Calmunds Nachbeben

Wendell wechselte im Sommer für 6.5 Millionen Euro zu Bayern Leverkusen
© getty

Die Ära Calmund schlägt noch immer ihre Wellen bei Bayer Leverkusen. Auch die Verpflichtung Wendells wäre ohne die Beziehungen des ehemaligen Geschäftsführers nicht möglich gewesen. Der Brasilianer hat sich nach einer kurzen Eingewöhnungszeit seinen Platz in Roger Schmidts Startelf erspielt und schürt Zukunftshoffnungen.

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Es gibt nicht viele Personen, die man enger mit Bayer Leverkusen in Verbindung bringt als Reiner Calmund. Ob als Jugendleiter, Stadionsprecher, Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer - "Calli", wie der 66-Jährige gerufen wird, war bei der Werkself in fast jeder Abteilung tätig.

Ihm verdankt Bayer nicht nur die Verpflichtungen von Bernd Schuster, Rudi Völler, Michael Ballack und Ulf Kirsten, sondern vor allem eine Historie erfolgreicher Brasilianer. Paulo Sergio, Jorginho, Emerson, Ze Roberto, Lucio und Juan lotste das herzliche Schwergewicht an den Rhein, alle entwickelten sich zu absoluten Topstars.

Während andere deutsche Vereine sich ebenfalls an Transfers der talentierten Kicker vom Zuckerhut versuchten, bewies Calmund eindrucksvoll, dass nur er über die perfekte Mischung einer ausgezeichneten Talent-Spürnase gepaart mit einem riesigen Netzwerk in Südamerika verfügte. Von diesem Netzwerk profitiert Leverkusen auch heute noch.

Mannschaftskapitän Ze Roberto

Wendell Nascimento Borges, kurz Wendell, ist die jüngste Nachwirkung der Ära Calmund.

"Bayer 04 genießt in Brasilien nach den zahlreichen Verpflichtungen in der Vergangenheit weiterhin einen exzellenten Ruf", erklärte der 22-Jährige nach seiner Verpflichtung. Die Verbindung zum Klub geht sogar noch weiter: Mannschaftskapitän von Wendells Ex-Klub Gremio Porto Alegre ist kein geringerer als Ze Roberto. "Ich habe mich lange mit meinem Mannschaftskapitän Ze Roberto unterhalten, der viele Jahre bei Bayer gespielt hat. Er hat mir geraten, diesen Weg einzuschlagen, denn er hat von seiner Zeit in Leverkusen in höchsten Tönen geschwärmt."

Schon die Information, dass Wendell über eine Ausstiegsklausel verfügte, beruht auf "Callis" Verdiensten. "Deshalb haben wir den Vertrag bereits damals unter Dach und Fach gebracht", erklärte Kadermanager Jonas Boldt nachdem Bayer den Brasilianer nur wenige Tage vor Ende der Klausel aus seinem Vertrag kaufte.

Boenisch Anfangs gesetzt

Auch wenn man in Leverkusen bestens gewappnet ist für die schnelle Integration südamerikanischer Neuverpflichtungen, kam Wendell nicht ohne Eingewöhnungszeit aus. Erst am vierten Spieltag stand der 22-Jährige erstmals in Bayers Startelf - und musste seinen Platz nach der 1:4-Niederlage sofort wieder für Konkurrent Sebastian Boenisch räumen. Weil sich der Pole aber auch weit entfernt von seiner Bestform befindet, fand sich Wendell schon am sechsten Spieltag erneut in der Startelf wieder. Seit dem gehört er zum Stammteam von Roger Schmidt.

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Dass er in der Liga dennoch nicht alle Spiele von Anfang an bestritt, ist weniger seiner Leistung als der Tatsache geschuldet, dass die Außenverteidiger-Position zu den wenigen gehört, auf denen Schmidt regelmäßig rotiert.

Zweifel an Wendells Können gibt es in Leverkusen nicht. Der Brasilianer verkörpert den modernen Außenverteidiger, den ein ausgeprägter Offensivdrang auszeichnet. Wann immer es ihm möglich ist, schaltet sich Wendell in die Vorwärtsbewegung mit ein und belebt das Angriffsspiel seiner Mannschaft. Seine ausgezeichnete technische Ausbildung und seine enorme Geschwindigkeit kommen ihm bei seinen Flügelläufen zu Gute.

Bissig trotz "Untergewicht"

Kritiker, die ihm aufgrund seines Körpergewichts von nur 64 Kilo mangelnde Defensiv-Qualitäten unterstellten, belehrte der Außenverteidiger schnell eines Besseren, wie auch Rudi Völler attestiert: "Wendell ist pfeilschnell, technisch stark, hat trotz seiner Größe ein gutes Kopfballspiel - und was mir an ihm noch so imponiert: dass er trotz seiner vielleicht eher schmächtigen Statur auf dem Rasen so giftig ist." Dass ihm ein wenig mehr Masse in den Zweikämpfen durchaus gut zu Gesicht stünde, weiß aber auch Wendell, weshalb er vor allem in der Vorbereitung auf die Winterpause zusätzliche Schichten im Kraftraum schob.

In der laufenden Saison hat Wendell bisher zwar nur zwei Tore aufgelegt, das gesteigerte Selbstbewusstsein ist dem 22-Jährigen, der sich immer mehr traut, aber mit jedem weiteren Spiel anzusehen. Besonders wichtig für Bayer: In der Champions League konnte Wendell bisher in jeder Partie vollends überzeugen. "Wendell begreift unsere Spielanlage sehr schnell, und setzt sie auch schnell um", erkannte Schmidt bereits nach wenigen Spielen.

Eine Investition in die Zukunft

Auch privat und menschlich ist Wendell die Integration im Eiltempo gelungen. "Uns wurde in Brasilien oft gesagt, Ihr Deutschen seid kühler von der Mentalität her. Den Eindruck haben wir bisher gar nicht. Wir sind total entspannt - und ihr auch", beschrieb er seine neue rheinländische Heimat gegenüber dem "Express".

In der Mannschaft ist der 22-Jährige bereits als Kabinen-Clown bekannt: "Wendell ist von Anfang an auf alle zugegangen. Die Jungs mögen ihn, weil er ein cooler Typ und immer gut gelaunt ist. Typisch Brasilianer eben", sagt Athletiktrainer Daniel Jouvin, der gerade in der Anfangszeit auch als Übersetzer fungierte.

Zweifel an Wendells Können, der für 6,5 Millionen Euro aus Brasilien an den Rhein wechselte, gab es im Leverkusen ohnehin nie, auch nicht nach seiner durchwachsenen Startphase. "Er weiß, dass es für ihn ein Riesen-Schritt aus Brasilien nach Leverkusen ist. Er brennt und wird mittel- und langfristig seine Einsätze bekommen - dafür hat er einfach zu großes Potenzial", bescheinigte ihm Boldt, der die relativ hohe Ablöse für einen in Europa gänzlich unbekannten Spieler immer als Investition in die Zukunft bezeichnete. Die Zukunft auf der linken Leverkusener Seite gehört dem 22-Jährigen zweifellos.

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