"Ich hatte nicht mehr viel zu verlieren"

Horst Heldt arbeitet seit Juli 2010 als Manager beim FC Schalke 04
© getty

Horst Heldt vom FC Schalke 04 stand nach der schwachen Vorsaison der Knappen im Kreuzfeuer der Kritik. Der Stuhl des Managers wackelte gehörig. Mit ungewöhnlicher Selbstironie stellte er sich der Schalke-Wut - und bekam eine weitere Chance. Im Interview spricht Heldt über Selbstkritik, seinen 1,69-Meter-Spruch auf der Jahreshauptversammlung und den Boateng-Riether-Vergleich.

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SPOX: Herr Heldt, als Sie 2011 nach Felix Magaths Weggang die alleinige sportliche Verantwortung übernommen haben, sprachen Sie im SPOX-Interview über Ihre Vision 2015. Zentraler Teil dessen war, dass das neue Vereinsgelände bereits fertiggestellt ist. Mittlerweile haben wir 2015 - und erst jetzt wurde die erste Phase des Umbaus begonnen. Stagniert Schalke oder behalten Sie das Ziel beharrlich im Blick?

Horst Heldt: Selbstverständlich Letzteres (lacht). Natürlich wären wir das gesamte Projekt lieber schneller als langsamer angegangen, aber am Ende kostet die Finanzierung des ersten Bauabschnitts alleine 25 Millionen Euro und diese galt es, unabhängig vom sportlichen Abschneiden, erst einmal seriös zu finanzieren. Das Schöne ist außerdem, dass die Vorarbeiten trotz aller Herausforderungen allesamt geleistet wurden. Wir werden zwar nicht wie vor vier Jahren gehofft 2015 fertig, allerdings wird 2016 schon einiges davon umgesetzt sein, wovon wir ursprünglich gesprochen hatten.

SPOX: Warum nimmt das Vereinsgelände in Ihren Überlegungen eine derart wichtige Rolle ein?

Heldt: Clemens Tönnies, Peter Peters, Alexander Jobst und ich, wir alle sprechen bei dem Thema mit einer Stimme. Wir möchten, dass das neue Vereinsgelände in unserer laufenden Amtsperiode umgesetzt wird. Egal wie erfolgreich diese Saison verläuft, am Ende ist es nur eine Saison. Das Vereinsgelände wird hingegen mindestens die nächsten 30 Jahre Bestand haben. Wir wollen diese Nachhaltigkeit hinterlassen. Ein gewonnenes Spiel befriedigt einen kurzfristig, ein neues Vereinsgelände bringt Schalke auf das nächste Level. Darauf freuen wir uns sehr.

Schalke baut für 25 Millionen Euro um

SPOX: Eine weitere Duplizität zu 2011: Damals wurde neben dem neuen Vereinsgelände ein Leitbild für den Klub definiert, an das sich alle zu halten hätten. Nun kündigen Sie die Einführung eines Spielerknigge an. Ist dies ein Aufguss des Leitbildes?

Heldt: Nein, aber der Regelkatalog für unsere Spieler orientiert sich natürlich auch an den Werten unseres Leitbilds.

SPOX: Generell erinnert Ihr heutiges Handeln wieder an Ihre Anfänge: Das Forcieren des neuen Vereinsgeländes, das Leitbild, auch Ihre Rhetorik. Sie hatten 2011 auf Kampfansagen und überambitionierte Zielvorgaben verzichtet, wodurch der Verein spürbar beruhigt wurde. Jedoch äußerten Sie sich ab 2012 deutlich aggressiver und fordernder, was mit erklärt, warum Schalke jene Balance wieder abhandenkam. Haben Sie sich nun rückbesonnen?

Heldt: Das stimmt schon: Die vergangenen Monate waren für mich eine Phase der Rückbesinnung. Grundsätzlich neigen wir alle auf Schalke zu einer gewissen Aufgeregtheit. Nach der schlechten vergangenen Saison haben alle ihre Erwartungen gesenkt. Wir können aus einer Position der Demut agieren - nach innen und außen.

SPOX: Ist der Eindruck richtig, dass Sie als Typ ohnehin eher die ruhige Ansprache bevorzugen als das Poltern? In den letzten Jahren wirkten Sie bei einigen Ihrer Kampfansagen nicht ganz so authentisch.

Heldt: Mir liegt das Ruhige von Natur aus näher, dennoch mache ich beide Arten der Ansprache gerne. Poltern macht hin und wieder Spaß und ist notwendig. Beispielsweise, als unsere Erfolge unter den Scheffel gestellt wurden, weil der Nachbar noch größere Erfolge verzeichnen konnte. Dann ist es wichtig, Aufmerksamkeit für die eigenen Themen zu bekommen. Schalke lag 2014/2015 im UEFA-Ranking aller europäischen Klubs auf Platz sieben: Ohne nachhaltige Arbeit wäre so etwas nicht möglich. Als Verantwortlicher ist es meine Pflicht, den Klub zu positionieren. Problematisch wird es, wenn den Worten keine Taten folgen, wenn man die Leistungen nicht abliefert - so wie wir in der Vorsaison.

SPOX: Sie bekräftigten bei der Jahreshauptversammlung vor den Fans, sich selbst zu hinterfragen. Wie schwer fällt es Ihnen, ein gerechtes Urteil über sich zu bilden? Einerseits gab es in der Vorsaison genug Anlass zur Selbstkritik. Andererseits sprechen die Erfolge für Sie: Rang sechs 2014/15 war die schlechteste Bundesliga-Platzierung seit 2011.

Heldt: Es ist sicherlich nicht einfach, bei der Selbstspiegelung den richtigen Blickwinkel einzunehmen. Als Manager weiß ich, dass man für Verdienste in der Vergangenheit nichts geschenkt bekommt und nur der Moment zählt. Und es gab definitiv Fehleinschätzungen von meiner Seite. Zugleich ist es nicht nur für mich, sondern für den gesamten Verein wichtig, all das in den richtigen Kontext zu setzen. Wir spielen seit sechs Jahren immer international, viermal davon in der Champions League. Alles zu hinterfragen kann genauso verkehrt sein wie nichts zu hinterfragen. Was allerdings nicht implizieren soll, dass ich alles richtig gemacht hätte.

SPOX: Zur Selbstreflexion bedarf es Ruhe. Wie ruhig können Sie sein angesichts des hektischen Transfersommers? Haben Sie Mechanismen zur Entspannung, damit nicht ähnliches geschieht wie bei Ex-Schalker Ralf Rangnick und dessen Burnout?

Heldt: Die Mechanismen besitze ich in der Tat. Ich genieße ein intaktes Familienverhältnis. Zu Hause finden wir einen guten Mix zwischen Diskussionen über den Job und dem kompletten Abschalten, um eben nicht andauernd über Berufliches zu sprechen. Und ich passe selbst ganz gut auf mich auf. Ich gehe früh schlafen und wache sehr früh auf. Dadurch, dass die Tage sehr intensiv sind, ist das genau das Richtige.

SPOX: Gibt es etwas Banales, das Ihnen bei der Zerstreuung hilft?

Heldt: Ich sehe gern die neuen US-Serien, die gerade angesagt sind. Allerdings: Die Serien, die ich gerne anschaue, sind häufig noch nicht komplett auf Deutsch vertont, weswegen nur die englischsprachigen Originale zur Verfügung stehen. Wegen der sprachlichen Feinheiten ist das dann bisweilen mehr Anstrengung als Entspannung. Daher bin ich gerade auf der Suche nach neuen Serien. Wer Tipps hat, darf sich gerne melden (lacht).

SPOX: Sie können über sich selbst lachen. Ihr tätowiertes Superman-Logo auf dem linken Oberarm ist beispielsweise mehr ein selbstironisches als arrogantes Statement. Das Stilmittel der Ironie ist jedoch das schwierigste. Die Fans vor Ort bei der Jahreshauptversammlung hätten Ihren 1,69-Meter-Spruch als Verballhornung missverstehen können. Oder Ihre Aussage wäre über das Fernsehen oder geschrieben im Internet falsch herübergekommen. Waren Sie sich des Risikos bewusst?

Heldt: Voll und ganz. Es gab genügend Menschen in meinem Umfeld, die mir deswegen rieten, das wegzulassen. Am Ende entschied ich mich trotzdem dazu. So viel hatte ich ohnehin nicht mehr zu verlieren (lacht). Und am Ende war ich überzeugt davon, dass man etwas wagen muss. Ich hatte die Wahl: Entweder gebe ich bereits vorher auf oder ich gehe mit allem Risiko in die Vollen und kämpfe.

SPOX: Wie nervös waren Sie vor der Jahreshauptversammlung?

Heldt: Leider Gottes beschäftigen mich solche Auftritte immer Wochen zuvor, unabhängig davon, ob das Jahr gut lief oder nicht. Sagen wir es so: Es gibt Sachen, die ich von Haus aus lieber mache, als mich öffentlich zu positionieren und Werbung in eigener Sache zu betreiben. Daher bin ich immer heilfroh, wenn mein Part bei der Mitgliederversammlung getan ist, selbst wenn ich Lob erhalte. Nächstes Jahr werde ich wieder viele Wochen davor nervös sein, wenn ich mich mit meiner Rede beschäftige, egal wie erfolgreich diese Saison laufen wird.

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