Michels, Weber, Schrey: Tuchels Wir

Thomas Tuchels Helfer: Benjamin Weber, Arno Michels und Rainer Schrey (v.l.n.r.)
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Benjamin Weber (32), Videoanalyst, seit 2006 im Profibereich

Vorherige Stationen:

  • Videoanalyst 1. FSV Mainz 05 (Juli 2006-Juni 2015)
  • Chefscout 1. FSV Mainz 05 (Juli 2011-Juni 2015)

Als unten alle staunten, wie akribisch Thomas Tuchel den Platz im Sommertrainingslager in Bad Ragaz abschritt und aufbaute, hatte Benjamin Weber längst unbemerkt seinen Platz auf dem Dach des Sportheims Ri-Au eingenommen.

Ausgestattet mit Stativ und einer handelsüblich anmutenden Kamera verfolgte Weber jede Einheit aus dieser Perspektive und hielt ohne Pausen fest, was das schwarzgelbe Ensemble auf dem Rasen einübte.

Das Filmen ist gewissermaßen die Basis von Webers Job, den er mittlerweile seit über zehn Jahren ausübt. Dabei war der Plan lange Zeit zunächst ein anderer: Weber brachte in jungen Jahren alles mit, um eine Karriere als Tennisprofi einzuschlagen.

Bis zum Alter von 18 Jahren reiste er mit eigenem Team um die Welt, spielte bei großen Jugendturnieren und schaffte es in der Weltrangliste bis auf Position 35 seines Jahrgangs. Eine chronische Entzündung der Bizepssehne machte ihm letztlich einen Strich durch die Rechnung.

Der Weg war damit frei für ein Studium der Sportwissenschaften in Mainz, die Diplomarbeit verfasste Weber zu "Spielbeobachtung im Tennis". Um finanziell über die Runde zu kommen, verdingte er sich in den Wintermonaten als Skilehrer, im Sommer gab er den Tenniscoach.

Kramny und Runjaic lernen Weber ein

Daraufhin begann Weber, als freiberuflicher Video-Journalist für "Kemweb" zu arbeiten. Diese Medienproduktionsfirma zeichnete die Partien des 1. FSV Mainz 05 auf, Weber stieß 2006 dazu. Im ersten Schritt arbeitete er Jürgen Klopps langjährigem Co-Trainer Peter Krawietz zu, der das aufgezeichnete Material zusammenschnitt.

Aus Webers zunächst technischer Rolle wurde jedoch schnell auch eine inhaltlich-analytische. Er wurde in die Scoutingabteilung versetzt und erfüllte nach dem Ende der Ära Klopp unter Nachfolger Jörn Andersen die Rolle von Krawietz.

Andersens Co-Trainer Jürgen Kramny, heutiger Chefcoach des VfB Stuttgart, half Weber dabei, die inhaltlichen Dimensionen seines neuen Aufgabenfelds besser zu verstehen. Weber arbeitete daraufhin enger mit Ex-Kaiserslautern-Trainer Kosta Runjaic zusammen, beide beobachteten und analysierten die Partien der Mainzer Gegner.

Als Tuchel letztlich 2009 das Ruder übernahm, rutschte Weber, der nebenher gerade seine Examensprüfung in Psychologie ablegte, ins Trainerteam. Ab 2011 war er fester Bestandteil. Seine Aufgaben sind damals wie heute identisch: er fängt mit den an unterschiedlichen Standorten positionierten Kameras das Geschehen auf dem Platz ein, schneidet die drei auffälligsten Erkenntnisse der ersten Halbzeit zusammen und führt das Ergebnis der Mannschaft in der Pause vor.

Ruht der Ball wieder, kommen Nach- und Vorbereitungen hinzu. "Am Tag nach dem Spiel will ich immer schon was zum nächsten Gegner haben, damit ich dem Trainer sagen kann, welches Thema dann besonders wichtig wird und er sich am freien Tag Gedanken machen kann, welche Elemente er ins Training aufnimmt", erklärt Weber.

Tuchel "ein echter Fußballlehrer"

Im Laufe der Trainingswoche vertieft Weber seinen Ansatz und seziert die Gegner nach wiederkehrenden Spielmustern, Positionen von Ballgewinnen und -verlusten, wie sich Torgelegenheiten ergaben oder wo wie oft gesprintet wurde. "Von Donnerstag an bin ich schon beim übernächsten Gegner. Da ich sonntags ja auch noch das eigene Spiel vom Samstag schneiden muss, bin ich innerhalb einer Woche immer mit drei Mannschaften beschäftigt", sagt Weber.

Nach Tuchels Abgang aus Mainz veränderte sich seine Rolle unter Kasper Hjulmand noch einmal bedeutend. Ein Sabbatical kam für Weber nicht in die Tüte, "das hätte ich mir schon gar nicht leisten können", wie er schmunzelnd erklärt. Hjulmand, der spielphilosophisch eine gänzlich andere Herangehensweise als Tuchel verfolgte, brachte Weber großes Vertrauen entgegen. "Plötzlich war ich der Einzige in unserem Trainerstab mit Bundesligaerfahrung. Hjulmand hat mich beispielsweise gefragt, welchen Spieler ich für den Kader nominieren würde und welchen nicht."

Das Experiment Hjulmand scheiterte, Martin Schmidt übernahm, Weber blieb und dann klingelte das Telefon. Tuchel war am anderen Ende und fragte Weber, ob er nicht mit nach Dortmund kommen wolle.

"Mir war sofort klar, dass ich das Angebot, als Videoanalyst in den Trainerstab der Borussia zu wechseln, annehme. Eine solche Chance gibt es kein zweites Mal. Und ich muss sagen, es ist schon eine Ehre, dass der aktuell vielleicht beste deutsche Trainer mit mir zusammenarbeiten will. Er fordert und motiviert nicht nur die Spieler, sondern auch das Team um das Team. Man kann sehr viel von ihm lernen, auch fürs Leben. Er ist der beste Chef, den man sich vorstellen kann. Er ist sehr loyal, sehr fleißig und sehr ehrgeizig. Ein echter Fußballlehrer", sagt Weber.

Doch Weber muss sich nicht großartig unter den Scheffel stellen, auch seine Entwicklung ist beeindruckend. Im Mai feiert er seinen 33. Geburtstag. "Es ist gar nicht so lange her, da musste ich noch als Double für unseren damaligen Schlussmann Dimo Wache auf dem Mannschaftsbild einspringen", blickt Weber auf seine Anfänge zurück.