"Favre verabschiedete sich am Telefon"

Oscar Wendt steht seit Sommer 2011 bei Borussia Mönchengladbach unter Vertrag
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Oscar Wendt ist die Konstante in der Viererkette von Borussia Mönchengladbach und verlängerte seinen Vertrag im Sommer um weitere drei Jahre. Vor dem Champions-League-Spiel bei Juventus Turin (20.45 Uhr im LIVE-TICKER) spricht der schwedische Nationalspieler über den Rücktritt Lucien Favres, das wahre Gesicht Zlatan Ibrahimovic' und den Showdown in Königsmund.

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SPOX: Herr Wendt, hinter Ihnen und Borussia Mönchengladbach liegen turbulente Wochen. Wie haben Sie den Start in die Saison erlebt?

Oscar Wendt: Vor allem die ersten zwei Monate waren eine unheimlich schwere Zeit. Für mich persönlich und jeden hier bei Borussia. Wenn man fünf Spiele in Folge verliert, ist man mental am Boden und hat in jeder Situation Angst, einen Fehler zu machen. Wir haben viel miteinander gesprochen und auf dem Platz alles gegeben, trotzdem gab es einen Rückschlag nach dem anderen.

SPOX: Die Krise gipfelte dann im Rücktritt Lucien Favres. Wie haben Sie davon erfahren?

Wendt: Wie die meisten anderen habe ich es im Internet gelesen. Für mich war es ein großer Schock, weil ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht damit gerechnet hatte. Gleichzeitig muss man aber auch professionell sein und an den Verein denken.

SPOX: Wie meinen Sie das?

Wendt: Man kann den Kopf nicht in den Sand stecken. Der Verlust von Lucien Favre wiegt natürlich schwer, er hat hier in Mönchengladbach Großes aufgebaut und erreicht. Aber genauso wichtig ist es, in solchen Situation zusammenzuhalten und weiterzumachen. Wir sind immer positiv geblieben und haben fest daran geglaubt, uns dort wieder herausziehen zu können - auch wenn das unheimlich schwer war. Mit einer anderen Einstellung hätten wir das nicht geschafft.

SPOX: Hat Lucien Favre sich noch von der Mannschaft verabschiedet?

Wendt: Es gab keine Sitzung, in der er sich vor versammelter Mannschaft verabschiedet hat, aber er hat jeden Spieler angerufen, sich verabschiedet und uns alles Gute gewünscht.

SPOX: Unter Andre Schubert wirkte die Mannschaft dann wie ausgewechselt und startete mit einer berauschenden ersten Halbzeit gegen Augsburg. Wie hat Schubert diesen enormen Wandel bewirkt?

Wendt: Das ist eine sehr gute Frage. Wenn wir wüssten, warum es zu Anfang so schlecht lief, hätten wir dies schon vorher umstellen können und sicher nicht fünf Spiele nacheinander verloren. Gleichzeitig ist Andre Schubert ein ausgezeichneter Motivator. Er hat uns wachgerüttelt und eine Jetzt-erst-Recht-Mentalität in uns entfacht. Wir sind mit der Einstellung auf den Platz gegangen, das Spiel unter allen Umständen zu gewinnen. Die Energie in diesen ersten Minuten gegen Augsburg war der Wahnsinn. Nach so einem Spiel kommt das Selbstvertrauen dann wieder von ganz alleine zurück.

SPOX: Dafür haben Sie derzeit großes Pech mit Verletzungen, in der vergangenen Woche meldeten sich gleich mehrere Spieler ab, darunter Patrick Herrmann und Nico Schulz mit einem Kreuzbandriss. Trüben solche Ausfälle die Stimmung in der Mannschaft?

Wendt: In erster Linie tut es mir unheimlich leid, besonders für Patrick und Nico, die sehr lange nicht dabei sein werden. Auf der anderen Seite ist es auch für die Mannschaft ein Verlust. Bei der Anzahl von Spielen, die wir in dieser Saison haben, wird jeder Mann gebraucht.

SPOX: Sie haben Ihren Vertrag in diesem Sommer für weitere drei Jahre bis 2018 verlängert. Was waren die ausschlaggebenden Gründe?

Wendt: Das war eine leichte Entscheidung. Meine Familie und ich fühlen uns sehr wohl am Niederrhein. Auch sportlich läuft es für mich und das Team einfach großartig. Es gibt absolut keinen Grund zu wechseln, im Gegenteil: Es ist schwer, einen Standort in Europa zu finden, bei dem das Gesamt-Paket so gut ist wie hier.

SPOX: Was macht dieses Paket aus?

Wendt: An erster Stelle die Stimmung und die Atmosphäre im Verein. Egal ob Spieler, Verantwortliche oder alle Mitarbeiter im Verein, der Umgang ist immer freundlich und familiär. Dazu kommen das Trainingsgelände, das Stadion und natürlich auch die Fans, die uns immer unterstützen, selbst wenn es nicht gut läuft. So einen Support gibt es nur sehr selten.

SPOX: Die Gladbach-Fans sind sehr reiselustig und folgen der Mannschaft zumeist mit vielen Tausend Anhängern durch Europa. Was geht einem durch den Kopf, wenn man im Stadion des FC Zürich zum Warmlaufen rauskommt und plötzlich von 8.000 Borussen empfangen wird?

Wendt: Das ist einfach unbeschreiblich. Manchmal bekomme ich noch heute eine Gänsehaut in solchen Situationen. Uns Spielern bedeutet diese Unterstützung mehr als man manchmal denkt. Ein paar Extra-Prozente können unsere Fans immer freisetzen.

SPOX: Inzwischen haben Sie sogar Ihr eigenes Fan-Lied, den Oscar-Wendt-Song. Wann haben Sie zum ersten Mal davon erfahren?

Wendt: Die Jungs, die den Song erfunden haben, haben mich bei Twitter angeschrieben und mir das Video geschickt. Da habe ich ihn zum ersten Mal gesehen. Für mich ist es eine große Ehre, ein eigenes Lied zu haben und es zeigt, dass die Fans mit mir zufrieden sind.

SPOX: Danach sah es anfangs nicht unbedingt aus. Nach Ihrem Wechsel zu Gladbach 2011 saßen Sie zumeist nur auf der Bank. Gegen Ende der ersten Saison wurden sogar Gerüchte um einen möglichen Wechsel laut. Waren diese tatsächlich akut?

Wendt: Nein, ich habe nie mit anderen Vereinen gesprochen und wollte Gladbach auch nicht verlassen. Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch und wollte vor allem mir selbst beweisen, dass ich auf diesem Niveau mithalten und mich bei der Borussia durchsetzen kann.

SPOX: In der Nationalmannschaft haben Sie mit einer ganz ähnlichen Situation zu kämpfen. Mal sind Sie dabei, mal werden Sie einige Spiele in Folge nicht berücksichtigt. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Wendt: Die habe ich ehrlich gesagt nicht. Ich war sehr überrascht und enttäuscht, dass ich für die letzten EM-Qualifikationsspiele nicht nominiert wurde. Ich verstehe es auch nicht wirklich, meiner Meinung nach muss ich immer dabei sein. Ich habe einen Stammplatz bei einem Champions-League-Teilnehmer und gebe auch bei der Nationalmannschaft immer alles. Das spricht eigentlich für sich. Im Endeffekt ist es aber die Entscheidung des Trainers. Dennoch: Davon geht die Welt auch nicht unter. Das Leben ist auch so gut. (lacht)

SPOX: Aber die EM in Frankreich haben Sie schon fest im Auge, oder?

Wendt: Zunächst einmal müssen wir den Weg durch die Playoffs schaffen. Wenn wir uns dann qualifiziert haben, will ich natürlich dabei sein. Jeder Spieler träumt davon, sein Land bei einem großen Turnier zu repräsentieren.

SPOX: Gewähren Sie uns doch mal einen Einblick in die schwedische Kabine: Ihrem Kapitän Zlatan Ibrahimovic sagt man einige Charakter-Eigenschaften nach. Wie ist er wirklich?

Wendt: Das ist alles künstlich aufgebauscht, nur Neider lästern über Zlatan. Ich kann ohne Ausnahme nur Gutes über ihn sagen. Er ist locker neben dem Platz, macht viele Späße und hält das Team bei Laune. Außerdem behandelt er jeden gleich, völlig egal ob Routinier mit 100 Länderspielen oder absoluter Neuling. Auf dem Platz wird er dann auch mal laut, weil er um jeden Preis gewinnen will. Genau so einen Leader braucht man im Team.

SPOX: Sie sind ein bekennender Serien-Fan. Fiebern Sie bereits der sechsten Staffel von Game of Thrones entgegen?

Wendt: Das tue ich tatsächlich. Es muss jetzt endlich weitergehen und langsam auch mal zu einem Ende kommen. Momentan sind noch so viele unterschiedliche Baustellen offen, dass man irgendwie das Gefühl hat, eine Neverending Story zu gucken.

SPOX: Wie stellen Sie sich das Finale vor?

Wendt: Hauptsache die Khaleesi kommt in Königsmund an und tötet dort alle. (lacht)

SPOX: Welche Game-of-Thrones-Rolle passt am ehesten zu Oscar Wendt? Ein adeliger Lannister oder doch ein Aussätziger bei der Nachtwache?

Wendt: Gute Frage, ich bin am ehesten der Gesichtslose Mann.

Oscar Wendt im Steckbrief