Spieltag 140

Von Stefan Rommel
Der Gang zu den Fans ist derzeit kein leichter beim VfB Stuttgart
© getty
Cookie-Einstellungen

Wie lange geht das noch gut?

Wenn Fredi Bobic anführt, eine Generalkritik nach vier Spieltagen wäre verfrüht, übersieht er schlicht, dass es nicht vier Wochen sind, über die gemurrt und protestiert wird. Sondern vier Jahre. Der VfB wurde Zuletzt Zwölfter, Sechster, Zwölfter, Fünfzehnter und steht momentan auf Platz achtzehn. Der VfB Stuttgart hat im Resümee seiner Anhänger am Wochenende nicht den 4. Spieltag absolviert, sondern den 140. Spieltag.

Der offene Brief der Ultra-Bewegung "Commando Cannstatt" formuliert nicht die Sichtweise von 1500 Fans, wie es in den Tagen danach ebenso beharrlich wie falsch dargestellt wurde. Er spricht die Probleme schlicht sachlich an. So sachlich, dass eine Replik wie die von Bobic unangebracht ist, wenn er sagt, es ginge nur darum "Horrorszenarien an die Wand zu malen und alle möglichen Konsequenzen zu fordern. Ich weiß nicht, also da sollen sich mal Neutrale damit beschäftigen."

Bobic hat die Chance verpasst, die Diskussion zu versachlichen. Seine Worte kommen bei etwas mehr als 1500 Fans so rüber, als würde er die Lage immer noch unterschätzen. Dass dem nicht so ist, dafür gibt es eine Reihe von Beispielen. Nur: Warum reagiert er dann brüskiert?

"Wenn wir weiter so arbeiten, dann mache ich mir keine Sorgen", hat Bobic dann noch gesagt. Er hat das Gesamtbild im Kopf, wie es wohl in naher Zukunft aussehen soll und er sieht, wie jeden Tag - auch hinter den Kulissen - gearbeitet wird. Insofern darf er das auch behaupten. In der momentanen Situation kommt das für diejenigen, die jeden Samstag die 90 Minuten auf dem Platz beurteilen können, aber vielleicht etwas schräg rüber.

Der Verein präsentiert sich im Moment einmal mehr nicht als in sich geschlossenes Gebilde. Zum wiederholten Mal werden dieselben Probleme offenkundig und es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis immer noch mehr Fans die Geduld verlieren. Das Verhältnis zwischen dem Klub und seinen Fans steht auf sehr wackeligen Beinen.

Dass es auch anders gehen kann, kann man ein paar Kilometer entfernt bei den Kickers sehen. Der ehemalige Chaosklub ist auf dem besten Wege, sich zu konsolidieren. Die Blauen spielen einen ehrlichen, mutigen Fußball - auch ohne Claim aus der Marketingschmiede.

Gibt es auch Lichtblicke?

Was man Bobic aber zu Gute halten muss, sind die Veränderungen hinter den Kulissen. Der Sportvorstand übertreibt nicht, wenn er darauf verweist und diese als sinnvoll und notwendig für die Zukunft des Klubs bezeichnet.

Das Nachwuchsleistungszentrum im Schatten der Arena wurde auf Vordermann gebracht. Im Jugendbereich hat der VfB einige interessante Spieler gewinnen können, die sich zu jenen gesellen, denen in zwei oder drei Jahren der Durchbruch bei den Profis zugetraut wird.

Bobic hat die Zusammenführung der Bereiche Nachwuchs und Scouting wieder rückgängig gemacht. Ein überfälliger Schritt, dem allerdings auch eine Fehleinschätzung vorausging. Erst vor zwei Jahren entschieden sich die Verantwortlichen dafür. Nun die Kehrtwende. "Ralf Becker, der bis dahin für beides zuständig war, hat hervorragende Arbeit geleistet. Er hätte das auch gerne weitergemacht. Aber die Aufgabenbereiche sind nun einmal sehr groß", sagte Bobic in einem Interview mit der "Stuttgarter Zeitung".

Deshalb wurde im Sommer Rainer Adrion zurückgeholt, der sich um das Nachwuchsleistungszentrum und die Verzahnung zwischen Akademie und Profiabteilung kümmern soll. "Mit ihm bin ich bereits vor zwei Jahren zusammengesessen. Er passt perfekt zum VfB. Und Ralf Becker kann sich ganz auf das Scouting konzentrieren. In dieser Konstellation bin ich sicher, dass wir bald noch mehr gute junge Spieler herausbringen", sagt Bobic. Er hofft es.

Der ehemalige Mediendirektor Marcus Jung ist seit einigen Tagen als "Direktor Sport" in neuer Position tätig. Jung verantwortet die Bereiche Internationalisierung, Marketing und Sportwissenschaft. Außerdem ist er als Geschäftsführer mitverantwortlich für die Reha-Welt des Klubs.

"Die Komplexität und Quantität an Themen im Vorstandsbereich Fußball hat deutlich zugenommen. Dies hat uns veranlasst, diese Aufgaben zu bündeln und künftig von Max Jung aus einer Hand managen zu lassen", erörtert Präsident Bernd Wahler den Schritt, neben dem bereits installierten Jochen Schneider einen zweiten Posten "Direktor Sport" ins Leben zu rufen.

"Es hat sich innerhalb der Mannschaft und im Klub sehr vieles verändert. Wir haben eine Umstrukturierung im sportlichen Bereich vorgenommen, viele Dinge wurden neu definiert. Jetzt brauchen wir Kontinuität", sagt Bobic.

Damit hat er zweifellos Recht. Nur bleiben diese Dinge so lange im Verborgenen, so lange die Profimannschaft nicht einen erfolgreichen Weg einschlägt. Jede perspektivische Neuerung ist gerade im Fußball unmittelbar an den kurzfristigen Erfolg gekoppelt.

Seite 1: Das große Problem und sportliche Fehler

Seite 2: Das Murren der Fans und einige Lichtblicke

Artikel und Videos zum Thema