche arbeiten.

Judt: Genau das war die Überlegung. Wenn ich einen so hohen Aufwand betreiben und so den Fokus von Ausbildung und Familie wegnehmen wollte, hätte ich ja auch in Erfurt weiterspielen können.

SPOX: Gibt es Faktoren am Profileben, die Sie vermissen?

Judt: Eigentlich nicht. Ich habe das freie Wochenende zu schätzen gelernt. Das ist schon Gold wert. Ich schufte mich gerne in der Woche 40 Stunden ab und weiß dann, dass ich am Wochenende frei habe.

SPOX: Wie zufrieden sind Sie damit, wie Ihre Ausbildung läuft?

Judt: Am Anfang war es eine Umstellung, die Woche über im Büro zu sitzen oder auf Klausuren für die Berufsschule zu lernen. Aber ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt und der Alltag ist eingekehrt. Ich würde mich auf jeden Fall wieder so entscheiden.

Juri Judt im Steckbrief

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