Kein FCB ist auch keine Lösung

Pep Guardiolas Vertrag läuft am Ende der Saison aus
© getty

Die Entscheidung über Pep Guardiolas Zukunft steht kurz bevor. In Spanien und England heißt es, der begehrteste Coach der Welt würde dem Rekordmeister den Rücken kehren. Haben zweieinhalb Jahre in München den Katalanen wirklich so zermürbt? Unter dem Strich bleibt eine Vielzahl an Argumenten - die meisten für die Bayern.

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Pep Guardiola verlangt die Rechnung. Mit diesen Worten verkündete die Marca am Mittwoch, was die Antwort auf die Zukunftsfrage um den katalanischen Fußballlehrer sein soll: Pep verlässt den FC Bayern. Pep geht.

Alle Liebesmühen der Münchner seien vergebens gewesen. Ein Gehalt von zwanzig Millionen Euro nicht genug, um den Verschleiß auszugleichen, dem sich der unverstandene Spanier in Deutschland ausgesetzt sieht. Als schädlich erachte Guardiola eine weitere Zusammenarbeit für beide Seiten, seine Suche nach neuen Horizonten würde ihn auf die Insel führen.

Dort will man das Gleiche wissen, zumindest bei der Daily Mail. Schließlich stünden mit den Manchester-Klubs und Chelsea schon drei Traumziele parat. Die Sport Bild berichtet davon, dass die Entscheidung schon vor einer Woche gefallen sei. Dass es trotzdem noch keine Reaktionen von offizieller Seite gibt, deute auf eine Entscheidung gegen München hin.

"Das ist scheiße"

Doch ist sie das wirklich? Haben zweieinhalb Jahre an der Isar, eine "überragend lange Zeit", wie Pep selbst sagt, den Coach so zermürbt, dass er sich gezwungen sieht, einen Schlussstrich zu ziehen?

Man könnte es sich zusammenreimen, ruft man sich Peps Aussage in den Kopf, das vierte Jahr bei Barcelona sei ein großer Fehler gewesen. Oder blickt man vor allem auf das unruhige zweite Jahr unter der Federführung des Katalanen. Aus dem Krach mit Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt ging Guardiola zwar als Sieger hervor, spurlos ist die Demission der Vereins-Ikone und die damit verbundenen kritischen Stimmen aus den eigenen Reihen aber nicht an Guardiola vorbei gegangen.

Das Gefühl, nicht verstanden zu werden, begleitet den Spanier schon seit Amtsantritt. "Ich bin anders als das, was die Leute in Deutschland wollen", hat Guardiola einmal gesagt. Öffentliche Zweifel, der Richtige für den Verein zu sein, äußerte der Katalane ebenso wie Kritik an der Wahrnehmung seiner Person. "Ich bin nicht hier, um der beste Trainer der Welt zu sein. Das ist scheiße. Ich habe schon in Barcelona 1000 Millionen Mal gesagt, dass ich alles gewonnen habe, weil ich so überragende Spieler hatte. "

Rummenigge als Peps größter Kritiker?

Pep wirkte entnervt, dünnhäutig und belastet ob des Drucks von Außen, der vielen Verletzten, der ständigen Nachfragen bezüglich seiner Zukunft. Ein halbes Jahr später ist es nur noch Letzteres, das den 44-Jährigen in Interviews den Kopf schütteln und durchprusten lässt.

Andere Unruheherde sucht man vergebens. Die Marca spricht vom angespannten Umfeld und Peps großem Kritiker Karl-Heinz Rummenigge, der den Coach gerne öffentlich rügen würde. Die Wahrheit sieht eher so aus, dass der Vorstandsvorsitzende nicht müde wird, bei jeder Gelegenheit Bewunderung und Unterstützung für das "Genie" an der Seitenlinie zu äußern. "Er weiß, welche Zuneigung wir ihm gegenüber haben", unterstrich er kürzlich.

Auch im Bericht der Daily Mail passt nicht alles zusammen. Fortgeschrittene Gespräche mit Carlo Ancelotti habe es bereits gegeben, so das Blatt. Mit dem Ancelotti, der vor nicht allzu langer Zeit auf ein Engagement beim Rekordmeister sagte: "Der FC Bayern wird die Bundesliga gewinnen ohne die Hände aus den Hosentaschen zu nehmen. Ich muss gestehen, dass ich Bayerns Spiele nicht genießen kann."

Zweifelhafte Glaskugeln

Es braucht Blicke in die Vergangenheit oder zweifelhafte Glaskugeln, um Anhaltspunkte zu finden, warum Pep gehen sollte. Es gibt momentan wenige Gründe, sportlich schon gleich gar keine, den FC Bayern zu verlassen.

Nach dem 5:1 in der Königsklasse gegen den FC Arsenal Anfang November sprach Guardiola das erste Mal davon, eine echte Pep-Mannschaft gesehen zu haben, die besten Bayern seiner Ära. "Mein Gefühl war: Die Titel in den ersten zwei Jahren waren noch der Verdienst von Jupp Heynckes. Unsere Spielweise war nicht gut. Nun ist sie viel besser", so Pep, der es mit NBA-Coach Greg Popovich hält: "Erfolg braucht Zeit."

Guardiola ist in der beneidenswerten Lage, dass das Finanzielle in seinen Überlegungen in keinster Weise eine Rolle spielen muss. Sein Wunschgehalt wird der 44-Jährige bekommen, wo er will. Pep geht es um sportliche Perspektive - außerhalb Spaniens ist diese nirgends so gut wie an der Isar. Es geht ihm darum, sich privat wohlzufühlen - jüngst sagte er über München: "Die Stadt ist Wahnsinn. Ich liebe sie. Meine Familie auch."

Und es geht ihm darum, den vollen Rückhalt seines Umfelds zu spüren. Das ist in München der Fall. Die Führungsetage positioniert sich seit Wochen klar für eine Verlängerung, in der Mannschaft scheut man sich nicht, die einhellige Meinung nicht nur ihm gegenüber, sondern auch nach außen zu kommunizieren: Guardiola soll bleiben. Der Verein liegt dem Katalanen zu Füßen, Ex-Bayern-Coach Felix Magath machte jüngst in der FAZ so viel Macht und Einfluss aus, wie bei noch keinem Münchner Trainer zuvor.

Folgt das nächste Sabbatical?

Außerdem stellt sich - und hier kommt wieder der sportliche Aspekt ins Spiel - die berechtigte Frage: Wo sollte Pep denn hinwechseln? Zu den Citizens, wie die meisten Berichte behaupten? Der Verein, der seit Jahren international an so ziemlich jedem gesteckten Ziel vorbeischießt und in dessen Dunstkreis deshalb von Ruhe keine Rede sein kann? Der Verein, dessen Mannschaft näher an einer Rugby-Mannschaft als einem Guardiola-Team ist - und dessen Umstrukturierung mehrere Jahre beanspruchen würde?

Oder zu Manchester United, das mit der europäischen Spitze seit Jahren nichts mehr zu tun hat? Das abgestürzte Chelsea, als Nachfolger seines Erzfeindes Jose Mourinho? Paris würde noch am ehesten Sinn ergeben, der Verbindungen zu Katar und der Stadt an sich wegen. Doch würde es den begehrtesten Coach der Welt in die konkurrenzlose Ligue 1 ziehen, in der PSG schon vor der Winterpause 17 Punkte Vorsprung auf den ärgsten Verfolger, den Aufsteiger Angers, hat?

Ein, vielleicht zwei Jahre in München oder ein weiteres Sabbatical scheinen für Guardiola, der nach vier Jahren bei Barcelona so ausgebrannt war, dass er eine Pause einlegen musste, wahrscheinlicher, als direkt für mehrere Jahre bei einem anderen Klub zu unterschreiben.

"Eine Überraschung", so sagte Sportvorstand Matthias Sammer nach dem Pokalsieg gegen Darmstadt, wäre es ohnehin nur, sollte Guardiola nicht bleiben. Den Bayern wäre es nur recht, die Rechnung noch nicht schreiben zu müssen.

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