"Nuri Sahin hat Angst vor Hunden"

Marcel Schmelzer spielt bereits seine elfte Saison für Borussia Dortmund
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SPOX: Sie sagten, dass Sie sich vorgenommen haben, noch intensiver eine Führungsrolle im Team zu beanspruchen. Ist das überhaupt Ihr Ding, denn ein Lautsprecher werden Sie wohl nicht mehr werden?

Schmelzer: Wir haben mit Sebastian Kehl und Jakub Blaszczykowski zwei reife Spieler verloren, so dass es in meinem Alter einfach mein Anspruch sein muss, mehr Verantwortung zu übernehmen. Ich halte mich grundsätzlich schon lieber im Hintergrund auf, das öffentliche Reden ist nicht wirklich meins. Ich muss auch nicht ständig meinen Kopf in die Kameras halten. Ich sehe meine Aufgabe stattdessen eher darin, intern den Zusammenhalt und Teamgeist der Mannschaft voran zu bringen, so dass ein gesundes Gleichgewicht entsteht und sich wirklich jeder wohl fühlt. Mit Mats Hummels haben wir die perfekte Lösung als Kapitän. Hinter ihm sind wir vier, fünf Spieler, die sich mit Mats zusammen schon mindestens sieben Jahre kennen. Wir vertrauen uns gegenseitig extrem und können uns offen die Meinung sagen. Daher fällt es uns leicht, gemeinsam einen Weg für die Truppe vorzugeben.

SPOX: Gibt es Charaktereigenschaften, die Sie gerne etwas ausgeprägter an sich sehen würden?

Schmelzer: Ich bin zufrieden mit meiner Rolle innerhalb der Mannschaft. Ich wäre als Mensch aber gerne noch etwas selbstbewusster, was mein Auftreten angeht.

SPOX: Wie meinen Sie das?

Schmelzer: Ich bin eher vorsichtig und zurückhaltend, schaue mir die Dinge lieber erst einmal mit etwas Abstand an. Das wird mir aber häufig und schnell als Desinteresse ausgelegt. Es würde mir deshalb etwas besser gefallen, wenn meine Wirkung oder Ausstrahlung in solchen Fällen nicht auf diese Weise herüberkommen würden.

SPOX: Was Ihnen sicherlich auch gefallen würde, ist eine geringere Anzahl an Verletzungen. Häufig haben Ihnen muskuläre Probleme zu schaffen gemacht. Gehört es diesbezüglich zur Prävention, dass Sie zusammen mit Ihrer Frau einen Yogakurs begonnen haben?

Schmelzer: Ja, ich hoffe es. Ich habe mir Gedanken gemacht, wie ich diese Geschichten etwas besser in den Griff bekomme. Ich dehne die entsprechenden Bereiche nun auch ausgiebiger, aber habe nach Gesprächen mit Spielern auch Yoga hinzugenommen. Es hieß, man würde sich freier und beweglicher fühlen. Es werden auch ganz andere Muskelgruppen beansprucht, so dass man mit ihnen mehr aus der Körpermitte heraus arbeitet.

SPOX: Wer hat Sie dazu bewegt, etwa Thomas Tuchel?

Schmelzer: Nein, damit habe ich bereits zu Zeiten von Jürgen Klopp begonnen. Die Lehrerin hat uns noch Markus Feulner vermittelt.

SPOX: Das Ergebnis kann sich sehen lassen: die Beschwerden in diesen Problembereichen konnten Sie zuletzt reduzieren.

Schmelzer: Ich habe es auch früher vor lauter Adrenalin nicht immer gemerkt, wenn ich mich im Spiel verletzt habe. Dann spielte ich durch und habe es sozusagen noch schlimmer gemacht. Jetzt ist es wirklich deutlich besser geworden und es scheint bergauf zu gehen. Ich war daher mit meinem Jahr 2015 persönlich sehr zufrieden.

SPOX: Wenn schon Thomas Tuchel nicht den Anstoß in Sachen Yoga gab, welcher Einfluss des neuen Trainers hat denn auf Sie die bislang größte Wirkung erzielt?

Schmelzer: Die Ernährungsumstellung. Ich achte nun viel extremer und bewusster darauf. Zuvor habe ich schon auch hin und wieder Dinge zu mir genommen, auf die ich einfach Lust hatte - was aber nicht heißen soll, dass ich mich ungesund ernährt habe. Ich halte mich nun eben auch privat intensiv an die neuen Vorgaben. Das ist mitunter auch nicht immer einfach, gerade am Anfang. Um es aber mal vereinfacht auszudrücken: wenn ich mich sechs Tage lang daran halte, kann ich am siebten Tag auch mal etwas Außerplanmäßiges zu mir nehmen. Es macht Spaß, weil man einfach Veränderungen an sich wahrnimmt.

SPOX: Das ist nicht nur an Ihrem Körper abzulesen, sondern auch an Ihrem Spiel. Vor einem Jahr stand der BVB noch auf Platz 18. Waren Sie im Februar 2015 ein anderer Spieler als jetzt?

Schmelzer: Ich fühle mich nun einige Kilo leichter und befreiter. Wir haben gesehen, wenn wir uns an diese kleinen Details, die der Trainer vorgibt, halten, dann gewinnen wir die meisten Spiele. Vor einem Jahr lag der Fokus ausschließlich darauf, vom Kämpferischen her alles zu geben. Das Spielerische hat zu diesem Zeitpunkt letztlich niemanden mehr interessiert. Es ging nur darum, dem Schlamassel zu entkommen, an Europa hatte niemand von uns gedacht. Man musste in dieser Phase alle belastenden Begleitumstände so gut es geht ausblenden, doch das ist eben kaum zu 100 Prozent möglich.

SPOX: Zu wie viel Prozent ist es denn wahrscheinlich, dass Sie Ihren 2017 auslaufenden Vertrag in Dortmund verlängern werden? Gab es schon Gespräche?

Schmelzer: Die kommen noch, zumal wir einige Spieler im Kader haben, deren Verträge 2016 oder 2017 auslaufen. In der Wintertransferperiode standen jetzt auch andere Themen im Vordergrund.

SPOX: Wie ist Ihr Befinden?

Schmelzer: Ich kann mir auf jeden Fall sehr gut vorstellen, zu verlängern. Das Heimatgefühl ist da, ich fühle mich pudelwohl und werde wohl auch nach der Karriere hier wohnen bleiben. Der Verein, die Mannschaft, die Fans - ich kann mir eigentlich nichts Schöneres vorstellen.

SPOX: Eigentlich?

Schmelzer: Ehrlich gesagt grüble ich häufiger. Ich mache mir Gedanken darüber, ob ich mir nicht nach der Karriere die Frage stellen werde, wieso ich nie gewechselt bin oder es nicht zumindest probiert habe. Ich spreche mit meiner Frau und meinen engsten Freunden darüber, aber am Ende werde ich das mit mir alleine ausmachen müssen.

SPOX: Dieser Reiz des Neuen hat Ihren Mitspieler Gonzalo Castro nach 16 Jahren in Leverkusen nur knapp 80 Kilometer weiter ziehen lassen. Wäre das auch für Sie denkbar?

Schmelzer: Nein. Wenn ich überhaupt wechseln würde, dann ins Ausland. Mir ginge es dann darum, eine vollkommen neue Erfahrung zu machen. Nicht nur, was den Verein angeht, sondern ich würde dann auch gerne ein neues Land, eine neue Kultur und eine andere Sprache kennenlernen wollen. Ich kann mir auch vorstellen, beim BVB jetzt noch einmal zu verlängern und diese Sache dann danach erst anzugehen. Es müssen nicht unbedingt England oder Spanien sein. Auch etwas ganz Exotisches ist denkbar, um den Kontrast zu Europa deutlicher zu spüren.

SPOX: Bleiben wir in Deutschland: Ihr letzter Einsatz für die Nationalelf liegt im März bereits zwei Jahre zurück. Im vergangenen Herbst kursierte kurzzeitig eine Falschmeldung, wonach Sie für die beiden EM-Qualifikationsspiele gegen Polen und Schottland nominiert worden seien. Ist das auch bis zu Ihnen gedrungen?

Schmelzer: Ja. Thomas Tuchel hatte mir vom Telefonat mit Joachim Löw erzählt und gesagt, dass ich nicht dabei sein werde. Ich wusste das also bereits einen Tag vorher. Trotzdem ist auf einmal mein Handy explodiert, ich bekam etliche Glückwünsche zugeschickt. Ich habe das am Anfang überhaupt nicht verstanden und in Zusammenhang bringen können. (lacht) Ich musste dann selbst noch einmal genauer nachschauen, aber ich war letztlich richtig informiert.

SPOX: Wann fand denn das letzte persönliche Gespräch zwischen dem Bundestrainer und Ihnen statt?

Schmelzer: Als mir mitgeteilt wurde, dass ich bei der WM in Brasilien nicht dabei sein werde.

SPOX: Wie weit weg ist das DFB-Team für Sie?

Schmelzer: Ich bin wie beschrieben mit meinen letzten zwölf Monaten sehr zufrieden, mit der Hinrunde ja sowieso. Ich würde mich freuen, wenn ich meine Leistung halten oder im Idealfall noch einen draufsetzen kann. Mein Ziel ist es, mich weiter zu empfehlen, so dass ich vielleicht bei den beiden Testspielen im März dabei sein darf. Ich glaube, dass wir in Dortmund gezeigt haben, auch die Art der Fußballphilosophie spielen zu können, die in der Nationalmannschaft gefordert ist. Wenn es dann für das Trainerteam doch nicht reicht, muss ich es eben so akzeptieren.

Marcel Schmelzer im Steckbrief

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