Vom Krieg in die Wolken

Douglas Costa lieferte sich mit Franck Ribery ein Duell jenseits des Erlaubten
© getty

Bayerns erster großer Sommer-Transfer ist im Anflug auf München. Mit Douglas Costa kommt ein Hochbegabter, der den Rummel um seine Person nicht immer verkraftet hat. Mit Verspätung will er die Fragezeichen um seine Person wegwischen. Stürzt ausgerechnet er König Franck?

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Wenn man an Douglas Costa und den FC Bayern denkt, muss man aufpassen. Aufpassen, nicht komplett in Phrasen zu verfallen. Dass man sich im Leben immer zweimal sieht, zum Beispiel. Oder dass solche Geschichten auch nur der Fußball schreibt. Ausgerechnet er, möchte man sagen, wenn man an Douglas Costa und den FC Bayern denkt.

Costa wird, da ist man sich vom Boulevard-Blatt bis ins Insider-Hinterstübchen sicher, von Schachtjor Donezk zum FC Bayern wechseln. Nur noch der Medizincheck soll zwischen einem Vier- oder Fünfjahresvertrag stehen, schreibt der Kicker. "Wer würde nicht gerne für Bayern spielen?", sagte Costa selbst in der Sport Bild.

Ausgerechnet jener Costa, der vergangene Saison in der Champions League die Münchner zur Weißglut trieb. Nicht mit Toren und Dribblings, sondern mit Tritten und Schlägen, vor allem gegen Franck Ribery.

Seit dem Spiel im März gegen die Ukrainer von Schachtjor - und da ist es wieder, das "ausgerechnet" - fehlt Ribery. Ein paar Tage sollte der Franzose pausieren. Doch aus Tagen wurden Wochen, aus Wochen Monaten und mittlerweile ist es wahrscheinlich, dass der Franzose sogar den Trainingsauftakt verpassen wird.

Und weil auch nur der Fußball solche Geschichten schreibt, dass sich genau Costa und die Bayern zweimal sehen, könnte König Franck, wie man ihn an der Isar ruft, ausgerechnet von seinem einstigen Peiniger gestürzt werden. Dahinter steht natürlich so viel Theorie wie Konjunktiv, doch während der Brasilianer hierzulande am ehesten mit einer hochgezogenen Augenbraue bedacht wurde, haben Experten und Weggefährten wenig Zweifel am Erfolg des 24-Jährigen in München.

Kopf in den Wolken, Vertrag in Donezk

Douglas Costa de Souza war elf Jahre alt, als er für seinen Heimatklub EC Novo Hamburgo die Schuhe schnürte. Bis sich der Knirps mit dem Ausnahmetalent auf den Fußballplätzen von Gremio Porto Alegre, einem der größten Vereine Brasiliens, wiederfand, dauerte es nicht einmal ein Jahr. Bei Gremio hatten schon viele den Absprung geschafft, so auch sein großes Idol Ronaldinho. Früh war alles angerichtet.

Sechs Jahre schuftete Costa in den Jugendmannschaften der Schwarzblauen. Mit der U20 räumte er schließlich alles ab. Torschützenkönig und Spieler des Turniers beim Punta Cup, einem der wichtigsten Jugendturniere Südamerikas, Torschützenkönig und Pokalsieger der Taca Belo Horizonte de Juniores. Als ihn Gremios Chefcoach Celso Roth das erste Mal für die erste Mannschaft aufstellte, 2008 war das, traf Costa nach 33 Minuten beim 2:1 gegen Botafogo. Vier Tage später siegte Gremio gegen Santos mit 2:0. Costa bereitete beide Treffer vor.

Und wie das im Fußball nun mal so ist, waren nicht wenige Klubs angetan von dem, was ihre Scouts aus Brasilien zu berichten hatten. Barcelona und andere spanische Klubs, tönte Berater Cesar Bottega damals, hatten ihre Visitenkarten schon längst abgegeben. Liverpool wollte ihn zum Vor-Ort-Test gar nach England holen. Manchester Uniteds Trainerlegende Sir Alex Ferguson sprach vom damals 18-Jährigen als " größtes Talent, das Südamerika im Moment zu bieten hat". Ja, sogar den Bayern wurde Costa auf die Wunschliste geschrieben.

So viele Topklubs in der Schlange, so viel Millionen im Hinterkopf, so nahe am großen Traum - da kann man als junger Brasilianer leicht den Kopf verlieren. Die Trainingsleistungen sollen plötzlich nicht mehr gestimmt haben, Costa war mit dem Kopf nicht mehr auf dem Fußballplatz, sondern in den Wolken, in Manchester und Barelona. Zwei Jahre später setzte er seine Unterschrift dann tatsächlich unter einen Vertrag in Europa. Aber nicht in Manchester oder Barcelona, sondern bei Schachtjor Donezk.

"Konnte sich nicht mehr weiterentwickeln"

Der Traum von den ganz großen Namen lebte bei Costa allerdings weiter. "Ich werde nicht mein Leben lang für Donezk spielen", verkündete er bereits bei seinem Dienstantritt. Vielleicht ein oder zwei Jahre, meinte Costa. Er sei eben Realist und kein Zocker, zumindest abseits des Fußballplatzes.

Was als Durchlaufstation angedacht war, ist seit fünf Jahren Costas Heimat. Eine Heimat, in der mittlerweile Krieg herrscht. Und die er nach fünf Meisterschaften und drei Pokalsiegen endlich verlassen möchte.

Steine werden Costa dabei trotz Vertrags bis 2018 nicht in den Weg gelegt. Warum? Weil sein Trainer bei Schachtjor Mircea Lucescu ist. Ein 69-jähriger Pragmatiker, ein Taktiker, jemand, der sich nach elf Jahren und 482 Spielen an der Seitenlinie von Schachtjor nichts vormacht. Geld braucht der Oligarchen-Klub aus Transfers nicht, doch hat Lucescu wenig Lust auf Spieler, die nicht wirklich für Donezk spielen wollen. "Bei uns konnte er sich nicht mehr weiterentwickeln", so sein Kommentar zum bevorstehenden Abschied.

Königstransfer ist anders. Oder?

Mit einigen Jahren Verspätung wird das einstige Wunderkind also aller Voraussicht nach seine große Bühne bekommen. Der Junge, der von seinem Vater den Namen Douglas in Anlehnung an einen lokalen Fußballhelden bekam, "damit ich unter den anderen Jungs heraussteche". Das war auf den Bolzplätzen in Nuevo Hamburgo schon so, und das soll auch beim FC Bayern so sein. "Mir ist bewusst, dass ich in der Vergangenheit einige Fehler gemacht habe", gab sich Costa vor zwei Jahren geläutert. "Aber ich habe mich gebessert."

Beim bayerischen Anhang ist man sich wie im Rest Fußballdeutschlands bisweilen noch nicht sicher, was man mit dem 1,72-Meter-Mann anfangen soll. Nie schoss Costa mehr als sechs Saisontore für Donezk, fehlende Konstanz und Leistungsschwankungen sollen beim Brasilianer an der Tagesordnung sein. Ein Königstransfer zum Angriff auf die Champions League sieht irgendwie anders aus, oder?

Es sind Zweifel, die sich zumindest teilweise zerstreuen, wenn man den Leuten, die nah dran sind an Costa, beim Reden zuhört. Oder besser gesagt: Beim Schwärmen. Arjen Robbens Niveau könne er in den kommenden Jahren erreichen, meint beispielsweise Lucescu. In der Süddeutschen Zeitung schickte Brasiliens Weltmeister von 1994 Ricardo Rocha prophylaktisch eine Gratulation gen München, der ukrainische Journalist Oleksandr Sereda sagte SPOX: "Betrachtet man das reine Talent und sein Potenzial, ist er einer der besten Spieler, die je für diesen Verein gespielt haben. Ich glaube, es wäre keine Übertreibung zu sagen, dass er womöglich sogar der Beste ist."

Es nagt am König

Dabei ist Costa kein verzogener Schönspieler. Die Bayern durften es am eigenen Leibe erfahren, dass sich der 24-Jährige auch für die Drecksarbeit nicht zu schade ist. Dennoch ist der Eindruck des Treters aus den Duellen mit dem Rekordmeister wohl nicht richtig. "Douglas war und ist kein 'böser Junge' und er ist - erlauben Sie mir den Ausdruck - kein dreckiger Spieler", so Sereda. "Das Image hat er in der Ukraine nicht."

Vielmehr das eines Alleskönners. Am liebsten auf dem Flügel, am liebsten auf rechts, aber gerne auch links oder im offensiven Mittelfeld. Wenn es sein muss als Außenverteidiger, doch kommen da seine gefürchteten Dribblings nicht zur Geltung. Die Technik, die Wucht nach vorne. "Was ihn auch ausmacht", weiß Sereda, "er trifft oft unerwartete Entscheidung und war deswegen nicht selten der entscheidende Mann in engen Spielen".

Das klingt alles verdächtig nach Ribery, dem sie in München nach den ersten Spielen, den ersten Dribblings und Zauberkunststücken schon ein Denkmal errichten wollten. Dass der Mythos des Spielers, der den Aufstieg des FC Bayern in die Riege der Granden in Europa personifiziert wie kaum ein anderer, über Nacht fallen wird, ist Nonsens. Doch nagen Zeit und Wehwehchen am König von München. Und bald ein Brasilianer?

Costa soll Wunschspieler von Pep Guardiola sein. Doch gibt es noch eine Menge Fragezeichen wegzuwischen, um bei den Münchner eine Rolle zu spielen und jemandem wie Franck Ribery den Rang abzulaufen. Ausgerechnet er. Das wäre in der Tat eine Geschichte, die nur der Fußball schreibt.

Douglas Costa im Steckbrief