"Raiola ist ein Vorbild in der Branche"

Damals bei Juve: Mino Raiola (M.) mit seinen Schützlingen Zlatan Ibrahimovic (l.) und Pavel Nedved
© imago
Cookie-Einstellungen

SPOX: Berater werben um immer jüngere Spieler. Haben Sie persönlich eine Altersgrenze festgelegt, die für Sie noch vertretbar ist?

Minovgidis: Das geht heutzutage schon in der U9 oder U10 los, was ich für sehr bedenklich halte und für viel zu früh. Ich selbst scoute erst ab der U15 nach Talenten und verfolge diese über einen längeren Zeitraum. Wichtig ist es, ein Gefühl für den Spieler zu entwickeln und von ihm überzeugt zu sein. Neben dem sportlichen Talent entscheiden später auch Charakter und Willensstärke über den Erfolg als Fußballer. Die letzten beiden Komponenten entwickeln sich erst in den späten Jugendjahren eines Spielers.

SPOX: Wie werden Sie auf diese Spieler aufmerksam? Sind Sie selbst auf den Sportplätzen unterwegs, um zu sichten?

Minovgidis: Ich erhalte natürlich den einen oder anderen Tipp von Trainern oder anderen Kontakten. Mir ist es aber wichtig, den Spieler selbst zu sichten und mir dann eine Meinung zu bilden. Entsprechend versuche ich, so viele Spiele wie möglich anzuschauen. Dabei haben die bestehenden Klienten natürlich Vorrang, mit guter Planung lassen sich aber viele Termine kombinieren. Ob das die Bundesligen der U19 und U17 sind, die U15-Regionalligen, U-Länderspiele oder Partien der U23-Mannschaften der Bundesligisten: Ich bin auf vielen Sportplätzen unterwegs. Das beschränkt sich aber hauptsächlich auf die höheren Ligen. Ein Ausnahmetalent in der Bezirksliga findet man heute kaum noch.

SPOX: Geben Sie Ihren Spielern eigentlich regelmäßig Feedback zu ihren erbrachten Leistungen? Schließlich ist für Sie vor allem der Marktwert Ihres Klienten von Interesse.

Minovgidis: Regelmäßige Spielanalysen sind sehr wichtig. Oft habe auch ich Fragen, warum bestimmte Entscheidungen im Spiel getroffen wurden und welche Idee dahinter steckte. Da wird dann schon mal intensiv diskutiert.

SPOX: Also äußern Sie auch deutliche Kritik an Ihrem Spieler?

Minovgidis: Selbstverständlich. Das Ziel ist es aber nicht, den Spieler in die Pfanne zu hauen, sondern mit konstruktiver und ehrlicher Kritik weiterzubringen.

SPOX: Es ist jetzt Mitte Oktober, der 1. Januar naht in großen Schritten. Denkt man da als Berater schon wieder ans Transferfenster?

Minovgidis: Ja, jetzt geht es zum Winterfenster hin wieder richtig los. In der nächsten Zeit gilt es, für die zahlreichen Termine mit den Klubs perfekt vorbereitet zu sein.

SPOX: Inwiefern?

Minovgidis: Als Berater analysiere ich die Kader der Klubs, bevor ich mich in die Gespräche begebe. Die Verantwortlichen wissen es zu schätzen, wenn sich ein Berater mit ihrer Kaderstruktur beschäftigt und nicht wahllos Spielermappen auf den Tisch knallt.

SPOX: Wie wichtig ist den Klubs neben der sportlichen Qualität auch der Markenwert eines neuen Spielers?

Minovgidis: Der Markenwert wird immer wichtiger. Ein verpflichteter Topspieler verstärkt nicht nur die Mannschaft, sondern auch die PR-Kraft des Vereins. Das eröffnet neue Vermarktungsmöglichkeiten. Der Marktwert eines Spielers definiert sich nicht mehr ausschließlich über die sportliche Leistungsfähigkeit. Habe ich einen im Gesamtpaket passenden Spieler, schlage ich ihn dem Klub vor.

SPOX: Und dann stehen Sie vermutlich in Konkurrenz zu vielen anderen Beratern, die das Gleiche mit ihren Spielern vorhaben.

Minovgidis: Richtig. Die Vereine bekommen täglich teilweise 50 oder sogar mehr Mails von Vermittlern und Beratern. Auch jetzt schon, wo die Saison eigentlich gerade erst begonnen hat. Entsprechend gilt es, sich frühzeitig vorzubereiten und die Vereine rechtzeitig über die Situation seiner Spieler zu informieren.

SPOX: Sobald man als Berater aber dann im Büro eines Klubmanagers sitzt, stehen die Chancen eines Transfers wahrscheinlich recht gut ...

Minovgidis: Ein Deal ist erst ein Deal, wenn der Vertrag von allen Parteien unterschrieben ist. Das musste ich auch schon schmerzhaft erfahren. (lacht)

SPOX: Wie meinen Sie das?

Minovgidis: 2014 hatte ich den Transfer eines Spielers in die erste griechische Liga mündlich schon abgewickelt. Der Vertrag war bereits ausgehandelt, der Flug gebucht. Als ich am Flughafen ankam, wurde ich plötzlich telefonisch informiert, dass der Verein pleitegegangen war und Insolvenz anmelden musste. Natürlich waren alle Vereinbarungen hinfällig.

SPOX: Hat das dem Spieler die Karriere verbaut?

Minovgidis: Nein. Heute spielt er hier in Deutschland in der 2. Liga.

SPOX: Haben Sie manchmal eigentlich moralische Bedenken? Ein bestehender Vertrag des Spielers hindert Sie ja nicht daran, andere Vereine zu kontaktieren, oder?

Minovgidis: Natürlich gilt es, Verträge zu respektieren. Deshalb sucht man zunächst das Gespräch mit dem aktuellen Verein, um zu erfahren, wie der mit dem jeweiligen Spieler plant. Moralisch zu handeln, bedeutet für mich neben der Wahrung von Vertragsrichtlinien aber auch die Interessenvertretung meines Spielers. Bei auslaufenden Verträgen ist das unkomplizierter. Dann besitzt der Spieler ein halbes Jahr vor Ablauf des Arbeitspapiers das Recht, einen neuen Vertrag auszuhandeln und zu unterschreiben. Für Verträge, die zum 30. Juni enden, ist der 1. Januar also der Stichtag.

Inhalt: