"Wir brauchen jetzt dreckige Siege"

Von Stefan Rommel
Christian Gentner (l.) ist mit dem VfB Stuttgart durch die Niederlage in Bremen auf Rang 18 gerutscht
© getty

Nach dem 0:2 gegen Werder Bremen und dem Sieg von Borussia Dortmund ist der VfB Stuttgart mal wieder Letzter. Kapitän Christian Gentner stellt sich der drohenden Krise und spricht über den Ernst der Lage, die Probleme bei Standards und mögliche Wege aus dem Keller.

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SPOX: Herr Gentner, wie erklären Sie sich die Niederlage in Bremen?

Christian Gentner: Gemessen am Spielverlauf war das total unnötig. Wir haben aus dem Spiel heraus nichts zugelassen und machen uns dann durch zwei Fehler bei Standardsituationen wieder alles kaputt. Dazu haben wir unsere Chancen nicht genutzt. Das ist total bitter und ärgerlich, aber so ist die Niederlage zu erklären.

SPOX: Sie hatten kurz nach dem 0:1 eine dicke Chance, dem Spiel schnell wieder eine andere Wendung zu geben.

Gentner: Ich habe den Ball nach Sercan Sararers Flanke kurz aus den Augen verloren, weil vor mir Sebastian Prödl hochspringt. Aber das soll keine Ausrede sein. Drei, vier Meter vor dem leeren Tor muss man so ein Ding machen.

SPOX: Der VfB hat nun bereits neun Gegentreffer nach Standardsituationen kassiert. Wieso kann die Mannschaft diese Schwäche nicht abstellen?

Gentner: Wir haben gegen Bremen auf Raumdeckung umgestellt. Beim ersten Tor fehlt uns die Konsequenz im Zweikampf, beim zweiten reagieren wir auf Bremens Variante schlecht. Vielleicht kann man nicht alles so trainieren, dass man die Situationen zu hundert Prozent sicher verteidigen kann. Aber es ist jeder gefordert, mehr Verantwortung zu übernehmen.

SPOX: Was heißt das konkret?

Gentner: Wenn wir im Raum verteidigen, muss jeder eben die zwei, drei Schritte nach vorne in seinem Raum machen, um den Ball auch gegen einen einlaufenden Gegenspieler energisch zu verteidigen.

SPOX: Ist das Experiment mit der Raumverteidigung bei Standards schon wieder gescheitert?

Gentner: Es hat beides - Raumverteidigung oder Manndeckung - seine Vor- und Nachteile. Wenn wir eine klare Zuordnung haben, kann auch jederzeit ein Spieler weggeblockt werden und seinen Gegenspieler dann nicht mehr richtig verteidigen. Grundsätzlich machen wir es dem Gegner zu einfach, das kann man festhalten.

SPOX: Stuttgart ist nach einem Drittel der Saison Tabellenletzter. Wie beängstigend ist die Situation?

Gentner: Wir müssen uns die Situation bewusst machen und anerkennen, dass wir ganz unten feststecken. Der Tabellenplatz spielt aber trotzdem weniger die Rolle. Entscheidender ist für mich die Punktausbeute und die müssen wir schleunigst verbessern. Wir verlieren in Berlin, gegen Köln, nun in Bremen - das sind alles Teams, die wir eigentlich schlagen können. Jetzt gilt es die Punkte zu sammeln, um da unten rauszukommen.

SPOX: Nach dem spielerischen Aufschwung der letzten Wochen für den VfB war die Partie in Bremen wieder ein Rückschritt. Die Mannschaft konnte sich kaum Torchancen erspielen.

Gentner: Das hatte sicherlich auch mit dem Rückstand zu tun. Wir haben versucht, Druck aufzubauen. Aber Werder hat das gut gemacht und uns von ihrem Tor ferngehalten. Aber uns haben auch die Ideen gefehlt, um den Gegner auszuspielen.

SPOX: Wieso hat die Mannschaft dann nicht ihre Spielweise geändert, es auch mal mit langen Bällen probiert, um vorne auf den zweiten Ball zu gehen?

Gentner: Das hätten wir vielleicht tun können. Aber hinterher ist man immer schlauer.

SPOX: Die Länderspielpause steht an, auch beim VfB sind viele Nationalspieler mit ihren Mannschaften unterwegs. Was kann man mit der verbliebenen Rumpftruppe in den knapp zwei Wochen überhaupt einstudieren?

Gentner: Zum einen hoffen wir, dass sich keiner verletzt und sich bei seiner Nationalmannschaft vielleicht ein wenig Selbstvertrauen zurückholen kann, um dann bei uns positive Impulse setzen zu können. Und für die, die da sind gilt es, hart zu arbeiten und die Dinge zu verbessern, die nicht gut laufen. Vermutlich können wir nur wenige Dinge im gruppen- oder mannschaftstaktischen Bereich einstudieren, wenn 50 Prozent der Spieler fehlen, die wahrscheinlich dann in zwei Wochen gegen Augsburg auf dem Platz stehen werden.

SPOX: Zumindest für zwei Wochen steht der VfB nun ganz unten...

Gentner: Wir müssen jetzt trotzdem den Kopf oben behalten und uns auf die kommenden Aufgaben konzentrieren. Da warten mit Augsburg und Freiburg schwere Gegner, aber auch Mannschaften, die wir schlagen können. Aber dafür benötigen wir eine andere Stabilität. Wir sind derzeit eine Mannschaft, die durchaus mal überraschen kann gegen gute Gegner. Und dann gegen vermeintlich schwächere immer wieder Probleme bekommt und Punkte liegen lässt.

SPOX: Auch dieses Problem zieht sich wie einige andere seit Jahren durch wie ein roter Faden. Woran liegt das?

Gentner: Das kann ich auch kaum erklären. Tatsache ist, dass wir jetzt das Wie hintenanstellen müssen. Wir müssen schauen, dass wir Ergebnisse liefern. Die spielerische Weiterentwicklung ist momentan nicht das primäre Ziel. Da brauchen wir jetzt auch mal dreckige Siege, die würden uns gut tun. Darauf kommt es jetzt an. Und da kommen wir nur über den harten Kampf in jedem Spiel hin.

SPOX: Wie schätzt die Mannschaft ihre Entwicklung ein? Es sind ja trotz der fehlenden positiven Ergebnisse in einigen Teilbereichen auch kleine Fortschritte zu erkennen.

Gentner: Im Offensivspiel haben wir uns seit Saisonbeginn durchaus verbessert. Aber wir lassen hinten einfach viel zu viel zu. Darauf müssen wir nun das Hauptaugenmerk legen. Weil Fakt ist auch: Wenn wir die vielen Gegentore nicht in den Griff bekommen, stehen wir noch länger da, wo wir nicht stehen wollen.

SPOX: Die Spiele gegen Leverkusen und Frankfurt hätten für Auftrieb sorgen können. Es folgten zwei klare Niederlagen. Warum kann die Mannschaft das bisschen Schwung, das sie sich selbst verleiht, nicht mitnehmen?

Gentner: Das ist schwer zu erklären. Gegen Wolfsburg hatten wir in der Anfangsphase schon viel Schwung, stellen uns dann aber zu blöd an und verlieren sehr deutlich. Auch gegen Bremen war es spielerisch in Ordnung. Am Ende steht aber schon wieder eine Niederlage.

SPOX: Ist jedem Spieler klar, dass es in dieser Saison nur darum gehen kann, die Klasse zu halten?

Gentner: Rechnet man die Gegentore auf die komplette Saison hoch, dann werden wir auf einem Platz relativ weit hinten landen. Und wenn man gegen Bremen, Berlin, Köln verliert, dann kann es keine anderen Ziele geben. Wir müssen uns am Klassenerhalt orientieren. Sollten wir tatsächlich mal zwei, drei Spiele in Folge gewinnen, könnte man mal schauen. Aber so lange kann es kein anderes Thema geben.

SPOX: Kann die Mannschaft mit diesem Kader die Klasse halten?

Gentner: Mit den Spielern, die momentan da sind: Ja.

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