Kovac und das Kontrastprogramm

Niko Kovac bekommt einen Vertrag bis 2017. Gültig ist dieser jedoch nur für die Bundesliga
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Nur zwei Tage nach der Entlassung von Armin Veh hat Eintracht Frankfurt seinen neuen Trainer präsentiert: Niko Kovac. Der Kroate war einst für Red Bull Salzburg und die kroatische Nationalmannschaft tätig. Jetzt soll er die SGE vor dem Abstieg retten. Erreichen will Kovac den Klassenerhalt mit Kompaktheit und schnellem Umschaltspiel.

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Es kam nicht unbedingt überraschend, dass am Dienstagmittag nicht Jose Mourinho im Pressesaal der Frankfurter Eintracht auftauchte und sich als neuer Trainer der SGE vorstellte. Marco Russ dürfte es trotzdem getroffen haben. Am Samstag, aufgewühlt vom zurückliegenden Remis gegen den FC Ingolstadt, sagte der Ersatz-Kapitän noch: "Ich bin überzeugt davon, dass wir es nur mit Armin Veh da unten raus schaffen. Oder vielleicht mit Jose Mourinho."

Es kam bekanntlich anders. In der Nacht zum Sonntag wurde Veh, der bis zuletzt weite Teile der Mannschaft hinter sich wusste, entlassen; bereits am Dienstag der neue Trainer vorgestellt. Und der heißt natürlich nicht - wie von Russ mit Galgenhumor gefordert - Jose Mourinho sondern Niko Kovac. Kovac also. Kovac soll die Eintracht, die nach sieben sieglosen Spielen auf den Relegationsplatz abgestürzt ist, vor dem drohenden Abstieg retten.

Da saß er also, geblendet von all den Blitzlichtern, die auf ihn gerichtet waren - und sagte erstmal nichts. Das erste Wort hatte nämlich der Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen. Und dann kam Sportdirektor Bruno Hübner an die Reihe und der äußerte durchaus Bemerkenswertes. Bereits im Sommer war Kovac Kandidat bei der Eintracht, tat er allgemein Bekanntes kund, und fügte erstaunlich offen an: "Seitdem wurde der Kontakt gehalten, sich immer wieder getroffen und die Entwicklung der Eintracht besprochen." Hübner tauschte sich also regelmäßig mit Kovac über die Mannschaft aus, die unterdessen mit Trainer Veh in den Tabellenkeller schlitterte.

"Voll im Bilde"

Es wirkt fast so, als hätte sich die Eintracht Kovac schon früh und ganz bewusst als Joker für den Fall der Fälle bereitgelegt. Nicht umsonst dauerte es nach der Entlassung von Veh nur zwei Tage, ehe Kovac als neuer Übungsleiter vorgestellt wurde. Kovac kennt also die Mannschaft und das ist sicherlich von Vorteil. Der 44-Jährige befasste sich in den vergangenen Wochen und Monaten mit der SGE und sagte: "Ich bin voll im Bilde."

Umso klarer dürfte Kovac sein, mit was für einer schwierigen Aufgabe er es zu tun hat. Die Eintracht wirkte zuletzt arg verunsichert und darüber hinaus extrem abhängig von Toptorjäger Alex Meier, der derzeit verletzt fehlt.

Veh propagierte stets Offensivfußball - er ist ein Freund des schönen Spiels, der steten Ballzirkulation. Im Abstiegskampf führt das jedoch oftmals direkt ins Verderben. So auch bei der Eintracht. Vehs Konzept funktionierte nicht. Die Mannschaft wirkte konfus und der Trainer wollte sich nicht an die neuen Umstände anpassen - auch daran scheiterte er letztlich. Das weiß auch sein Nachfolger Kovac.

"Fehlende Kompaktheit ist das größte Problem"

"Wir müssen die Fehler, die begangen wurden - die taktischen und die Stellungsfehler - aufarbeiten", sagte Kovac und deutete so bereits an, worauf es ihm zu Beginn naturgemäß ankommen wird: die Defensivarbeit.

Bei seiner Vorstellung sagte er Sachen wie: "Das größte Problem der Mannschaft ist die fehlende Kompaktheit." Oder auch: "Das Umschaltspiel ist sehr wichtig, da werden wir ansetzen müssen." Und: "Wir wollen, wenn es möglich ist, Fußball spielen - das gehört dazu."

Die Anfügung der letzten Aussage spricht Bände. Schnell zeichnet sich ein Bild, wie Kovac spielen lassen will: Er will ein Kontrastprogramm zum Veh-Fußball schaffen. Er legt vorrangig Wert auf eine gesicherte Defensive und schnelle Konter. Im Abstiegskampf wohl nicht der schlechteste Ansatz.

Bei seiner vergangenen und bisher einzigen Station als Vereinstrainer wurde ihm dieser taktische Ansatz zum Verhängnis. Von 2009 bis 2012 arbeitete Kovac für Red Bull Salzburg. Erst betreute er die Reserve in der zweiten österreichischen Liga, später assistierte er Cheftrainer Ricardo Moniz.

Alles oder nichts

Nach dessen Abschied deutete alles auf einen Aufstieg von Kovac zum Cheftrainer hin. Dann wurde jedoch Ralf Rangnick als Sportdirektor verpflichtet und dieser machte mehr als deutlich, dass Kovac mit seiner Spielphilosophie nicht kompatibel ist. Der Kroate musste den Verein verlassen. Später, als TV-Experte, äußerte sich Kovac regelmäßig negativ zum Salzburger Offensivpressing.

Erneut trat er den Weg in den Juniorenbereich an, diesmal beim kroatischen Verband. Gemeinsam mit seinem Bruder Robert betreute er die U21, ehe das Duo im Herbst 2013 zur A-Nationalmannschaft bestellt wurde.

Ähnlich wie jetzt bei der Eintracht hieß es auch damals: Alles oder nichts. Und Kovac siegte. In den Playoff-Spielen setzte er sich mit der kroatischen Nationalmannschaft gegen Island durch und qualifizierte sich so für die Weltmeisterschaft in Brasilien.

Trotz einer namhaften Mannschaft mit Spielern wie Luka Modric, Ivan Rakitic oder Mario Mandzukic scheiterte Kroatien dort in einer Gruppe mit Brasilien, Mexiko und Kamerun. Auch die folgende Qualifikation für die EM 2016 verlief enttäuschend. Im vergangenen Herbst wurde Kovac nach einer 0:2-Pleite gegen Norwegen entlassen.

Neun Spiele Zeit

Ein normaler Vorgang im Fußball-Business. Doch dann wurde es gehässig. "Wenn sich die Einstellung der Spieler nicht verändert, wird die Qualifikation schwer", sagte Kovac und griff seine Mannschaft somit direkt an. Die Schuld für das Versagen wies Kovac von sich: "Taktik ist für mich nicht nötig. Wenn man Herz hat, dann benötigt man keine Taktik. Dann ist es egal, ob man mit einem oder zwei oder drei Stürmern spielt." Ungewöhnliche Aussagen für einen Trainer.

Bei Eintracht Frankfurt trifft Kovac auf eine Mannschaft, die bis zuletzt hinter Armin Veh stand. "Das spricht für den Charakter des Teams", sagte Kovac, "ich sehe das positiv." Schnellstmöglich muss er versuchen, die Mannschaft zu überzeugen und für sich zu gewinnen.

Es bleiben knapp zwei Monate. Es blieben exakt neun Spiele. Sollte der Klassenerhalt nicht gelingen, müsste Kovac den Verein wohl schon wieder verlassen. Sein Vertrag bei der Eintracht läuft zwar bis Sommer 2017 - gültig ist dieser aber lediglich für die Bundesliga.

"Für den Klub zerreißen"

Dies will Kovac nicht als mangelndes Vertrauen, sondern eher als Zeichen seiner Entschlossenheit gewertet wissen. "Ich kann niemanden erreichen, wenn ich mir ein Hintertürchen offen halte", sagte Kovac. Absolute Konsequenz lebt er vor und verlangt Ähnliches auch von seiner Mannschaft. Kovac sprach von "Hingabe, Leidenschaft, Disziplin und Respekt" und will, dass sich seine Spieler "für den Klub zerreißen".

Bei all diesen Ausführungen sprach Kovac selten in der Ich-Form, viel öfter aber in der Wir-Form. Ihn und seinen Bruder Robert meinte er damit, der ihm assistieren wird. Es ist ein eingespieltes Duo. "Mein Bruder und ich haben ein sehr gutes und enges Verhältnis, wir haben dieselbe Art, den Fußball zu sehen", sagte Niko Kovac.

Am Samstag bekommen erstmals die Frankfurter Fans diesen Fußball zu sehen, wenn die SGE bei Borussia Mönchengladbach antritt. Schon eine Woche später kommt es zum Abstiegsgipfel gegen Hannover 96. Kovac ist direkt gefordert - Zeit sich an das neue Umfeld erst zu gewöhnen, bleibt kaum. Als gebürtiger Berliner beherrscht er zumindest die Sprache perfekt. Bei Mourinho wäre das anders gewesen.

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