Ginter: "Wer verliert, denkt nach"

Dortmunds Matthias Ginter kam in dieser Saison im DFB-Pokal noch gar nicht zum Einsatz
© getty

Das Jahr 2014 hat für Matthias Ginter einige Erlebnisse bereit gehalten: Das Debüt in der Nationalmannschaft, der Nichtabstieg mit dem SC Freiburg, der Gewinn der WM in Brasilien, der Wechsel zu Borussia Dortmund - und dort dann eine katastrophale Hinrunde. Der Innenverteidiger spricht im Interview über die Schnelllebigkeit im Fußball, die Krise des BVB und nennt Gründe, weshalb er optimistisch ist, dass Dortmund den Turnaround schaffen wird.

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Frage: Herr Ginter, was haben Sie eigentlich am Sonntag, den 21. Dezember 2014, zwischen 17.30 Uhr und 19.30 Uhr gemacht?

Matthias Ginter: Ich befand mich auf der Heimfahrt von Dortmund nach Freiburg. Dort habe ich dann zusammen mit meinen Eltern das Spiel angeschaut.

Frage: Freiburg kickte gegen Hannover 96 und durfte nicht siegen - sonst wäre der BVB als Tabellenletzter in die Winterpause gegangen. Haben Sie da das erste Mal in Ihrem Leben die Daumen gedrückt, dass der SC Freiburg ein Spiel nicht gewinnt?

Ginter: In dem Fall schon. Das hat aber natürlich nichts mit Freiburg zu tun. Ich wünsche ihnen weiterhin nur das Beste, aber wir wollten auch nicht ganz unten stehen. Am Ende ist ja immerhin ein Unentschieden herausgekommen für den Sportclub.

Frage: Mit der Heimfahrt zu Ihren Eltern ging für Sie ein unglaubliches Jahr zu Ende. Welchen Eindruck haben die letzten zwölf Monate bei Ihnen hinterlassen?

Ginter: 2014 hat mich nicht verändert, aber auf jeden Fall weiterentwickelt. Ich habe wahnsinnig viel gelernt. Es ging in meiner Karriere bislang eigentlich immer bergauf. Der Nichtabstieg mit Freiburg, das Nationalmannschaftsdebüt, die WM in Brasilien - es war ein Riesenjahr. Leider wurde es von unserer Bundesliga-Hinrunde beim BVB nicht unbedingt gekrönt. Daran konnte ich sehen, wie schnell es im Fußball in beide Richtungen gehen kann. Und genauso schnell kann es nun wieder aufwärts gehen.

Frage: Ist Ihnen überhaupt einmal Zeit geblieben, das Erreichte zu verarbeiten?

Ginter: In den Phasen, in denen keine Spiele sind, kommt man dazu, ein bisschen abzuschalten. Aber da sitzt man dann auch nicht da und rekapituliert nur. So ganz verarbeiten kann man das alles nicht.

Frage: Bald ist es drei Jahre her, dass Sie zwei Tage nach Ihrem 18. Geburtstag im ersten Bundesligaspiel kurz nach Ihrer Einwechslung das Siegtor gegen den FC Augsburg erzielten. Wie weit ist das für Sie weg?

Ginter: Gefühlt deutlich länger. Ich durfte damals auch erstmals mit den Profis ins Winter-Trainingslager fahren. Freiburg war Letzter und hatte einen neuen Trainer - das kann man sich heute alles gar nicht mehr so richtig vorstellen. In diesen drei Jahren ist wahnsinnig viel passiert.

Frage: Fiel es Ihnen im Sommer schwer, Ihre Heimat zu verlassen?

Ginter: Es fiel mir jedenfalls nicht leicht. Ich war ja meine ganze Jugendzeit in Freiburg und habe es dort bis in die 1. Liga geschafft. Dafür bin ich schon extrem dankbar. Aber Borussia Dortmund war immer mein Verein, so dass ich einem Wechsel gerne zugesagt habe. Es war eine Herzensangelegenheit.

Frage: Zu Ihrer Freiburger Zeit hielt sich lange das Gerücht, der FC Arsenal wolle Sie verpflichten. Jetzt können Sie es ja verraten: War da wirklich mal was?

Ginter: Nein, nie. Ich würde es sagen, wenn es anders wäre. War aber nicht. (lacht)

Frage: In Dortmund durften Sie gleich die ersten beiden Pflichtspiele der Saison spielen. Bei Ihrem Bundesligadebüt für den BVB zappelte dann auf einmal nach nur neun Sekunden schon der Ball im Netz. Super-GAU, oder?

Ginter: Der Anfang war schlimm, keine Frage. Es hätte kaum bitterer beginnen können. Das war ja auch noch das schnellste Tor der Bundesliga-Geschichte. Ich kam mir vor wie im falschen Film.

Frage: Dennoch war der Beginn der Saison noch einigermaßen erträglich, die Krise kam dann aber nach und nach. War der 2:0-Heimsieg in der Champions League gegen den FC Arsenal, als Sie auch Ihr Debüt in der Königsklasse gaben, das beste Spiel der bisherigen Saison?

Ginter: Eindeutig. Das 1:0 gegen Gladbach war ein ähnliches Spiel. Wenn man aber gegen eine Mannschaft wie die Gunners 90 Minuten lang nichts zulässt, selbst sehr viele Chancen herausspielt und den Gegner so beherrscht, dann kann man nicht viel falsch gemacht haben. Für mich war es eine tolle Erfahrung. Vor einem Jahr saß ich noch vor dem Fernseher und dann spielt man plötzlich selbst bei einer solchen Partie mit. Leider haben wir nicht mehr Spiele dieser Art folgen lassen.

Frage: Wieso nicht?

Ginter: Wir haben das analysiert und besprochen. Es lief ja in der Champions League generell besser als in der Bundesliga. Jetzt geht es in der Rückrunde darum, es in der Liga deutlich besser zu machen.

Frage: Wie soll das gelingen?

Ginter: Wir müssen jetzt einfach die Vorbereitung nutzen. Es sind drei Wochen Zeit, um uns in eine Top-Verfassung zu bringen. Diese Zeit hatten wir im Sommer nicht und sie hilft uns jetzt enorm. Nun können wir auch im taktischen Bereich noch zielgerichteter arbeiten. Ich glaube fest daran: Wir werden auf jeden Fall besser sein.

Frage: Was zählt jetzt mehr: Physis oder Kopf?

Ginter: Ich denke, das ist fifty-fifty. Wir müssen körperlich fit sein, aber auch im Kopf klar bleiben.

Frage: Im letzten SPOX-Interview sagten Sie noch als Freiburger Spieler, dass die psychische und körperliche Belastung enorm von den Ergebnissen abhängen würde. Wie extrem haben Sie dieses Phänomen in Ihrem ersten halben Jahr in Dortmund wahrgenommen?

Ginter: Das macht keinen Unterschied zwischen den Vereinen. Wer gewinnt, ist immer froh. Wer verliert, denkt nach - der eine mehr, der andere weniger. Von diesem Wechselspiel hängt natürlich auch die Stimmung innerhalb der Mannschaft ab. Hier haben alle dasselbe Ziel und gehen es optimistisch an.

Frage: Bislang mussten Sie bei der Borussia mehr Niederlagen hinnehmen, als Siege eingefahren werden konnten. Das Thema Abstiegskampf ist für Sie kein unbekanntes. Wie aber fühlt sich Abstiegskampf mit Dortmund an?

Ginter: Vollkommen anders. Das lässt sich nur schwer vergleichen, da es in Freiburg zur Normalität gehörte, gegen den Abstieg zu spielen. Da war einem schon vor der Saison klar, um jeden einzelnen Punkt kämpfen zu müssen, weil er am Ende eminent wichtig sein kann.

Frage: Ist der Mannschaft beim BVB mittlerweile klar, dass sie um jeden Punkt kämpfen muss?

Ginter: Ich bin der Meinung, dass wir genügend starke Charaktere in der Mannschaft haben, um da unten rauszukommen. Wir werden das schaffen. Und wir haben auch immer gekämpft.

Frage: Sie selbst saßen in der Hinrunde auch oft draußen. Das kannten Sie aus Freiburg nicht. Wie gehen Sie damit um?

Ginter: Selbst wenn es auch der Verletzungsmisere geschuldet war: Ich bin bislang auf 13 Einsätze gekommen. Mir war von Anfang an bewusst: Ich brauche weiterhin Geduld. Ich konnte in Dortmund unter diesem Trainer und durch das Training mit diesen Spielern schon eine Menge lernen - auch wenn man das auf dem Platz leider nicht immer gesehen hat. Ich bin jetzt fitter aus der Winterpause gekommen als nach der WM. Der Sommer war schon heftig. Ich bin deshalb zuversichtlich und werde mich weiter voll reinhauen.

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