Ein Großer wird leise gegangen

Von Adrian Franke
Roman Weidenfeller wird den BVB aller Voraussicht nach verlassen
© getty

Eine offizielle Verabschiedung oder eine Abschieds-PK hatte Roman Weidenfeller in den vergangenen Wochen im Gegensatz zu seinen langjährigen Weggefährten Sebastian Kehl und Jürgen Klopp nicht, und doch gilt es als offenes Geheimnis: Nach 13 Jahren nimmt eine absolute Dortmunder Identifikationsfigur ihren Hut. Beim BVB endet damit eine Ära - und das genauso unerwartet wie unweigerlich.

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"Bei Roman müssen wir abwarten, wie er diese veränderte Situation annimmt." Wirklich überzeugend wirkte es nicht, als der neue BVB-Coach Thomas Tuchel bei Sky zum neuen Torwart-Luxusproblem bei Borussia Dortmund Stellung nahm. Umso eindringlicher klang aber, was er mit Blick auf Weidenfeller hinterher schob: "Wir werden da noch sehr ehrlich miteinander sprechen und eine gute Lösung finden."

Es scheint die Ankündigung des Unvermeidbaren zu sein: Nach 13 Jahren bei Borussia Dortmund, knapp verhinderten Abstiegen, dem Beinahe-Bankrott und 425 Pflichtspielen im Trikot der Schwarz-Gelben, geht die Zeit von Roman Weidenfeller beim BVB zu Ende. Für die Dortmunder Identifikationsfigur könnte zu allem Überfluss nicht nur bei dem einen Abschied bleiben.

Wembley: Höhepunkt in vielerlei Hinsicht

Rückblick: Das Londoner Wembley Stadion vor fast genau zwei Jahren. Nach zwei Meisterschaften in Folge hatte die Ära von Jürgen Klopp in Dortmund ihren Höhepunkt erreicht, der BVB stand im Champions-League-Finale gegen den FC Bayern. Die Münchner hatten Chance um Chance, doch Weidenfeller bewahrte den BVB mit allem was er hatte mehrfach vor dem frühen Rückstand.

Am Ende konnte Weidenfeller auch mit einigen Großtaten in der Schlussphase die Niederlage nicht verhindern. Doch der BVB war mit einem tollen Finale in der Weltspitze angekommen und schien eine ernsthafte Chance zu haben, sich national langfristig als Bayern-Herausforderer etablieren zu können.

Gut eineinhalb Jahre später war vom Dortmunder Höhenflug nur noch wenig zu sehen. Die Borussia hatte die Hinrunde der gerade abgeschlossenen Saison auf dem vorletzten Platz beendet und im Achtelfinale der Champions League hatte der BVB gegen Juventus Turin keine Chance.

Mit einer guten Rückrunde endete die Saison für den Klub letztlich halbwegs versöhnlich, doch der feststehende Klopp-Abgang leitete frühzeitig den Umbruch ein. Dass davon auch Weidenfeller betroffen sein würde ließ sich zunehmend erahnen - und so sollte die zweite Saisonhälfte für ihn alles andere als ein versöhnliches Ende parat haben.

Mit Langerak "immer gewonnen"

Backup Mitch Langerak war bereits Anfang Dezember für ihn in die Startelf gerutscht, Klopp sprach von der "Frische" und dem "Lächeln von Mitch", das er im Tor sehen wollte. Gleichzeitig sei es eine Bauchentscheidung gewesen und Klopp betonte immer wieder, dass es kein endgültiger Wechsel war. Und doch bekam man den Eindruck, dass Weidenfeller wohl ohne Langeraks Abstellung zum Asien-Cup im Januar seinen Platz zwischen den Pfosten nicht zurück bekommen hätte.

Mit Weidenfeller fand der BVB dann aber wieder zurück in die Spur, es reichte am Ende für ihn trotzdem nicht. Eine Rückenverletzung Mitte April sollte die letze Phase des bemerkenswert rasanten Abstieges, immerhin hatte er sich nie etwas zuschulden kommen lassen, des Schlussmannes bedeuten.

Denn Langerak blieb zwischen den Pfosten, auch als Weidenfeller wieder fit war, und endgültig kamen Gerüchte über einen Abschied zum Saisonende auf. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke stellte vor dem DFB-Pokalfinale klar: "Es gibt keine Probleme. Mitch hat in den vergangenen Wochen immer gespielt - und wir haben immer gewonnen."

Bürki-Transfer als Statement

Doch damit nicht genug: Auch das Vertrauen in Langerak hinderte Dortmund nicht daran, nach Saisonende mit Freiburgs Roman Bürki die neue vermeintliche Nummer eins zu verpflichten. Der Schweizer gilt nach seiner starken Vorsaison als Wunschkandidat des neuen Trainers Thomas Tuchel, aus Dortmunder Kreisen lässt sich übereinstimmenden Berichten zufolge vernehmen, dass Langerak Bürki um den Stammplatz herausfordern wird.

Tuchel bestätigte das indirekt bei Sky, auch wenn er betonte, dass Bürki nichts garantiert wurde: "Roman wurde auf jeden Fall verpflichtet, mit der Möglichkeit, die Nummer eins zu werden. Das ist sein Wunsch, sein Ehrgeiz, und das ist auch unser Wunsch und auch unser Ehrgeiz, dass er diesen Konkurrenzkampf annimmt." Kurzum: Für Weidenfeller ist plötzlich kein Platz mehr.

Weidenfeller will spielen

Ein reiner Kaderplatz, womöglich sogar nur als Nummer drei, ist für den 34-Jährigen auch im Herbst seiner Karriere ohnehin nicht das Ziel. Weidenfeller hat weiter Ambitionen und will spielen, weshalb er eine klare Forderung in Richtung der Dortmunder Verantwortlichen parat hatte: "Der Verein muss mir mitteilen, wie er mit mir plant. Dass ich spielen möchte, ist doch eine Selbstverständlichkeit."

Allein in Dortmund wird sich die Chance darauf für den langjährigen Rückhalt und einen der großen Keeper der Gerry-Ehrmann-Schule wohl trotz seines Vertrages bis 2016 nicht mehr bieten.

Gleiches gilt nach nur einem Pflichtspiel womöglich auch schon wieder für die Nationalmannschaft, wo der Abstieg noch deutlich unspektakulärer verlaufen dürfte.

"Erst einmal in den Urlaub ans Meer"

Mit 33 Jahren und 105 Tagen war Weidenfeller im November 2013 noch vor Toni Turek der älteste Torhüter-Debütant im DFB-Trikot, nach seinen herausragenden Leistungen im BVB-Trikot kam Bundestrainer Joachim Löw einige Monate später auch nicht drum herum, Weidenfeller als Nummer zwei mit zur WM nach Brasilien zu nehmen. Und doch brauchte es das EM-Quali-Spiel gegen Gibraltar am vergangenen Samstag, dass er der Routinier auch in einem DFB-Pflichtspiel zum Einsatz kam.

Weidenfeller bewahrte Deutschland mit mehreren starken Paraden vor einem Gegentreffer gegen den Fußball-Zwerg, und das nachdem ihm auch Löw, ähnlich wie Tuchel, indirekt den Laufpass gegeben hatte. "Die Zukunft gehört natürlich den jungen Torhütern", kündigte Löw vor dem Anpfiff des letzten Saisonspiels an.

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich so viel zu tun bekomme. Aber ich habe ja keinen rein gelassen, dann ist doch alles in Ordnung", grinste der Noch-Dortmunder entspannt nach der Partie. Für Zukunftsgedanken ist schließlich immer noch genügend Zeit: "Ich fahre jetzt erst einmal in Urlaub ans Meer und dann sehen wir weiter." Am Tag nach dem 7:0 über Gibraltar machte Dortmund den Bürki-Transfer perfekt.

Stuttgart oder das Ausland?

Und so dürfte die Zukunftsplanung Weidenfeller früher einholen als ihm lieb ist. Besiktas wird Interesse nachgesagt, von den Türken gibt es dem Vernehmen nach sogar schon ein Angebot. Auch mehrere englische Klubs sind wohl dran, Weidenfeller, der 2003 einst Jens Lehmann nach dessen Wechsel zum FC Arsenal als Nummer eins beim BVB abgelöst hatte, ist es durchaus zuzutrauen, noch einige weitere Jahre im Tank zu haben.

Die "veränderte Situation", wie es Tuchel so durch die Blume beschrieben hatte, wird es ihm schwer machen, diese Jahre in Dortmund zu verbringen - und auch vom BVB abgesehen scheinen die Optionen in der Bundesliga rar gesät. Zumindest eine Variante ist denkbar: Nach dem überraschenden Wechsel von Sven Ulreich zum FC Bayern wird der VfB Stuttgart inzwischen gehandelt.

Bis dahin hat Weidenfeller selbst eine einfache Devise. "Ich habe noch Vertrag bis 2016", so seine Ansage in der Bild, "und gehe davon aus, dass ich den auch erfüllen werde und zum Trainingsauftakt am 29. Juni wieder auf dem Platz stehe." Dass das am Ende die von Tuchel angesprochene Lösung sein wird, darf aber wohl mehr als bezweifelt werden.

Roman Weidenfeller im Steckbrief

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