"Völler würde heute 32 Millionen kosten"

Von Maximilian Schmeckel
Zwei Legenden des Fußballsports: Otto Rehhagel und Rudi Völler
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Frage: Welche Qualitäten muss denn ein Trainer mitbringen, um besagte gute Spieler zu Titeln zu führen?

Rehhagel: Als Trainer musst du mit Menschen umgehen können. Das ist die Kunst und wichtiger als alles andere. Wir haben in Deutschland die vielleicht beste Trainerausbildung der Welt. Über die tatsächliche Qualität als Trainer sagt der Notenschnitt beim Erlangen des Trainerscheins aber nichts aus. Denn neben fachlicher Kompetenz zählt mehr als alles andere der Umgang mit der Mannschaft. Wie erreicht man sie, wie spricht man mit den einzelnen Spielern?

Frage: Worauf muss man dabei achten?

Rehhagel: Oftmals wird vergessen, dass du als Trainer nicht deinen einen Stil durchziehen und bei allen anwenden kannst. Zu manchen Spielern musst du härter sein, zu anderen sanfter. Ich hatte einige starke Persönlichkeiten als Spieler: Andreas Herzog, Rudi Völler, Mario Basler. Mit denen muss man anders umgehen als mit Miro Klose. Das Schönste ist für mich, dass alle besagten Spieler, egal ob die Lauteren wie Basler oder ein Leiserer wie Klose meine Freunde geworden sind - und das bis heute sind.

Frage: Welcher der aktuellen Trainer beeindruckt Sie am meisten?

Rehhagel: Jürgen Klopp, der einerseits eine sehr gute Personalpolitik betreibt und andererseits genau das verkörpert, was ich eben angesprochen habe: Er erreicht seine Mannschaften, lebt Emotionen wie kein Zweiter.

Frage: Das trifft auch auf Julian Nagelsmann zu.

Rehhagel: Man darf nicht vergessen, dass es so einen Trend mit jungen Trainern schon einmal gab. Als ich Bundesliga-Trainer wurde, war ich 36. Damals gab es eine ganze Hand voll junger Trainer in der Bundesliga wie Heinz Höher oder Erich Ribbeck. Was zählt ist, ob man den Respekt der Mannschaft hat. Und den hat Julian Nagelsmann ganz offensichtlich. Er leistet bei Hoffenheim tolle Arbeit. Letztlich muss man aber auch sagen: Er ist jung und hat noch nichts erreicht. Deswegen sollte man ihn einfach in Ruhe arbeiten lassen. Denn ein großer Trainer ist man erst, wenn man auch mal etwas gewonnen hat.

Frage: Sie haben eine ganze Menge gewonnen. Was war der schönste Titel Ihrer Karriere?

Rehhagel: Ich muss ganz klar sagen, dass alle Titel schön waren. In dem Moment der Titelgewinne fühlt man sich immer wieder großartig. Für die Öffentlichkeit war der EM-Gewinn mit Griechenland natürlich der größte Triumph meiner Laufbahn, märchenhaft! Ganz besonders war für mich aber auch die Meisterschaft mit Bremen 1988, zwei Jahre nachdem Kutzop seinen Elfmeter verschoss und wir alle am Boden waren. Jeder Titel hat etwas Besonderes, weil man mit ihm etwas ganz Persönliches verbindet. Emotional war auch meine Meisterschaft mit Kaiserslautern 1998. Wenn mir jemand, als ich Spieler dort war, gesagt hätte, dass ich eines Tages als Trainer mit Lautern Deutscher Meister werde, hätte ich das nie geglaubt.

Frage: Wer Ihrer vielen Spieler war der Beste?

Rehhagel: Wynton Rufer. Der konnte alles. Links? Perfekt. Rechts? Perfekt. Kopfball? Perfekt. Schnelligkeit? Der Schnellste. Technik? Begnadet. Er war das Herzstück des tollen Teams, mit dem wir 1989 den SSC Neapel mit 5:1 schlugen, der mit Maradona den besten Spieler dieser Zeit hatte. Mit ihm zusammen habe ich die Deutsche Meisterschaft gewonnen, zweimal den DFB-Pokal und 1992 den Europapokal.

Frage: Miro Klose war aber auch nicht schlecht.

Rehhagel: Eines Tages kam mein Assistent zu mir und sagte: "Otto, ich hab' da einen Spieler, der ist der Wahnsinn. Den musst du dir mal anschauen." Das war Miroslav Klose. Am Dienstag kam er dann zum Training und am Samstag habe ich ihn schon aufgestellt. Der Rest ist Geschichte. Er hat eine noch größere Karriere als Michael Ballack gestartet, der damals medial viel mehr thematisiert wurde. Klose war technisch perfekt und immer schon Torjäger und Spielmacher in einer Person. Er war so gesehen seiner Zeit voraus. Auch zwischenmenschlich war er etwas Besonderes und hat niemals die Bodenhaftung verloren.

Frage: Nach Kloses Rücktritt herrscht in der Nationalmannschaft Notstand. Hat Deutschland ein Stürmerproblem?

Rehhagel: Letztlich verstehe ich diese Debatte um ein angebliches Problem oder die falsche Neun nicht. Denn diese wendigen, kleineren Spielertypen gab es schon immer. Und genau so gibt es auch heute noch Torjäger, die eher klassischer auftreten. Deutschland hatte immer große Stürmer und die wird es auch in Zukunft geben. Man muss als Trainer immer gucken, wie man aus den Spielern, die man hat, das Beste macht. Und wenn ich mir die Qualität anschaue, die wir in Deutschland haben, dann sehe ich eine Weltklasse-Mannschaft. Völlig unabhängig davon, ob man derzeit einen klassischen Strafraumstürmer hat oder nicht.

Frage: Fehlen Ihnen denn Typen, die auch dazwischenhauen können?

Rehhagel: Dazwischenhauen ist auch so ein Ausdruck der Medien. Was soll das heißen? Wichtig ist die Qualität des Spielers. Anführer müssen der Mannschaft helfen. Sie sind nur ein Teil eines Teams. Als Trainer muss man immer sehen, wer spielerisch was drauf hat und wer wie tickt. Daraus muss man dann ein Team formen. Und Anführer finden sich immer. Ich glaube nicht, dass ein Mario Basler ein besserer oder schlechterer Anführer als Toni Kroos war. Daher finde ich diese ganze Debatte unverständlich.

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