"...dann hat er das Niveau für Bayern"

Douglas Costa (l.) im Duell mit Bayerns Franck Ribery
© getty

Douglas Costa soll dem FC Bayern München 35 Millionen Euro wert sein. Ist die Ablösesumme gerechtfertigt? Hätte Costa überhaupt das Zeug, um sich in München durchzusetzen? Bei SPOX spricht der ukrainische Journalist Oleksandr Sereda über die Fähigkeiten des Brasilianers.

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SPOX: Schachtjor Donezk hat in der nahen Historie etliche Brasilianer unter Vertrag genommen und diese teils gewinnbringend wieder verkauft. Wo ist Douglas Costa anzusiedeln?

Oleksandr Sereda: Es ist schwer, Douglas Costa mit den anderen Brasilianern, die für Schachtjor gespielt haben, zu vergleichen. Aber betrachtet man das reine Talent und sein Potenzial, ist er einer der besten Spieler, die je für diesen Verein gespielt haben. Ich glaube, es wäre keine Übertreibung zu sagen, dass er womöglich sogar der Beste ist. Er ist auf jeden Fall auf einer Stufe mit Willian und Fernandinho.

SPOX: Er hat vier Jahre für Donezk gespielt, der Vertrag läuft bis 2018. Schachtjor ist nicht dafür bekannt, seine Spieler loswerden zu wollen. Warum sollte man ihm dann die Freigabe für Bayern geben?

Sereda: Wenn der Transfer durch ist, wird das in erster Linie mit den Wünschen und Vorstellungen des Spielers zusammenhängen. Und da ist noch Trainer Mircea Lucescu, der seit jeher sagt, dass er keinen Spieler haben will, der seine Zukunft nicht bei diesem Klub sieht. Bei Douglas Costa macht er da keine Ausnahme.

SPOX: Die kolportierte Ablöse liegt bei 35 Millionen Euro. Ist die Summe angemessen?

Sereda: Wenn die Bayern bereit sind, so viel zu zahlen, wird er das schon wert sein. Die Frage kann nur Douglas Costa selbst beantworten, indem er sein Potenzial, das er zweifelsfrei hat, abruft. Er ist 24 und dennoch hat er sehr viel Luft nach oben, was die Entwicklung angeht. Wenn er diese Entwicklung macht, bekommt Bayern einen kompletten Spieler.

SPOX: Die Fußball-Fans in Deutschland verbinden den Namen Douglas Costa mit dem Mann, der in zwei Spielen gegen Bayern im Achtelfinale der Champions League zwei Mal hätte Rot sehen müssen. Ist er ein "böser Junge" oder war er einfach nur übermotiviert?

Sereda: Douglas war und ist kein "böser Junge" und er ist - erlauben Sie mir den Ausdruck - kein dreckiger Spieler. Das Image hat er in der Ukraine nicht. Er war gegen Bayern sehr motiviert, er war entschlossen, seine Fähigkeiten gegen einen europäischen Top-Klub zu zeigen. Man darf das also nicht überbewerten.

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SPOX: Was sind seine wichtigsten Fähigkeiten?

Sereda: Es ist vor allem seine tolle Technik, gepaart mit ungeheurer Wucht in seinen Vorstößen. Er ist ein überragender Dribbler und schießt super Freistöße. Es ist eine Freude, ihm beim Fußballspielen zuzuschauen. Was ihn auch ausmacht: Er trifft oft unerwartete Entscheidung und war deswegen nicht selten der entscheidende Mann in engen Spielen.

SPOX: Er ist primär ein Mann für die rechte Seite. Genauso wie Arjen Robben. Könnte er die gleichen Qualitäten auch auf der linken Seite zeigen? Denn die Bayern suchen ja eher einen für die Position von Franck Ribery.

Sereda: Es ist richtig, dass Douglas mehr zur rechten Seite tendiert. Er zieht oft nach innen, sucht den Abschluss oder spielt den tödlichen Pass.

SPOX: Klingt sehr nach Arjen Robben...

Sereda: Ja und eine andere Parallele ist, dass Mircea Lucescu in seinem 4-2-3-1-System seine Offensivspieler selten statisch spielen lässt und diese oft rochieren. Sie tauschen die Positionen, suchen verschiedene Räume. Ich habe keine Bedenken, dass Douglas Costa auch auf der linken Seite effizient sein kann. Vorausgesetzt, man setzt seiner Kreativität keine Grenzen.

SPOX: Von Lucescu, der vor seiner Donezker Zeit ein Verfechter des Catenaccio war, stammt die Aussage, dass Douglas Costa auch in der Defensive ein wichtiger Spieler sein kann. Stimmen Sie ihm zu?

Sereda: Als Darijo Srna vor Jahren zu Schachtjor wechselte, war er uns als sehr offensiver Außenbahnspieler im Mittelfeld bekannt. Das hatte er bei Hajduk Split gespielt. Lucescu hat Srna zu einem der besten Außenverteidiger der Welt entwickelt. Wenn Lucescu, der wie Sie richtig sagen, eine Vorliebe für die Defensive hat, an Costas Fähigkeiten in der Rückwärtsbewegung glaubt, würde ich es nicht ausschließen, dass Douglas Costa eines Tages ein sehr guter Außenverteidiger wird.

SPOX: Einige Spieler, die Donezk Richtung große europäische Ligen verlassen haben, hatten Probleme. Sehen Sie bei Douglas Costa ein Risiko?

Sereda: Ich sehe da kein Muster. Vielmehr muss man jede Geschichte individuell bewerten. Grundsätzlich ist zu sagen, dass sich die ukrainische Premier League und die europäischen Top-Ligen in der Klasse der Gegner unterscheiden. Bis zu den Geschehnissen in Donbas hat Schachtjor den ukrainischen Fußball total dominiert. Damit meine ich nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Art und Weise, wie man die Spiele dominiert hat. Der Unterschied zum Rest war gigantisch. Verlässt ein Spieler diese "Komfortzone", muss er sich umstellen. Wobei Douglas Costa zu einem Klub geht, der in einer ähnlichen Situation ist.

SPOX: Das galt auch für Henrikh Mikhitaryan, der Schachtjor für 27,5 Millionen Euro verließ und nach Dortmund ging. Es wird gemunkelt, dass der BVB bereit sei, ihn zu verkaufen, wenn ein lukratives Angebot kommt. Salopp gefragt: Könnte Douglas ein neuer Mikhitaryan werden?

Sereda: Das sind komplett verschiedene Spieler. Hendrikh ist mehr Arbeitstier, der viel Eifer an den Tag legt, der nicht immer für das Auge spielt. Douglas ist mehr der Künstler. Er hat alle Zutaten, um in der Bundesliga aufzutrumpfen und eine große Nummer zu werden. Er ist extrem talentiert und wie vorhin schon gesagt: Die Fußball-Philosophien von Lucescu und Pep Guardiola ähneln sich sehr, was die Eingewöhnung von Douglas beschleunigen sollte.

SPOX: Die Chancen, erfolgreich zu sein, steigen, wenn man sich anpasst. An die Spielweise, aber auch die Mentalität. Beim FC Bayern gilt das ganz besonders. Wie schätzen Sie diesbezüglich Douglas Costa ein? Wie war er in der Ukraine?

Sereda: Es ist unnötig zu sagen, dass es für einen Brasilianer schwierig ist, sich an die Ukraine und an den Fußball in diesem Land schnell zu gewöhnen und sich anzupassen. Es ist alles anders: Die Mentalität, das Wetter, die Art und Weise, wie man Fußball spielt. Douglas' Vorteil war, dass einige Brasilianer schon da waren, als er damals nach Donezk kam und sie ihm die Eingewöhnung vereinfacht haben. Dazu kommt, dass Lucescu sehr gut Portugiesisch spricht und Brasilianer liebt. Das hat alles geholfen.

SPOX: Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hat gesagt, dass die Bayern nur Spieler verpflichten, die auch das Niveau haben, beim FC Bayern in der Startelf zu stehen. Herr Sereda, ist Douglas Costa auf diesem Niveau?

Sereda: Ruft er sein Potenzial ab und setzt er sein Talent ein, das sich vor Arjen Robben und Franck Ribery nicht verstecken braucht, hat er das Niveau für Bayern. Davon bin ich überzeugt.

Zahlen und Fakten zu Douglas Costa

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