Scherbenhaufen mit Ansage

Viktor Skripnik wurde auf unrühmliche Weise bei den Bremern entlassen
© getty

Die Entlassung von Viktor Skripnik bei Werder Bremen ist sportlich der richtige Schritt, vor allem das Drumherum zeigt aber, wie tief der Klub gesunken ist. Sportchef Frank Baumann und Aufsichtsratschef Marco Bode haben enorm an Glaubwürdigkeit eingebüßt - und seit Monaten konsequent die falschen Entscheidungen für den Verein getroffen. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur David Kreisl.

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Gegrübelt hatte Viktor Skripnik schon oft und viel, sogar mal seinen Rücktritt angeboten. Ob er der Richtige für den Trainerjob bei Werder sei, daran zweifelte der Ukrainer in den vergangenen Monaten immer wieder. Gedanken, die es in der Chefetage der Bremer offensichtlich nicht gab: Im Juli überredete man Skripnik zu bleiben. Und sogar seinen Vertrag vorzeitig zu verlängern.

Jetzt, zwei Monate später, ist Skripnik nicht mehr Trainer des SV Werder Bremen. Und es passt nur zu gut in das desolate Bild, dass die Norddeutschen derzeit abgeben, dass man dem Coach sein Schicksal noch auf dem Nachhauseweg vom verheerenden 1:4 gegen Gladbach offenbarte. "Wir sind auf der Busfahrt zu der Entscheidung gekommen, Viktor freizustellen", sagte Frank Baumann.

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Sportlich ist das die richtige Entscheidung. Um das zu sehen, braucht es weder eine Brille noch die fachliche Kompetenz, die man als Entscheidungsträger im Profifußball vorweisen können sollte. Die vogelwilde Defensive, das peinliche Pokal-Aus gegen Drittligist Lotte sowie die Vorstellungen gegen Bayern (0:6) und eben Gladbach, die man selbst als hartgesottenster Fan nur mit viel Galgenhumor ertragen konnte, machten diese Entscheidung alternativlos.

Doch Vorgeschichte, Zeitpunkt und das gesamte Drumherum rücken Sportchef Frank Baumann und Aufsichtsratschef Marco Bode in ein mehr als schlechtes Licht.

Romantisch - und krachend falsch

Zum einen, weil es erst Bode war, der im Mai Skripnik-Kritiker Thomas Eichin als Sportchef vom Hof jagte, um mit Baumann neben sich und Skripnik die dritte Werder-Ikone in einer Führungsposition zu installieren. Das mag eine wunderbar romantische und für alle Parteien gemütliche Lösung gewesen sein - wie sich aber bezüglich Skripnik schon nach nicht einmal einem halben Jahr zeigt: eine krachend falsche.

Was übrigens ein Großteil des Umfelds und der Fanszene auch so sah. Dort herrschte seit längerem der Tenor: Will man sich nicht wieder im Abstiegsstress wiederfinden, ist der Ukrainer als langfristige Lösung nicht der richtige Mann, seine Entlassung war demnach absehbar und nur eine Frage der Zeit.

Weit mehr als nur bedenklich war ebenso die Bremer Außendarstellung. Während man seit geraumer Zeit vergeblich auf Stellungnahmen des Aufsichtsratschefs wartet, redete sich Sportchef Baumann in fataler Weise um Kopf und Kragen.

Die Tabellensituation habe "jetzt noch keine Aussagekraft", man könne "erst nach acht Spielen ein seriöses Zwischenfazit ziehen", man habe "Geduld aus Überzeugung". All das posaunte Baumann in den vergangenen Wochen in die Welt hinaus und legte nach dem Gladbachspiel noch nach: "Wir sind von Viktor überzeugt und das hat nichts mit seiner persönlichen Vergangenheit zu tun."

In Anbetracht der tatsächlichen Vorgänge sind das keine Schönrednereien oder vagen Statements; es sind beinahe Lügen gewesen, die Baumanns Reputation und Glaubwürdigkeit deutlich angekratzt haben dürften.

"Leck mich..."

Und so steht man jetzt - mal wieder - vor einem Scherbenhaufen. Die komplette Saisonvorbereitung unter Skripnik darf als obsolet angesehen werden, Interimscoach Alexander Nouri erhält eine bis ins Mark verunsicherte und dysfunktionale Mannschaft, die nach drei Spieltagen mit null Punkten und 2:12 Toren am Tabellenende steht.

Im Angesicht der englischen Woche dürfte das doppelt weh tun, auch wenn Frank Baumann ausrief, "in Ruhe" nach dem nächsten Coach suchen zu wollen - und damit die nächsten Kopfschüttler erntete.

Wenigstens Skripnik muss das alles nicht mehr interessieren. Ob der Ukrainer, dem bereits wieder eine Tätigkeit im Juniorenbereich in Aussicht gestellt wurde, noch lange trauern wird, darf bezweifelt werden. So sagte der doch vor nicht allzu langer Zeit: "Das soll ein Traumjob sein? Leck mich..."

Viktor Skripnik im Steckbrief