Arbeit und neues Bedrohungspotenzial

Von Adrian Franke
Pal Dardai absolviert derzeit seine erste Vorbereitung mit der Hertha
© getty

Die Hertha will, womöglich mit neuen Geldern, nach vorne schauen und die Zitterpartie aus dem Vorjahr möglichst schnell abhaken. Der frisch gebackene Cheftrainer Pal Dardai setzt auf aggressives Flügelspiel, Pressing - und ein neues Herz. Ein Quasi-Neuzugang und ein rigoroses Leistungsprinzip sollen ebenfalls helfen. Doch vor alledem steht viel Arbeit.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Es war eines der schwächsten Bayern-Bundesliga-Heimspiele der vergangenen Saison, dabei war die vorzeitige Meisterschaft zum Greifen nah. Manuel Neuer musste mehrfach in allerhöchster Not retten, die abstiegsgefährdete Hertha schnupperte am sensationellen Auswärts-Dreier - bis schließlich Mitchell Weiser kam.

Der Youngster setzte auf dem rechten Flügel zu einem unwiderstehlichen Solo an, ließ mit kurzen Körpertäuschungen und seinem explosiven Antritt drei Berliner stehen und die flache Hereingabe knallte Bastian Schweinsteiger in den Winkel. Aus den verbleibenden vier Bundesliga-Spielen holte die Hertha nur noch einen Punkt, es reichte gerade so und vor allem dank der schwachen Konkurrenz zum Klassenerhalt. Doch jetzt soll alles anders werden.

Vorbereitung? Knüppelhart und wissenschaftlich

Der frisch gebackene Cheftrainer Pal Dardai sorgte zum Start der Saisonvorbereitung höchstpersönlich dafür, dass auch wirklich jeder diese Botschaft mitbekommt: "In der vierwöchigen Vorbereitung zählt nichts anderes außer Fußball. Die Jungs sollen trainieren, essen und schlafen. Das wird knüppelhart, aber das brauchst du, um für die Saison gewappnet zu sein.

Weiter fügte der Ungar hinzu: "Wir haben das alles sportwissenschaftlich geplant. Das Fußballerische gehört dazu. Wenn wir das alles ohne Verletzungen durchziehen können, dann habe ich keine Sorgen." Die Hertha hat einen klaren Plan, und der geht über die pure Fitness hinaus. Das zeigt die Einkaufspolitik, genau wie Dardais Ansagen.

"Ich werde die Mannschaft etwas nach vorne schieben", kündigte er jüngst im Gespräch mit der BZ mit Blick auf die taktischen Änderungen an und fügte hinzu: Wir wollen weg vom 4-4-1-1, hin zum 4-1-4-1 oder 4-3-3. Wir brauchen mehr Tempo, mehr Präzision, mehr Flanken."

"Ganz anderes Bedrohungspotential"

Kurzum: Die Berliner brauchen ein deutlich verbessertes Flügelspiel und genau hierauf legten Dardai und Manager Michael Preetz in der laufenden Transferperiode früh ihr Augenmerk. Fast folgerichtig wurde so ausgerechnet Weiser, dessen Vertrag beim FC Bayern trotz einiger auffälliger Spiele in der Rückrunde nicht verlängert wurde, der erste Neuzugang in der Hauptstadt.

Auch einige namhaftere Klubs hatten Interesse gezeigt, "aber die Hertha hat sich am meisten um mich bemüht. Hier habe ich das beste Gefühl", gab der 21-Jährige, der erst 17 Bundesligaspiele im Lebenslauf stehen hat, nach der Unterschrift in der Bild zu Protokoll.

Mittlerweile kann er schon bestätigen: "Das Training ist hier anstrengender als bei Bayern. Aber es ist auch normal. Wenn man kein Verein wie Bayern mit so starken Technikern im Team ist, muss man mehr Ausdauertraining machen, um in der Bundesliga zu bestehen. Das ist die Basis."

Ein weiterer Spieler für die Außenbahn soll noch kommen, Gerüchte um Balazs Dzsudzsak halten sich seit Wochen. Auch Sidney Sam war ein Thema. Dardais Grundsatz ist klar: Der Berliner Cheftrainer ist sicher, dass er mit schnellen, dribbelstarken Außenspielern "ein ganz anderes Bedrohungspotential" hat: "Du kannst besser umschalten, der Gegner hat Angst, hält mehr Abstand und du hast automatisch mehr Ballbesitz."

Neues Herz, neues Glück?

Damit die Berliner dann mit dem eigenen Ballbesitz auch mehr anfangen als noch im Vorjahr und gleichzeitig auch ein systematischeres Pressing spielen können, wurde fürs zentrale Mittelfeld ein weiterer vielversprechender Neuzugang geholt: Vladimir Darida, an dem ebenfalls mehrere Klubs dran gewesen sein sollen, entschied sich für die Hertha - und soll das neue Herzstück in Dardais Team werden.

"Wir sind sehr froh, mit Vladimir Darida eine zentrale Position in unserem Team ganz hervorragend besetzt zu haben. Er ist ein junger, aber trotzdem erfahrener, variabler Spieler, der dem Spiel unserer Mannschaft viele wichtige Impulse geben wird", strahlte Preetz und Darida berichtete: "Nach guten Gesprächen mit den Verantwortlichen war klar, dass ich nur dahin wechseln wollte."

Dardai kann mit Darida gleich mehrere Baustellen angehen, der Ex-Freiburger kann im zentralen Mittelfeld defensiv wie offensiv eingesetzt werden. Am wahrscheinlichsten ist eine Rolle als Spielgestalter aus der Tiefe heraus, schließlich kann so auch Daridas Laufstärke zum Tragen kommen: In der vergangenen Bundesligasaison gehörte er zu den laufstärksten Spielern im Oberhaus.

Keiner ist gesetzt

Eine mögliche offensive Ergänzung zum Tschechen könnte in Form eines Quasi-Neuzugangs kommen: Alexander Baumjohann hat seine fast zweijährige Leidenszeit infolge von zwei Kreuzbandrissen beendet und feierte beim Testspiel gegen Rayo Vallecano (0:1) sein Comeback. Der 28-Jährige ließ schon wieder aufblitzen, dass er der Hertha im offensiven Zentrum spielerische Impulse geben kann und besser zum geplanten schnellen Umschaltspiel passt als etwa der aussortierte Ronny.

Auch Dardai lobte Baumjohann, der Valentin Stocker so entlasten kann, ausdrücklich, und stellte doch gleichzeitig in der BZ klar: "Bei mir bekommt jeder Spieler in der Vorbereitung die gleiche Chance und die gleiche Spielzeit. Nach dem Trainingslager in Österreich wird man dann bereits sehen, auf wen ich in Zukunft setze. Es gab immer mal Trainer, die nach Namen oder Erfolgen aufgestellt haben. So etwas wird es bei mir nicht geben."

Kaderplanung mit neuem Investor?

Die Kaderplanungen laufen ebenfalls weiter. Neben den Flügeln bleibt auch das Sturmzentrum weiter eine Baustelle, zumal der bislang in der Vorbereitung so überzeugende Sami Allagui aufgrund einer Knieverletzung für etwa vier Wochen ausfällt. Ronny, Änis Ben-Hatira, Peter Niemeyer, Rune Jarstein und Sandro Wagner dürfen noch gehen, Johnny Heitinga, Marcel Ndjeng und Fabian Holland sind bereits weg.

Doch neben den Spielerverkäufen könnte die Herta auch anderweitig an zusätzliche finanzielle Mittel kommen. Klubpräsident Werner Gegenbauer erklärte in der vergangenen Woche im RBB: "Mit dem Einstieg von Investor KKR haben wir die Probleme der Vergangenheit bewältigt. Wir arbeiten jetzt daran, einen weiteren Investor zu bekommen, um die Möglichkeit zu haben, dann den nächsten Sprung zu machen. Sie bekommen es im Fußball nicht ohne Geld hin."

Nachdem der Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts (KKR) im Februar 2014 eingestiegen war, könnten jetzt also weitere Aktienanteile verkauft werden. Immerhin wurden von den KKR-Millionen angeblich nichts in die Mannschaft gesteckt, und stattdessen Finanzen umstrukturiert und Verbindlichkeiten abgetragen.

Dardai nun ausschließlich Hertha-Coach

Laut BZ wurde nun ein Dreijahresvertrag mit einem Wettanbieter abgeschlossen, der dem Verein 18 Millionen Euro in drei Jahren bringen soll. Abseits des Platzes geht es also aufwärts für den Klub aus der Hauptstadt. Das soll sich mit Darida, Weiser und Co. jetzt auch auf den Rasen übertragen.

Dabei bauen die Berliner auf Dardai. Jüngst zog der Verein die Option, die Dardai von seiner Aufgabe als Ungarn Nationaltrainer entbindet, sodass er sich voll auf die Vereinsarbeit konzentrieren kann. "Ich arbeite hier aus Leidenschaft, lebe und liebe Hertha", stellte der 39-Jährige gegenüber der Bild klar: "Ich erwarte eine riesige Steigerung. Der erste Schwerpunkt sind 40 Punkte, so schnell wie möglich. Wenn das geschafft ist, können wir über mehr reden."

Davor aber steht, und das sollte inzwischen niemanden mehr überraschen, viel Arbeit in der verbleibenden Saisonvorbereitung an: "Die Grundlagen haben die Jungs gelegt. Jetzt werden wir an der Taktik arbeiten."

Alles zu Hertha BSC