Jetzt oder nie

Von Stefan Rommel
Jochen Schneider (l.) blieb bisher merklich im Hintergrund
© imago

Inmitten des Chaos beim VfB Stuttgart kämpft Jochen Schneider um den Job des Sportdirektors. Der 44-Jährige hat dabei einige Hürden zu überwinden - ihm bieten sich aber auch ein paar Chancen.

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Armin Veh hielt sich lieber bedeckt und verwies auf höhere Mächte. Dem VfB Stuttgart habe in den letzten Wochen das nötige Glück gefehlt, um wichtige Punkte einzufahren. Veh hätte auch die schlechte Defensivarbeit, die fehlenden Abläufe in der Offensive oder die individuellen Fehler anführen können, die den VfB bis runter auf den letzten Platz der Tabelle und ihn zum Aufgeben brachten.

Der ehemalige Trainer nutzte seinen letzten Auftritt in Stuttgart für einen letzten charmanten Auftritt. Wenn man Veh etwas nicht vorwerfen konnte, dann ein verbohrtes Verhältnis zu den Journalisten. Neben Veh hatte sich für die Pressekonferenz am vergangenen Montag Jochen Schneider platziert.

Schneider ist seit 15 Jahren beim VfB, im Rampenlicht hat er in dieser langen Zeit nur vereinzelt mal gestanden. Jetzt, da der Klub nach zwölf Spieltagen sowohl kurze Zeit ohne Trainer und weiterhin auch ohne Sportdirektor dasteht, rückt der 44-Jährige automatisch in den Fokus.

Spielen auf Bewährung

Es sind nicht mehr viele übrig geblieben, die dem VfB derzeit nach außen ein Gesicht verleihen könnten. Jochen Schneider ist einer davon. Dabei spielt er auf Bewährung. Nach der Demission von Fredi Bobic Anfang September hat Schneider, der über vier Jahre lang als gleichberechtigter Partner des Ex-Nationalspielers eher im Hintergrund gewirkt hatte, dessen Aufgaben mit übernommen.

Er ist jetzt nah dran an der Mannschaft, er hat den Kontakt zur Truppe intensiviert. Er zeigt sich und wird gesehen, er führt Einzelgespräche mit den Spielern, um besser zu verstehen, wie es innerbetrieblich zugeht und wo vielleicht Nöte und Sorgen sind. "Das hatte ich vorher nicht, aber das ist jetzt unabdingbar", sagt er.

Schneider war in der letzten Dekade immer der Mann im Hintergrund beim VfB. Zuständig für Vertragsangelegenheiten, er hat schon mit den Großen verhandelt, in München, Mailand, Manchester oder Madrid. Notiz haben deshalb trotzdem nur die Wenigsten von ihm genommen. Für ihn war das immer in Ordnung so. "Da gab es eine klare Aufgabenstellung, und da wäre es falsch gewesen, an Fredi Bobic oder zuvor Horst Heldt vorbeizupreschen", sagt er über die jahrelange Zusammenarbeit mit den Ex-Profis.

Positionieren, Profil schärfen

Jetzt hat er nicht weniger als eine Mammutaufgabe vor sich. Die Mannschaft ist Letzter, der gesamte Klub wankt bedenklich. Die Winterpause rückt immer näher, es ist mal wieder eine entscheidende Periode für den VfB. Dass dem Kader frische Kräfte zugeführt werden müssen, ist im Prinzip schon seit dem 31. August klar - dem Ende der letzten Transferperiode.

"Wir haben nicht immer glückliche Personalentscheidungen getroffen", gibt Schneider in diesen Tagen zu und nimmt sich dabei gar nicht aus. Dieses kleine Stückchen Transparenz und Ehrlichkeit ist ein kleiner Mosaikstein auf dem anderen schwierigen Weg, den er zu beschreiten hat. Schneider ist ja immer noch eine Art Interimslösung. Neben seiner eigentlichen Arbeit muss er sich auch intern und nach außen positionieren, sein Profil schärfen, aufmerksam machen, ohne dabei zu überdrehen.

Er nimmt das Gespräch mit den Journalisten an, wirkt dabei souverän und sachlich. Er habe seit einigen Wochen mehr Termine mit dem Cheftrainer, dem Vorstand und Journalisten, sagt Schneider. Den "Direktor Sport", der er vorher war, gibt es in der Form nicht mehr.

Entscheidende Transferperiode

Und um dauerhaft das Vertrauen der Entscheidungsträger, der Spieler und der Öffentlichkeit zu gewinnen, steckt er sein Revier zumindest verbal schon mal ab. "Wenn ich mir die Aufgabe nicht dauerhaft zutrauen würde, dann würde ich es auch nicht übergangsweise machen. Das wäre dem Verein gegenüber verantwortungslos."

Hinter den Kulissen bereitet er seit Wochen die anstehende Transferperiode vor. Nun muss er sich wieder neu aufstellen, Huub Stevens ist ja jetzt wieder da und der wird andere Vorstellungen haben als sein Vorgänger Veh. Für Schneider und das Scoutingteam des VfB wird sich der eine oder andere Parameter erneut ändern. Wie gut er darauf vorbereitet ist, wird die Zeit zwischen Vorrunde und Rückrunde zeigen.

Die Mannschaft benötigt wenigstens in der Abwehr zwei neue Spieler, einen für die Innenverteidigung, einen links in der Kette. Die bisherigen Alternativen auf den Problempositionen waren keine dauerhaften Lösungen. Auch deshalb ist Hector Moreno ein Thema.

Mit dem Innenverteidiger waren die Verhandlungen im Sommer schon weit fortgeschritten, ehe sich der Mexikaner wie sein Landsmann Luis Montes das Schienbein brach und der VfB innerhalb weniger Tage zwei sicher geglaubte Verpflichtungen streichen musste. Zu möglichen Kandidaten für einen Transfer im Winter hält sich Schneider bedeckt, Wasserstandsmeldungen will er nicht abgeben.

Wieder eine neue Ausrichtung

Ob seine Arbeit bei Präsident Bernd Wahler und dem Aufsichtsrat Gefallen findet, ist nur zu erahnen. Auf der Pressekonferenz am vergangenen Montag fiel Wahler ungefragt seinem Angestellten einige Male ins Wort. Das war sicherlich Zufall, wirkte auf der anderen Seite aber auch befremdlich. Zu vermuten ist, dass sich einige Zweifel im Hinblick auf eine dauerhafte Lösung mit Schneider halten.

Der Profi-Fußball findet ja nicht in den Hinterzimmern statt. Es ist ein hartes Geschäft, bei dem nicht selten am Ende der Recht bekommt, der am lautesten schreit. Schneiders Naturell scheint dafür auf den ersten Blick weniger kompatibel.

Armin Veh hätte sich eine längere Zusammenarbeit mit ihm durchaus vorstellen können - sofern sich Schneider auch klar als neue Nummer eins positionieren würde. Der nahm den Ball gerne auf und traute sich für seine Verhältnisse schon weit aus der Reserve. "Ich sehe das klar als Chance, die ich ohne Wenn und Aber nutzen will", sagte er vor wenigen Wochen.

Seit ein paar Tagen haben sich aber einige Dinge schon wieder grundlegend geändert. Schneider geht mit einer gesunden Portion Selbstvertrauen seine Aufgaben an, so viel kann man sagen. Und er hat - allen Widrigkeiten zum Trotz - ja auch eine große Chance. Die Zeit läuft eher für als gegen ihn. Auch wenn nun der eine oder andere Name als Bobic-Nachfolger fällt, von Rangnick über Heidel, Metzelder oder zuletzt Groningens Manager Henk Veldmate.

Ein echter Schnitt mit Schneider?

Der Kader, so wie er momentan zusammengestellt ist, benötigt gleich mehrere Korrekturen. Das ist nicht in einer Transferperiode zu bewerkstelligen. Bobic' und auch sein eigenes Erbe gilt es dauerhaft zu korrigieren. Dafür ist aber auch so etwas wie eine gewisse Kontinuität auf den entscheidenden Positionen notwendig. Als einer der dienstältesten Angestellten auf Führungsebene steht Schneider auf jeden Fall für Beständigkeit. Und er wäre - auch das ist ein Kriterium in diesen schweren Zeiten - eine vergleichsweise kostengünstige Lösung.

Er wolle sich nicht auf Kosten anderer profilieren, hat er neulich mal gesagt. Er will entwickeln, dem Klub mit wenig Perspektive neue Wege aufzeigen. Alles andere kann er kaum beeinflussen. "Die Managersuche ist nicht mein Thema und belastet mich deshalb auch nicht", so Schneider.

Intern hat er längst kommuniziert, dass er sich die Rolle im Rampenlicht jetzt zutraut. "Die Bereitschaft ist da. Hoffentlich langfristig, denn das hieße, dass wir erfolgreich sind." Davon ist der VfB Stuttgart in diesem Spätherbst aber noch meilenweit entfernt.

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