"Mit Sightseeing hat das wenig zu tun"

Chefscout Ralf Becker ist auf der ganzen Welt auf der Suche nach den neuen VfB-Stars
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SPOX: Veh und Bobic wurden mittlerweile durch Alexander Zorniger und Robin Dutt ersetzt. Letzterer sorgte mit einer denkwürdigen Pressekonferenz in der Sommerpause für einen Knall. Vieles im Klub wurde auf links gedreht, doch Sie durften bleiben, obwohl der Bereich Scouting stark in der Kritik stand.

Becker: In so einer Phase, in der wir uns seit einiger Zeit befinden, ist das Vorgehen doch genau das Richtige. So muss das sein, alles zu hinterfragen und auf den Kopf zu stellen. Provokativ formuliert: Uns Scouts wäre es auch lieber gewesen, Spieler wie Filip Kostic und Daniel Ginczek hätten so eingeschlagen und dafür wäre die Saison erfolgreicher verlaufen. Oder noch besser: Beides zusammen wäre eingetreten

SPOX: Sie hatten nie Angst, auch gehen zu müssen?

Becker: Wenn du im Fußball arbeitest, musst du jeden Tag mit allem rechnen. Ich arbeite so seit 20 Jahren. Ob als Trainer, Spieler oder Scout - im Profifußball hast du nie Sicherheit. Wenn man damit ein Problem hat, dann ist man hier falsch. Das Einzige, was man tun kann, ist, sich voll auf die Arbeit zu konzentrieren und diese so gut wie möglich abzuliefern.

SPOX: Dennoch war die Kritik, auch explizit gegen Sie, teils heftig. Von "völlig ineffizienten" Methoden war die Rede.

Becker: Grundsätzlich gesprochen: Es gibt Scouting-Abteilungen, die sehr viel und andere, die extrem wenig direkten Einfluss auf Transferentscheidungen ihrer Vereine haben. Deshalb ist es, ohne das böse zu meinen, von außen oft schwierig zu beurteilen - weil meistens das Wissen über die internen Abläufe fehlt. Wir können unsere Empfehlungen abgeben, und da bin ich absolut überzeugt von meinem Team. Wir haben aber nicht das letzte Wort.

SPOX: Aus Ihrer Sicht war die Kritik also unberechtigt? Wie stufen Sie die Scouting-Arbeit des VfB im Vergleich zu anderen Klubs ein?

Becker: Wir haben uns in den Märkten, in denen wir uns bewegen, ein sehr gutes Netzwerk aufgebaut. Durch die Professionalisierung des Fußballs mitsamt der medialen Unterstützung ist es ohnehin nicht mehr unsere entscheidende Aufgabe, Spieler wirklich zu entdecken. Der Markt ist mittlerweile derartig gläsern, dass alle Vereine in Europa alle interessanten Spieler kennen. Das Entscheidende ist, frühzeitig Kontakte aufzubauen. Wenn der VfB einen Spieler verpflichtet, kann man davon ausgehen, dass alle anderen Vereine in der Bundesliga den Spieler auch gekannt haben. Was ich von meiner Abteilung in der Hinsicht erwarte: Wir müssen alle Spieler, die im Sommer in die Bundesliga wechseln, gekannt und im Vorfeld bewertet haben.

SPOX: Hat Ihr persönliches Verhältnis zu Robin Dutt unter dem Rundumschlag im Mai gelitten?

Becker: Nein, das ist gut! Das war aber auch bei Fredi Bobic, bei Armin Veh und bei allen Trainern, die ich hier erlebt habe so: Ich hatte mit allen ein gutes bis sehr gutes Verhältnis. Die Problematik ergibt sich einfach aus der hohen Fluktuation der Verantwortungsträger. Es gab zu viele unterschiedliche Ideen und Vorstellungen. Ich bin aber guter Hoffnung, dass der Verein jetzt seinen Weg gefunden hat, den er gehen will. Einen Fußball, den er durchziehen möchte. Dass man eine stabile Mannschaft zusammenstellt, von der alle überzeugt sind und mit der man an einer langfristigen Spielphilosophie arbeiten kann.

SPOX: Sie haben selbst gesagt, den Fußball mittlerweile aus vielen Winkeln sehr gut zu kennen. Reizen Sie die letzten Bastionen, die höheren Positionen, die Sie noch nicht bekleidet haben?

Becker: Das Dasein als VfB-Scout macht mir unfassbar viel Spaß, es ist aber klar, dass ich irgendwann den nächsten Schritt machen möchte. Zeitlich ist dieser Schritt auch nicht definiert. Klar ist aber: Ich würde mein Know-How, das ich mir in vielen, vielen Bereichen angeeignet habe, gerne bei einem guten Verein mit einer klaren Philosophie einbringen.

SPOX: Vielleicht irgendwann einmal beim VfB?

Becker: Der VfB ist sehr gut aufgestellt. (lacht) Es herrscht wieder Ruhe in der Führungsebene, der Klub ist klar strukturiert, hat eine Philosophie und nimmt eine Entwicklung in die richtige Richtung. Sich da hineinzudrängen, ist gar kein Thema.

SPOX: Und die Trainerlaufbahn ist bereits beendet?

Becker: Man muss sich für einen Weg entscheiden. Und ich habe mich sehr bewusst für die strategischen Positionen im Geschäft entschieden. Etwas aufzustellen, aufzubauen und mit einem Trainer zusammenzuarbeiten - das sind die Themen, die mich interessieren. Der Trainerjob ist kein Thema.

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