Michels, Weber, Schrey: Tuchels Wir

Thomas Tuchels Helfer: Benjamin Weber, Arno Michels und Rainer Schrey (v.l.n.r.)
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Rainer Schrey (56), Athletiktrainer, seit 2006 im Profibereich

Vorherige Stationen:

  • Athletiktrainer TSG 1899 Hoffenheim (Juli 2006-Juni 2010)
  • Athletiktrainer 1. FSV Mainz 05 (Juli 2011-Juni 2014)

"Wer flotte Sprüche hören will, muss nach München gehen. Wer flotten Fußball sehen will, der ist hier richtig." Diesen flotten Spruch äußerte Ralf Rangnick im Dezember 2008.

Rangnick war Trainer in Hoffenheim und führte den Bundesliga-Aufsteiger sensationell zur Herbstmeisterschaft. Seine Mannschaft, die jüngste der Liga, war mit vertikalem Hochgeschwindigkeitsfußball und laufintensivem Pressing tief in der gegnerischen Hälfte enorm erfolgreich und erstaunte die Branche.

Rainer Schrey war derjenige, der die Kraichgauer Kicker dazu brachte, dieses gewaltige Pensum Partie für Partie abspulen zu können. Schrey kam 2006 auf Geheiß des neuen Trainers Rangnick zur TSG, damals kickte der Klub noch in der Regionalliga.

Der Athletiktrainer ist nicht nur erfahrener Kenner seines Fachs, sondern auch ein wahrer Allrounder. Das geht allein aus Schreys Vita hervor. Er studierte an der Sporthochschule Köln und war anschließend vier Jahre lang an den Instituten für Trainingswissenschaften, Sportmedizin, Biomechanik und Physiologie als wissenschaftlicher Mitarbeiter angestellt.

Zu dieser Zeit betrat er erstmals das Gebiet des Fußballs. Zwei Jahre lang betreute Schrey die damaligen Zweitligakicker von Fortuna Köln, dieselbe Dauer hatte sein späteres Engagement bei den Kölner Haien im Eishockey.

Ab 1989 war Schrey fast 18 Jahre am Olympiastützpunkt Rhein/Main in Frankfurt tätig. Dort arbeitete er mit Leichtathleten, Volleyballern, Ringern und den Hockey-Nationalteams zusammen. Diese Stationen ermöglichten es Schrey, seine sportartenübergreifenden Erfahrungen und Inhalte mit in den Fußball zu bringen, in dem er mittlerweile seit zehn Jahren arbeitet.

Schreys Aufgabe: Periodisierung

In Hoffenheim war Schrey, der fließend niederländisch und auch etwas isländisch spricht, besonders in den Gebieten Leistungsdiagnostik und Biomechanik unterwegs. Mit den Jahren wurde besonders unter Tuchel sein Einfluss immer größer, die Aufgaben immer facettenreicher.

"Fußball ist äußerst komplex und setzt sich aus vielen komplett unterschiedlichen Bausteinen zusammen", sagt Schrey. "Der Trick ist, wie bei einem Auto an verschiedenen Stellschrauben zu drehen, um die Gesamtleistung bei der Fahrt unter teilweise extremen Bedingungen zu erhöhen. Für den Sportler bedeutet das: Training außerhalb der Komfortzone."

Unter dem Begriff "komplexe athletische Dynamik" fasst Schrey den Schwerpunkt seiner Trainingslehre zusammen. Im Gegensatz zu früheren Epochen, wo monoton Kondition gebolzt wurde, hat das Athletiktraining längst Einzug in so gut wie jede Trainingseinheit gefunden.

Da die fußballspezifische Belastung permanent azyklisch ist (traben, sprinten, abstoppen, aufstehen etc.), fällt Schrey die Aufgabe der Periodisierung zu. Er unterscheidet in Vorbereitungs- und Wettkampfphasen. Mittels GPS-Daten kann er die athletische Leistungsfähigkeit des Einzelnen ermitteln und beurteilen. Schrey muss die Belastungen planen, steuern, überwachen, auswerten und steht dazu nicht nur im Austausch mit Tuchel, sondern auch den Teamärzten und Therapeuten.

Powerfußball braucht Powerernährung

So werden die Spieler systematisch und kontinuierlich über das gesamte Jahr athletisch betreut. Das Training wird ständig individuell angepasst, um langfristig ein höheres Leistungsniveau zu erreichen. Essentiell ist dabei die enge Abstimmung mit den fußballerischen Trainingsinhalten des Chefcoachs - sowohl individuell betrachtet, als auch was die Steuerung des gesamten Teams angeht.

Heutzutage würde bloße Ausdauer, also viel laufen zu können, auch nicht mehr ausreichen, um das oberste Level zu erreichen. In den letzten 30 Jahren hat sich die Gesamtlaufleistung im Fußball nämlich nur unwesentlich erhöht, die explosiven, dynamischen Läufe in Hochgeschwindigkeit dagegen verdoppelten sich nahezu.

Um diesen Ansprüchen zu genügen, muss auch außerhalb des Trainingszentrums professionell gearbeitet werden. Ohne sportlergerechte Ernährung und Regeneration würden alle Bemühungen nie fruchten.

"Powerfußball braucht Powerernährung", sagt Schrey. Ballaststoffreiche Vollkornprodukte, Hochleistungsgetreidesorten statt Weißbrot, Verzicht auf Industriezucker - für die Dortmunder Profis zu Saisonbeginn eine gehörige Veränderung. "Ich halte mich nun eben auch privat intensiv an die neuen Vorgaben. Das ist mitunter auch nicht immer einfach, gerade am Anfang", verriet Marcel Schmelzer im SPOX-Interview.

"Vielleicht kann man Erfolg nicht planen..."

Ziel ist es, durch einen sinnvollen Kalorienmix aus Kohlenhydraten, Eiweiß und Fetten wie beispielsweise langkettigen Omega-3-Fettsäuren die Bausteine Fitness, Regeneration und Verletzungsprophylaxe zu erhöhen.

Dabei ist Regeneration nicht gleichbedeutend mit ausruhen oder nichts tun, sondern geht aktiv vonstatten - wenn man das Thema Schlaf einmal ausklammert. Unmittelbar nach Spielschluss sieht man Schrey noch im Stadion das Auslaufen der Ersatz- und Einwechselspieler anleiten. Anschließend geht es in die Eistonne oder zur Massage. Während dieser wichtigen ersten Stunde nach der Belastung werden zudem noch bestimmte isotonische (Elektrolyt-)Getränke gereicht, damit sich die geleerten Speicher der Muskeln wieder auffüllen können.

Als Schrey 2010 in Hoffenheim aufhörte, legte er ein Jahr Pause ein, schrieb währenddessen das Buch "Die perfekte Fußballschule: Athletik & Ernährung" und hospitierte bei Vereinen in Deutschland, England oder Portugal.

Schrey, der auch Mitglied der "Expertenkommission Fitness" des DFB war und sich selbst als Quälgeist bezeichnet, hat einen Leitspruch. "Vielleicht kann man Erfolg nicht planen - Leistung aber ganz bestimmt!", lautet dieser. Blickt man auf die bislang so erfolgreiche Saison von Borussia Dortmund, ist beides eingetroffen.

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