"Feulner, du solltest Boxer werden"

Von Daniel Reimann
Vor seinem Wechsel nach Augsburg spielte Markus Feulner drei Jahre in Nürnberg
© getty

Markus Feulner debütierte beim FC Bayern und wurde mit Borussia Dortmund Meister. Nach Stationen in Köln, Mainz und Nürnberg wechselte er nach Augsburg. Beim FCA hat er sich schnell als verlässliche Größe auf verschiedenen Positionen etabliert. Feulner über eine Karriere voller Extreme, Pierre-Emile Hojbjergs Transfer als Statement und Tipps Hermann Gerland.

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SPOX: Herr Feulner, der Rückrundenbeginn steht unmittelbar bevor. Wie lief die Vorbereitung?

Markus Feulner: Die Vorbereitung lief sehr gut. Die Mannschaft zieht gut mit und entwickelt sich weiter. Bis auf den einen Tag, als es im Trainingslager starke Orkanböen gab, lief alles nach Plan.

SPOX: Es dürfte Sie aber überrascht haben, dass Sie plötzlich als Linksverteidiger aufliefen. Wie fühlte sich das an?

Feulner: Es hat Spaß gemacht! Die Abläufe sind bei uns auf jeder Position sehr klar definiert, defensiv wie offensiv. Es half mir ein wenig, dass ich in Nürnberg schon einmal Rechtsverteidiger gespielt habe. Und wenn der Trainer mich hier als Linksverteidiger benötigt, mache ich das gerne.

SPOX: Als Vorbild könnte ein alter Bekannter aus Ihrer Zeit in Bayerns A-Jugend dienen: Philipp Lahm war auch lange als Rechtsfuß Linksverteidiger...

Feulner: Vor Philipp Lahm ziehe ich meinen Hut. Er hat eine außergewöhnliche Karriere hingelegt. Er war schon immer technisch stark und hat schon immer wenig Fehler gemacht. Er hat die Position als Linksverteidiger damals angenommen und sie neu interpretiert. Philipp hat bewiesen, dass man als Rechtsfuß auch einen weltklasse Linksverteidiger abgeben kann.

SPOX: Ihr Trainer Markus Weinzierl sagte über Sie, mit Ihrer Spielintelligenz könnten Sie jede Position spielen. Gäbe es irgendeine Rolle, die Sie ausschließen würden?

Feulner: Ich habe tatsächlich schon einige Positionen gespielt. Mal sehen, wie der Trainer entscheidet (lacht). Im Ernst: Mir ist es wichtig, dass ich der Mannschaft helfe. Aber ich würde behaupten: Es findet sich immer ein besserer Torwart. Meine Lieblingsposition ist die Zentrale; die Sechs oder die Acht.

SPOX: Für diese Position wurde nun auch Pierre-Emile Hojbjerg geholt. Ist das ein Anzeichen für Augsburgs gestiegenen Stellenwert, wenn ein solch begehrter Spieler zum FCA geht?

Feulner: Definitiv. Er war in der Liga sehr gefragt. Er ist ein sehr hungriger Spieler mit enormer Qualität. Dass ein solch talentierter Spieler unbedingt nach Augsburg möchte, ist schon aussagekräftig. Das ist ein Ausrufezeichen, ein Indiz für die gute Arbeit der letzten Jahre in Augsburg.

SPOX: Sie waren einst selbst in seiner Position: Ein junger Spieler, dem beim FC Bayern die Spielpraxis fehlte. Können Sie deshalb seine Entscheidung nachvollziehen?

Feulner: Ich kenne die Arbeit beim FC Bayern. Man lernt dort sehr viel. Aber letztlich kann man sich als junger Spieler nur über mehr Spielpraxis weiterentwickeln. Deshalb kann ich seinen Schritt gut verstehen. Bayerns Kader ist riesig und mit vielen Ausnahmespielern ausgestattet. Hinzu kommt, dass sie heutzutage nochmal stärker sind als damals zu meiner Zeit.

SPOX: Anfang 2004 gingen Sie nach sieben Jahren bei den Bayern nach Köln. Was gab denn bei Ihnen letztlich den Ausschlag, die Bayern zu verlassen?

Feulner: Es war sehr schwierig für mich, regelmäßig Spielpraxis zu bekommen. Es sah nicht so aus, als könnte ich mich in der ersten Mannschaft etablieren. Aber ich wollte endlich den nächsten Schritt machen und so verschlug es mich nach Köln.

SPOX: Dabei soll Ihnen Bayerns Amateur-Trainer Herrmann Gerland einst eine Anstellung als Boxer nahegelegt haben...

Feulner: Ja (lacht). Nach einem Spiel kam er mal in die Kabine, als ich auf der Massagebank lag. Er sagte zu mir: "Feulner, du solltest Boxer werden!" Ich fragte ihn, wie er darauf käme. Und er meinte nur: "Da würdest du für jeden Fehler, den du machst, immer sofort auf die Fresse bekommen." Dann ging er direkt raus und ließ mich so stehen.

SPOX: Wie haben Sie darauf reagiert? Haben Sie die Anspielung ernst genommen oder als reinen Scherz verstanden?

Feulner: Es war wahrscheinlich auf mein Spiel zuvor bezogen. Gerland wollte mir damit etwas sagen, bei ihm war immer eine Message dabei. Aber in erster Linie war es lustig. Es waren auch andere Kollegen im Raum, mehrere Spieler und Masseure. Wir haben alle gelacht.

SPOX: Haben Sie denn so viele Fehler gemacht in Ihrer Jugendzeit?

Feulner: Ich habe nie Fehler gemacht (lacht). Spaß beiseite. Fußball besteht doch komplett aus Fehlern. Jedes gefallene Tor war irgendwo ein Fehler. Es geht nur darum, die eigenen Fehler zu erkennen und sich zu verbessern. Auch ein Messi oder Ronaldo machen nicht von Geburt an alles richtig.

SPOX: Wer war denn damals bei den Bayern Ihre Bezugsperson?

Feulner: Da gab es einige, das reichte vom Jugendtrainer bis zu anderen Profis, als ich dann mit der ersten Mannschaft trainierte. Da habe ich mit vielen gesprochen. Der Schritt von der Jugend bis zu den Profis ist riesig. Als junger Spieler muss man solche Gelegenheiten und Ratschläge unbedingt annehmen. Nur mit Talent schafft man es nicht. Man muss auch immer an sich arbeiten.

SPOX: Als junger Spieler orientiert man sich doch oft an den erfolgreichen Profis. Welcher Spieler war das in Ihrem Fall?

Feulner: Ich habe mich an vielen orientiert und mich mit vielen ausgetauscht, sei es nun Stefan Effenberg oder Mehmet Scholl. Ihren Rat habe ich gerne angenommen. Aber gleichzeitig hat auch jeder um seine Position gekämpft.

SPOX: Bei Bayern erlebten Sie einen sehr plötzlichen Aufstieg. Ihr Pflichtspieldebüt gaben Sie einst in der Champions League - von Beginn an. Ging das damals nicht ein wenig schnell?

Feulner: Ich wurde ins kalte Wasser geschmissen. Vorher habe ich bei den Profis nur ein Freundschaftsspiel in Osnabrück absolviert - mehr nicht. Ich habe ja eigentlich noch bei den Amateuren trainiert. Aber das hat Ottmar Hitzfeld offenbar so gut gefallen, dass er mich eine Woche später für den Kader für die Champions League nominiert hat. Dann erfuhr ich, dass ich von Beginn an spielen soll. Seitdem war ich bei den Profis dabei. Das war der Traum eines jeden jungen Spielers.

SPOX: Ist es aus Ihrer Sicht die richtige Methode, junge Spieler derart plötzlich ins kalte Wasser zu werfen?

Feulner: Ich kann nur aus meiner Erfahrung sprechen und würde behaupten: Für junge Spieler gibt es nichts Besseres als diese Herausforderung. Es heißt ja nicht, dass man sofort fliegt, wenn man einmal nicht funktioniert. Qualität setzt sich letztlich immer durch. Wenn man dazu noch hartnäckig an sich arbeitet, wird man den Sprung auch schaffen.

SPOX: In München konnten Sie sich jedoch langfristig nicht durchsetzen. Über Mainz ging es für Sie nach Dortmund, wo Sie mit 24 Einsatzminuten einen Meistertitel holten. Klingt das für Sie eher positiv oder negativ?

Feulner: Weder noch. Ich war in Dortmund Teil der Mannschaft. Wir hatten ein außergewöhnliches Team, das sehr gut funktioniert hat. Aber von diesen Titeln kann ich mir jetzt nichts mehr kaufen.

SPOX: Was genießen Sie denn als Fußballer mehr: Titel holen oder regelmäßig spielen?

Feulner: Regelmäßig spielen, definitiv. Ich habe mich in Dortmund sehr wohl gefühlt, aber mit den Einsatzzeiten konnte ich nicht zufrieden sein. Deshalb habe ich den Schritt nach Nürnberg und danach nach Augsburg gewagt. Ich will spielen, ich will aktiv zum Erfolg beitragen.

SPOX: Augsburg ist - Stand jetzt - auf Europacupkurs. Ist es denn erlaubt, die Ziele nach oben zu korrigieren?

Feulner: Nein, das wäre fahrlässig. Die Tabelle ist dieses Jahr verrückt. Wir wollen bedingungslos jedes Spiel gewinnen, so schnell wie möglich die 40 Punkte holen. Wenn wir die haben, können wir über andere Ziele reden.

SPOX: Aber wäre es nicht genial, 13 Jahre nach Ihrem Debüt in der Champions League nochmal im Europacup aufzulaufen?

Feulner: Das wäre natürlich schon ein Traum. Aber bis dahin müssen wir sehr hart arbeiten. An allererster Stelle steht der Nichtabstieg.

SPOX: Wie steht's denn um die eigene Perspektive? Wie lange wollen beziehungsweise können Sie denn noch spielen?

Feulner: Solange ich für die Bundesliga gut genug bin und Spaß an der Arbeit habe. Ich fühle mich bestens. Solange ich der Mannschaft weiterhelfen kann, möchte ich spielen. Wenn es denn mein Körper hergibt. Ich kann aber nicht über mehrere Jahre hinaus planen.

SPOX: Sie haben oft betont, dass Sie dem Fußball erhalten bleiben wollen. Sie selbst haben unter vielen besonderen Trainern gespielt und unterschiedlichste Erfahrungen gemacht. Wären Sie damit nicht prädestiniert als Coach?

Feulner: Sagen wir so: In meiner Karriere war es selten langweilig. Ich habe sehr viele Extreme erlebt, sehr viele unterschiedliche und interessante Trainer gehabt. Diese Erfahrungen würden mir als Coach bestimmt weiterhelfen.

SPOX: Woran denken Sie zuerst, wenn Sie von Extremen sprechen?

Feulner: Das größte Negativerlebnis war der Abstieg mit Nürnberg. Aber auch die Verletzungen, die ich hatte, sei es der Kreuzbandriss oder Syndesmosebandriss, waren schlimm. Es war nicht selbstverständlich, dass ich mich wieder zurückkämpfen konnte. Am positivsten werde ich den Aufstieg mit Mainz und die Meisterschaften mit Dortmund in Erinnerung behalten. Das war außergewöhnlich.

Markus Feulner im Steckbrief

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