Backup mit Handicap

Von Daniel Reimann
Heinz Lindner (M.) spielte vor seinem Wechsel nach Frankfurt elf Jahre lang für Austria Wien
© imago

Frankfurts Nachfolger-Suche für Kevin Trapp gestaltet sich kompliziert. Der Zeitdruck spricht für den eigentlichen Ersatzmann Heinz Lindner. Doch eine entscheidende Schwäche könnte ihm zum Verhängnis werden.

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Knapp zwei Jahre ist es her, da erfüllte sich der große Traum von Heinz Lindner. Der Traum jenes Torhüters, der beinahe Leichtathlet geworden wäre, der einst Nachwuchs-Bundesmeister im Vierkampf war. Plötzlich stand dieser Keeper auf Europas größter Fußball-Bühne.

In der Champions League traf er mit Austria Wien auf Zenit St. Petersburg, den FC Porto und sogar den späteren Finalisten Atletico Madrid. Am 5. Gruppenspieltag wurden seine starken Leistungen sogar mit einer Nominierung für das Teams des Spieltags gewürdigt. "Diese Erfahrung war etwas ganz, ganz besonderes. Da konnte man eine Menge Erfahrung mitnehmen, die für meine Zukunft sehr wichtig sein wird", sagt Lindner rückblickend.

Im Sommer 2015, die Austria Wien verfehlt die Königsklasse als Siebter um Längen, ist es nun Kevin Trapp, der vor der Erfüllung seiner Träume steht. "Ich habe von Frankfurt aus die Champions-League-Spiele verfolgt. Zlatan Ibrahimovic, Thiago Silva, Maxwell, David Luiz und all die anderen großen Namen - das sind Weltklassespieler", sagte er bei seiner Vorstellung bei Paris St.-Germain. Künftig wird er an der Seite dieser Weltstars selbst in der Champions League auflaufen.

Als Nummer zwei geholt: "Er ist kein Blinder"

Bleibt die große Frage, wer in Frankfurt seinen Platz im Tor einnehmen wird. Zwar wurde mit Lindner bereits ein neuer Keeper verpflichtet, doch der sollte von Vornherein nur als Backup dienen. "Als ich mich für die Eintracht entschied, war das Interesse von PSG an Trapp noch gar nicht publik", verriet er im Kicker.

Dementsprechend zurückhaltend äußern sich die Verantwortlichen bisher zu dessen Chancen auf die Nummer eins. "Die Zeit ist zu kurz, dass ich Heinz endgültig beurteilen kann. Aber mein Eindruck ist gut", sagt Trainer Armin Veh und konstatiert immerhin: "Er ist kein Blinder." Auch Torwarttrainer Manfred Petz gibt sich nur bedingt euphorisch: "Er ist ein junger Mann mit Potenzial, da kann man schon was rausholen."

Auch der Keeper selbst will keine dicke Lippe riskieren. Wenn man von Österreich nach Deutschland wechsle, könne man nicht erwarten, "sofort die Nummer eins zu sein", gibt sich der 24-Jährige bescheiden. Zumal noch längst nicht klar ist, mit wem er künftig um den Platz im Eintracht-Tor wetteifern muss.

Suche nach Trapp-Nachfolger kompliziert

Zwar ist sicher, dass Frankfurt noch einen weiteren Keeper verpflichtet, doch die Suche nach einem Trapp-Nachfolger gestaltet sich komplizierter als erwartet. Die größte Hürde stellen dabei ausufernde Gehalts- und Ablöseforderungen dar.

Sowohl die Verhandlungspartner als auch die Wunschtorhüter wissen, dass Frankfurt für Trapp eine Rekordablöse in Höhe von neun Millionen Euro erhielt, die durch mögliche Bonuszahlungen sogar in den zweistelligen Millionenbereich klettern könnte.

Daran scheiterte schon die Verpflichtung von Australiens Nationalkeeper Mathew Ryan vom FC Brügge. Der 24-Jährige sei laut Sportdirektor Bruno Hübner zwar ein "sehr guter Torwart, aber er ist nicht finanzierbar." Fünf Millionen soll sein Verein verlangt haben. Zu viel für Hübner, der betont: "Wir schwimmen ja nicht im Geld."

Auch Veh scheint genervt von den hohen finanziellen Erwartungen, mit denen sich die Eintracht neuerdings konfrontiert sieht. "Ein paar Schlaumeier meinen, dass wir jetzt alles zahlen", grantelte er. Denn auch im Fall Weidenfeller, an dem Frankfurt ebenfalls interessiert sein soll, scheint der finanzielle Aspekt das entscheidende Hindernis zu sein. Mittlerweile sprechen sich die BVB-Bosse ausdrücklich für einen Verbleib des Weltmeisters aus.

Eine entscheidende Schwäche

Der Pool der Kandidaten schrumpft nach und nach. Laut Sport1 sollen nun nur noch Jaroslav Drobny, Tom Starke und Jens Grahl zur Debatte stehen. Doch eine eindeutige Tendenz ist bisher noch nicht durchgedrungen. Die Uhr tickt weiter - und sie tickt für Lindner.

Der Österreicher ist nicht nur "kein Blinder", sondern ein richtig guter Schlussmann. Als die Austria 2013 Meister wurde, krönte man ihn zum "Torhüter der Saison".

Auf der Linie ist Lindner eine Bank, seine Reflexe sind beeindruckend. Auch im Eins-gegen-Eins ist er nur schwer zu überwinden. Allerdings hat der 23-Jährige eine Schwäche, die ihm gerade im von Torhütertalenten gesegneten Deutschland zum Verhängnis werden könnte. Er ist kein geborener mitspielender Torhüter.

"In Deutschland wird von einem Tormann ein sehr modernes Spiel verlangt. Du musst mitspielen, viel antizipieren, die Angriffe einleiten", stellte Lindner schon vor seinem Wechsel fest. Genau darin hat er noch Luft nach oben. "Beim Mitspielen muss er sich verbessern, er muss früher rauskommen", fordert Veh bereits nach den ersten Trainingseindrücken.

Die Zeit drängt...

Strafraumbeherrschung, Antizipation, das richtige Gefühl für den Moment, in dem der Torwart gebraucht wird: All diese Attribute finden sich bei deutschen Keepern im gleichen Alter zuhauf. Es ist kaum vorstellbar, dass die sportliche Führung der Eintracht nach den Jahren mit Trapp in dieser Hinsicht zu Abstrichen bereit ist.

Gleichzeitig steigen Lindners Chancen, je länger sich die Verhandlungen mit möglichen Konkurrenten in die Länge ziehen. Mit jedem Tag, den er mit dem Team trainieren, an seinen Defiziten arbeiten und sich in Freundschaftsspielen mit seiner Viererkette abstimmen kann.

Die Zeit drängt für die Eintracht-Bosse, schließlich hat Trainer Veh selbst eine halbwegs verbindliche Deadline vorgegeben. "Es wäre notwendig, dass die beiden Neuen bis zum zweiten Trainingslager da sind", sagte der Coach über die gewünschten Neuzugänge im Tor und auf dem linken Flügel.

Der Abreisetermin ins zweite Trainingslager naht jedoch mit großen Schritten. Am 18. Juli geht es für die Eintracht-Profis nach Windischgarsten in Österreich. Einen Tag vorher feiert Heinz Lindner seinen 25. Geburtstag. Doch schon jetzt ist jeder Tag, an dem ihm kein neuer Keeper vor die Nase gesetzt wird, Geschenk und Chance zugleich.

Heinz Lindner im Steckbrief

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