"Ab dann wurden die Burger verspeist"

Seit Jahren gemeinsam erfolgreich: Co-Trainer Volkan Bulut (r.) und Andre Breitenreiter (M.)
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SPOX: Mit Havelse scheiterten Sie nur knapp am Aufstieg in die 3. Liga, den SCP führten Sie sensationell in die Bundesliga. Beschreiben Sie doch bitte einmal die Tage, die unmittelbar nach dem Abstieg mit Paderborn vergangen sind.

Bulut: Wir hatten im Vorfeld schon geplant, dass wir im Falle des Abstiegs mit dem gesamten Trainerteam für zwei Tage nach Sylt fahren, um die Geschehnisse zusammen zu verarbeiten. Ein Vereinswechsel war dort aber überhaupt kein Thema, wir haben ausschließlich die Gegenwart analysiert.

SPOX: Hätten Sie noch vor sieben Wochen gedacht, dass Sie den SCP verlassen würden oder war klar, dass man im Idealfall nicht zurück in die 2. Liga geht?

Bulut: Ich habe selbstverständlich mitgekriegt, dass die gute Arbeit von Andre in der Öffentlichkeit sehr positiv besprochen wurde und erste Spekulationen zu seiner Zukunft auftauchten. In der Bundesliga zu verbleiben wäre auch mit dem SCP eine tolle Sache gewesen. Dass dann aber ein solch großer Verein wie Schalke 04 anklopft, damit hätte ich nicht gerechnet.

SPOX: Wie erfährt man denn eigentlich als Co-Trainer von einem solchen Angebot?

Bulut: Schalke rief bei Andre an und er bei mir (lacht).

SPOX: Waren Sie anwesend, als Breitenreiter den Verantwortlichen auf Schalke seine Philosophie erklärte?

Bulut: Nein. Für den Verein geht es in erster Linie ja darum, den Trainer und seine Arbeitsweise kennen zu lernen. Im Zuge dessen äußert der Trainer wiederum, wen er gerne in seinem Team dabei hätte. So war das auch in diesem Fall.

SPOX: Wo hat Sie dann Breitenreiters Anruf erreicht?

Bulut: Ich war mit meiner Familie im Urlaub. Andre sagte, eine Entscheidung würde bereits in den nächsten Tagen fallen und er würde mich sehr gerne mitnehmen. Meine Frau und ich haben dann drei Tage lang im Urlaub quasi mitgefiebert, bis Andre erneut anrief und die Einigung verkündete.

SPOX: Breitenreiter und Sie waren mit Paderborn am vorletzten Spieltag der vergangenen Saison auf Schalke zu Gast. Der SCP spielte die Knappen 90 Minuten an die Wand und verlor höchst unglücklich mit 0:1. Es war das Spiel, bei dem das Schalker Publikum sehr hart mit Mannschaft und Vereinsführung ins Gericht gegangen ist. Welchen Eindruck hatten Sie damals vom S04?

Bulut: Auf Schalke herrschte ein immenser Druck an diesem Tag, das war eindeutig zu spüren. Den Spielern war die Nervosität anzusehen. Das ist auch normal, es sind alles zuerst Menschen und erst dann Spieler. Das war von der Situation her alles andere als einfach.

SPOX: Wenn Ihnen damals jemand nach der Partie gesagt hätte, dass Sie ein paar Wochen später dort als Co-Trainer arbeiten würden, was hätten Sie entgegnet?

Bulut: Ich hätte wohl erst einmal gesagt, dass es mir unbegreiflich ist, wie wir mit dem SCP dieses Spiel verlieren konnten. Andererseits war es ja auch nicht vollkommen unrealistisch, zu einem anderen Bundesligisten wechseln zu können, da wir bereits im Oberhaus angekommen waren und einen guten Job machten.

SPOX: Seit einem dreiviertel Jahr sind Sie Inhaber der A-Lizenz. Haben Sie die Ambition, irgendwann selbst als Cheftrainer zu arbeiten?

Bulut: Mein Ziel war es, den Fußballlehrer mit 35, 36 in der Tasche zu haben oder spätestens zu beginnen. Das hängt jetzt natürlich auch von den Begebenheiten im Verein ab. Ich fühle mich in der Rolle als Co-Trainer pudelwohl. In Andres Trainerteam verspürt man auf dieser Position eine sehr große Wichtigkeit. Ich kann meine eigenen Ideen einbringen und wir diskutieren dann, wie wir es am besten machen. Wir arbeiten jetzt seit viereinhalb Jahren zusammen und es ging stets steil bergauf. Mittlerweile kann ich sagen: Andre ist nicht nur Trainerkollege, sondern mein Freund.

SPOX: Seit Breitenreiters Ankunft herrscht eine gewisse Aufbruchstimmung auf Schalke, eine neue Art von Fußball soll vor allem verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Die bisherigen Trainingseinheiten wurden von den Spielern teils als brutal hart bezeichnet.

Bulut: Unsere Herangehensweise kann eben nur dann verwirklicht werden, wenn alle Spieler sehr konditionsstark sind. Wir brauchen extreme Fitness, aber auch das Spielverständnis zu wissen, wann gepresst wird und wann es doch besser ist, sich fallen zu lassen, in der Ordnung zu stehen und den Gegner kommen zu lassen. Hinzu kommen der Wille und die Gier, der Kugel nach Ballverlust so hinterher zu jagen, dass man sie auch wirklich zurückgewinnen kann. Wir haben aber auch eine klare Vorstellung davon, wie man bei eigenem Ballbesitz agiert. Wir wollen die Kugel nicht wild nach vorne kloppen und dann darauf reagieren, sondern eine variable spielerische Linie finden, wie wir den Ball ins vordere Drittel bringen und Torabschlüsse kreieren.

SPOX: Was ist das Besondere am Trainer Breitenreiter?

Bulut: Andre ist Perfektionist und sehr authentisch. Aufgrund seiner langen Karriere weiß er zu einhundert Prozent, wie der Spieler denkt. Das ist sein großes Plus. Er hat ein Näschen dafür, wie er in unterschiedlichen Situationen handeln muss: wann muss er anziehen, wann die lockere Leine walten lassen, wie muss er mit den Spielern sprechen?

SPOX: Was muss passieren, damit er aus der Haut fährt?

Bulut: Wenn er mit Spielern über ihre Fehler spricht, diese dann anschließend aber mehrmals wiederholt werden oder die nötige Ernsthaftigkeit fehlt. Wir sind mit viel Spaß und Freude bei der Sache, doch während der Trainingseinheit muss absolute Professionalität vorherrschen. Ist das nicht gegeben, kann er auf jeden Fall in Rage geraten.

SPOX: Sollte das einmal auf Schalke geschehen, können sie beide ja zur Beruhigung wieder Burger essen gehen. Das schien in Paderborn eine Zeit lang ein Ritual gewesen zu sein.

Bulut: Es gab mal eine Phase, in der wir mehrere Spiele lang nicht gewonnen hatten und dachten, wir müssten etwas verändern (lacht). Einer unserer Physiotherapeuten meinte dann, wir können doch Donnerstagabend mal zusammen einen Burger essen gehen. Am folgenden Wochenende haben wir wieder gewonnen - ab dann wurden eben regelmäßig die Burger verspeist. Am Ende stand der Aufstieg in die Bundesliga.

Seite 1: Bulut über die "Facebook-Wohnung" und das erste Treffen mit Breitenreiter

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